Vor Deutschland liegt eine Aufgabe, die einen Weitblick erfordert, wie ihn zuletzt vielleicht die Mütter und Väter des Grundgesetzes aufbringen mussten. Das Land sucht ein Endlager für bis zu 1900 Castor-Behälter voll hoch radioaktivem Müll, die die Nutzung der Kernenergie in Deutschland hinterlassen hat. Ein Endlager, das nicht weniger als eine Million Jahre sicher sein soll.
An diesem Mittwoch startet in Kiel eine bundesweite Reihe an Infoveranstaltungen für die Bürger. Bisher ist das Ergebnis der Endlager-Suche offen. Sicher aber ist eines: Ein Erkundungs-Desaster wie im niedersächsischen Gorleben darf es kein zweites Mal geben. Dort wollte die Landesregierung ein atomares Endlager 1977 praktisch von oben herab durchsetzen. Nicht zuletzt wegen massiver Bürgerproteste und jahrzehntelanger Demonstrationen hat man sich davon erst einmal verabschiedet.
Dauerhafte Atommüll-Zwischenlager wie in Gundremmingen sind unzumutbar
Bis in Deutschland ein Endlager in Betrieb gehen könnte, werden Jahrzehnte vergehen, immens teuer wird es sowieso. Eine Region wird aber am Ende die Last eines unterirdischen Endlagers schultern müssen.
Dabei geht der Bund diesmal besser vor als in Gorleben. Die Bürger sollen umfassend in die Suche eingebunden werden, für den Bau gibt es klare Kriterien – zum Beispiel eine Tiefe von mindestens 300 Metern.
Andere Optionen hat man zurecht verworfen. Den strahlenden Müll ins Weltall zu schießen, wäre zum Beispiel noch riskanter. Eine dauerhafte Lagerung in Zwischenlagern wie in Gundremmingen ist der Bevölkerung nicht zuzumuten.
Doch man darf sich nichts vormachen: Sobald Experten im Jahr 2020 mögliche Regionen nennen, geht es heiß her. Kein Landkreis, kein Anwohner, kein Landwirt wünscht sich in der Nachbarschaft ein atomares Endlager. Am Ende eines mehrstufigen Verfahrens und der Prüfung mehrerer Standorte bis zum Jahr 2031 soll aber der Bundestag den Endlager-Standort per Gesetz festlegen.
Atom-Endlager: Es braucht eine mutige Entscheidung
Die Politik muss dann den Mut zur Entscheidung haben. Die Stoffe, um die es geht, sind zu gefährlich, als dass man die Entscheidung auf die lange Bank schiebt. Damit ein Vorschlag dann zumindest akzeptabel ist, müssen jetzt die Weichen gestellt werden.
Es hilft, die Endlager-Suche diesmal ergebnisoffen zu führen, auch wenn der Begriff der „weißen Landkarte“ in die Irre führt. Die Landkarte ist nicht weiß. Tonschichten, Salzstöcke oder Granit, die ein Endlager beherbergen könnten, gibt es eben nicht überall. CSU und Freie Wähler in Bayern werden deshalb mit ihrer Vorfestlegung im Koalitionsvertrag kaum durchkommen, dass Bayern kein geeigneter Standort sei. Tonschichten finden sich auf der Schwäbischen Alb bis hinunter nach Neu-Ulm und Senden, Granit gibt es im Bayerischen Wald und im Fichtelgebirge.
Entscheidend aber wird sein, dass Experten und Politiker am Ende glaubhaft machen können, dass ein Endlager wirklich sicher ist. Denken wir an das Endlager Asse. Auch hier hieß es, das Salz schlösse die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle sicher ein. Dann soff das Bergwerk ab. Überzeugend darzulegen, dass eine Lagerstätte für eine Million Jahre (!) sicher ist, wird schwierig genug. Der bayerische Granit gilt zum Beispiel als recht zerklüftet.
Nicht zuletzt wird die Akzeptanz davon abhängen, den Atomausstieg wirklich umsetzen. Wer würde ein Endlager dulden, wenn an anderer Stelle Kraftwerke immer neuen, hochradiaktiven Abfall produzieren? Der Streit um das Endlager zeigt auch, dass Atomenergie in Deutschland kein akzeptierter Weg sein wird, den Klimawandel zu bekämpfen, wie es gelegentlich wieder diskutiert wird.