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Kommentar: Davos braucht nach der Corona-Krise einen Neustart

Kommentar

Davos braucht nach der Corona-Krise einen Neustart

Michael Kerler
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    Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht während einer Videokonferenz im Rahmen des Weltwirtschaftsforums.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht während einer Videokonferenz im Rahmen des Weltwirtschaftsforums. Foto: Salvatore Di Nolfi, dpa

    Dieses Jahr ist vieles anders. Auf jeden Fall gilt dies für das Weltwirtschaftsforum, das normalerweise in Davos im Januar zum Auftakt des Wirtschaftsjahres stattfindet. Normalerweise würden jetzt rund 3000 Teilnehmer in dem Schweizer Skiort eintreffen, darunter rund 70 Staats- und Regierungschefs und um die hundert Milliardäre. Vertreten ist stets, was zur Elite aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft zählt.

    Zu den Partnern des Forums gehören die größten Konzerne der Welt, da-runter – um bei A zu beginnen – Apple, der chinesische Händler Alibaba oder die Allianz. Ex-US-Präsident Donald Trump kam früher genauso wie Kanzlerin Angela Merkel, Facebook-Chef Mark Zuckerberg oder Elton John.

    Die Corona-Epidemie macht der illustren Konferenz heuer aber einen Strich durch die Rechnung. Das Treffen findet rein digital statt – den Teilnehmern geht es wie tausenden Menschen im Homeoffice. Thema dieses Jahr: „The Great Reset“ – „Der große Neustart“. Verschwörungstheorien, dass die Davos-Elite eine Weltordnung ausheckt, sind Unsinn. Fragen aber muss man, ob das Forum nicht selbst einen Neustart braucht. Denn wie der Titel zeigt, sind die Ambitionen groß, die Effekte aber bescheiden.

    Fanden die entscheidenden Gespräche in Davos hinter verschlossenen Türen statt?

    Das Forum versteht sich als Plattform zum Austausch über Lösungen für internationale Konflikte und Probleme. An großen Themen fehlt es nie: Handel, Umweltschutz, Klima, Kriege, Krisen. Damit beschäftigen sich die Teilnehmer in Workshops und Vorträgen. Berechtigt ist die Kritik, ob die entscheidenden Gespräche aber nicht – intransparent – hinter verschlossenen Türen stattfanden, in Hinterzimmern oder abends, auf einer Party.

    Erstmals hält das Weltwirtschaftsforum sein traditionelles Jahrestreffen nicht im derzeit verschneiten Davos, sondern im Internet ab.
    Erstmals hält das Weltwirtschaftsforum sein traditionelles Jahrestreffen nicht im derzeit verschneiten Davos, sondern im Internet ab. Foto: Gian Ehrenzeller, dpa

    Nach außen informiert sich die globale Elite in Davos über die großen Probleme, gleichzeitig werden Netzwerke geschlossen und zum eigenen Interesse der Boden für künftige Deals bereitet. Das wirkt heuchlerisch. Siemens-Chef Joe Kaeser gilt zum Beispiel als streitbarer, kritischer Geist. Im Jahr 2018 aber sorgte er in Davos für Irritationen, als er Ex-US-Präsident Trump erst einmal für dessen Steuerpolitik lobte.

    2019 forderte Greta Thunberg in Davos: "I want you to panic!"

    Ja, die Welt braucht Plattformen des internationalen Austauschs zwischen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft. Die Corona-Impfstoffe sind beispielsweise erst in internationaler Zusammenarbeit von Unternehmen entstanden. Es ist ein Wert, Entscheidungsträger zusammenzubringen. Diese Lebensleistung von Forum-Gründer Professor Klaus Schwab hat Achtung verdient. Zuletzt hat Schwab auch Kritiker eingebunden. Klimaschützerin Greta Thunberg hat mit ihrer Davos-Rede 2019 („I want you to panic.“ – „Ich will, dass Sie Panik spüren.“) Eindruck hinterlassen. Doch Anspruch und Wirklichkeit klaffen auseinander.

    Reden und Handeln der Teilnehmer passen zu wenig zusammen, Davos wirkt deshalb für Beobachter bizarr. Bereits 2010 hatte das Forum das Motto „Den Zustand der Welt verbessern“. Der Erdölverbrauch erreichte aber bald ein neues Rekordniveau, der CO2-Ausstoß ist zu hoch, die soziale Ungleichheit nimmt wieder zu. Chinas Staatschef Xi Jinping mag im Forum flammende Reden für Kooperation und Freihandel halten. Bei deutschen Mittelständlern breitete sich aber zuletzt Frust über steigende Marktbarrieren in China aus.

    Das Weltwirtschaftsforum ist gut in Problemdiagnosen, die Teilnehmer haben aber ein Defizit bei der Problemlösung. Jede Selbstverpflichtung zu Investitionen in Klimaschutz, Gesundheit, Bildung ist deshalb ein Fortschritt. Die Davos-Teilnehmer sollten das digitale Treffen 2021 und die Corona-Pandemie als Anlass nehmen, den Schwung des Treffens künftig stärker in Handlungen umzusetzen. Mit US-Präsident Joe Biden könnte es dafür neue Chancen geben.

    Lesen Sie dazu auch: WEF mahnt: Trotz Pandemie bleibt Klimawandel das größte Risiko

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