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Kommentar: Den deutschen Auto-Bossen sitzt die Angst im Nacken

Kommentar

Den deutschen Auto-Bossen sitzt die Angst im Nacken

Stefan Stahl
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    Frisch elektrifiziert: Audi hat die Plug-in-Antriebe seiner Modelle A6, A7 und A8 und den Q5 E-Tron (hinten) erneuert. 
    Frisch elektrifiziert: Audi hat die Plug-in-Antriebe seiner Modelle A6, A7 und A8 und den Q5 E-Tron (hinten) erneuert.  Foto: Audi AG

    Deutsche Auto-Bosse haben sich zu lange als Chef-Verdränger betätigt. Blech gewordenes Symbol ihrer Wegschau-Mentalität sind Dieselfahrzeuge. Sie sollten das Zaubermittel sein, um die immer strikteren Klimaschutz-, also CO2-Vorgaben aus Brüssel einzuhalten, entpuppten sich aber als gesundheitsschädigende Stickoxid-Dreckschleudern. Letzteres sollte mit geschönten Abgaswerten vertuscht werden, doch der Betrug flog auf und zog Milliardenstrafen nach sich.

    So misslang der Plan der Auto-Manager, sich mit dem Diesel Zeit zu erkaufen, um langsam, also evolutionär in die Elektromobilität einzusteigen. Gerade Daimler, Audi und VW wollten ewig nicht zu Revolutionären werden und wie Tesla mit E-Autos radikal nach vorne stürmen, weil die Technik noch Wehwehchen hat. BMW wiederum erweckte mit dem optisch allzu sperrigen Elektroauto i3 den Anschein, ein Revoluzzer zu sein. In Wahrheit ist das Auto nur ein, wenn auch ambitioniertes und mutiges Nischenprodukt. Deutsche Hersteller verfahren also nach der Devise „Gescheit oder gar nicht“.

    Autokäufer haben die Qual bei der Wahl

    Die E-Nachzügler kommen erst dann mit Fahrzeugen auf den Markt, wenn sie ausgereift sind. Deswegen lassen Elektro-Angebote von Daimler & Co. lange auf sich warten. Kunden, die ein Batterie-Auto kaufen wollen, haben leider nicht die Qual der Wahl, sondern eher die Qual bei der Wahl. Den bezahlbaren, soliden, schnell aufladbaren und für Urlaubsfahrten geeigneten Volks-Elektro-Wagen etwa für eine Familie mit zwei Kindern und Hund suchen viele vergebens.

    Was dagegen existiert und diese Woche den Autosalon in Genf bestimmen wird, sind kühne Ankündigungen unserer Auto-Revolutionäre wider Willen. Denn den Fahrzeug-Bossen sitzt die Angst im Nacken, zu lange auf Diesel-Dinosaurier gesetzt zu haben. Würde ein Manager wie Dieter Zetsche sonst über seinen Noch-Arbeitgeber sagen: „Es ist kein Naturgesetz, dass Daimler ewig besteht.“ Aus dem Satz spricht Verunsicherung, auch darüber, dass deutsche Hersteller von US-Herausforderern wie der Google-Schwester Waymo oder Uber abgehängt werden, wenn es um das autonome Fahren geht.

    Die Ingenieurs-Power wird gebündelt

    Die Angst muss bei Daimler und BMW derart groß sein, dass sich die Erzrivalen auf dem Hightech-Feld zusammengeschlossen haben. Auch wenn es zwischen den Münchner und Stuttgarter Autobauern schon Kooperationen gab, kommt das einem Tabubruch gleich. Vor allem gestehen die Konzerne endgültig ein, dass ihre Strategie des Verdrängens gescheitert ist. Um den Dagobert Ducks der in die Autowelt drängenden US-IT-Industrie Paroli zu bieten, helfen Allianzen. Daher haben die deutschen Autobauer ihren Struktur-Konservatismus – wenn auch zu spät – überwunden. Dank geballter heimischer Ingenieur-Power können sie den Rückstand vielleicht aufholen und ihre Position retten. Denn wenn ein Riese wie VW ins Rollen kommt, rollt er gewaltig. Und Volkswagen hat sich an die Spitze der hiesigen E-Revolution gestellt.

    Dabei gehen die Konzerne ein Risiko ein: Sie investieren zweistellige Milliardenbeträge etwa in die E-Mobilität, ohne zu wissen, ob die Verbraucher solche Autos einmal in großer Menge kaufen oder sich der Revolution so lange verweigern, wie es geht. Schließlich ist die Lade-Infrastruktur noch mangelhaft und die Reichweite der Fahrzeuge wirkt unbefriedigend.

    So wird 2019 ein schwieriges Jahr für die Autohersteller. Sie investieren Unsummen in die Revolution, während die Nachfrage nach Autos auf wichtigen Märkten wie China und den USA zurückgeht. Das führt zu einer schlechteren Produktionsauslastung und könnte auf Dauer Arbeitsplätze kosten.

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