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Klimaschutz: Warum es so schwer ist, Lastwagen klimaneutral zu machen

Klimaschutz

Warum es so schwer ist, Lastwagen klimaneutral zu machen

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    Der Verkehrssektor ist künftig in den nationalen Emissionshandel einbezogen. Doch das schafft auch Probleme.
    Der Verkehrssektor ist künftig in den nationalen Emissionshandel einbezogen. Doch das schafft auch Probleme. Foto: Ralf Hirschberger, dpa

    Weiße Fahrerkabine, dunkelblauer Anhänger, 71,3 Kilogramm CO2-Ausstoß pro 100 Kilometer. Wenn die Lkw der Unterallgäuer Spedition Finsterwalder unterwegs sind, transportieren sie nicht nur stapelweise Papierprodukte oder Maschinenteile – sie pusten auch, wie alle Fahrzeuge mit Verbrennermotor, kontinuierlich das Klimagas CO2 in die Luft.

    Wer dem Klima schadet, soll jedoch künftig nicht mehr umsonst davonkommen: Ab 2021 müssen in Deutschland für jede Tonne CO2 25 Euro bezahlt werden. Damit verteuern sich Öl und Diesel um 7,9 Cent pro Liter, Benzin um 7 Cent pro Liter und Erdgas um 0,6 Cent pro Kilowattstunde. Danach steigt der Preis schrittweise auf bis zu 55 Euro pro Tonne CO2 im Jahr 2025. Diese Bepreisung soll helfen, den Verbrauch von fossilen Heiz- und Kraftstoffen zu senken. Unternehmen soll sie dazu anhalten, ihre eigenen Emissionen – im besten Fall auf null – zu reduzieren. Doch selbst wenn sie das wollen, scheitert die Umsetzung oft im Detail.

    Auf europäischer Ebene gibt es bereits für große Industrieanlagen wie Stahlwerke und für Luftfahrzeugbetreiber ein ähnliches Emissionshandelssystem. Der Verkehrsbereich und der Wärmemarkt sind davon bisher ausgenommen – was sich nun zumindest in Deutschland ändern soll. Die Idee dahinter unterstützen die meisten Unternehmen. Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag bewertet das deutsche Emissionshandelssystem „im Grundsatz positiv“. Gleichzeitig warnt der Verein, der große Teile der deutschen Wirtschaft vertritt: „Die nationale CO2-Bepreisung belastet die Wettbewerbsfähigkeit vieler Unternehmen und ist teilweise existenzbedrohend.“ Aber was bedeutet die CO2-Bepreisung konkret für mittelständische Unternehmen? Und was bringt sie tatsächlich für den Klimaschutz?

    Unternehmen reichen die Kosten für Klimaschutz weiter

    Klaus Finsterwalder, Inhaber und Geschäftsführer des Türkheimer Logistik- und Transportunternehmens, sieht die Bepreisung zunächst pragmatisch: „Alle Halter von Fahrzeugen sind betroffen.“ Konkret heißt das für die Spedition: „Jeder Lkw wird ab dem nächsten Jahr bis zu 2500 Euro mehr kosten.“ Insgesamt mache das rund eine halbe Million Euro jährlich aus. „Das können wir nicht schultern“, sagt Finsterwalder. Im Transportgewerbe seien der Konkurrenzdruck hoch und die Gewinnmargen entsprechend niedrig. Deshalb müssten die Speditions- und Transportdienstleister versuchen, diese Mehrkosten auf die Auftraggeber, sprich Kunden, zu übertragen.

    Das größte Problem sieht der Spediteur in den mangelnden Alternativen zum klassischen Verbrennungsmotor. Strom? „Zu schwach und zu wenig Reichweite.“ Gas? „Noch nicht weit genug entwickelt und zu teuer.“ Für kurze Strecken, etwa beim Verteilen der Post in der Stadt, seien E-Transporter sinnvoll, findet Finsterwalder. Für Transporte quer durch Deutschland seien E-Lkw jedoch noch nicht geeignet. Der höhere Diesel-Preis in Deutschland könnte nun jedoch einen Wettbewerbsnachteil vor allem gegenüber internationalen Mitbewerbern bedeuten.

    Klimaneutralität ohne Ersatz für den Verbrennermotor hält Finsterwalder im Transportgewerbe daher für unrealistisch. Die Möglichkeiten, CO2 zu sparen, seien weitestgehend ausgeschöpft, sagt der Geschäftsführer der Spedition. „Natürlich verbrauchen wir in den Büros und Lagerhallen auch Strom und Energie, aber eben viel weniger als die Lkw.“ Manche Emissionen, die beim Transport oder der Produktion entstehen, sind bisher also kaum vermeidbar. Wenn Unternehmen dennoch klimaneutral werden wollen, bleibt ihnen noch die Option, zum Ausgleich in Klimaschutzprojekte zu investieren.

    Dahinter steckt die Idee, dass es für das Klima nicht entscheidend ist, an welcher Stelle Treibhausgase ausgestoßen oder vermieden werden. Ein Lkw der Spedition Finsterwalder legt jährlich etwa 110.000 Kilometer zurück. Ein Baum bindet etwa zehn Kilogramm CO2 im Jahr. Würde Finsterwalder beispielsweise ein Aufforstungsprojekt zur Kompensation wählen, müsste die Spedition für jeden ihrer 250 Lkw 7843 Bäume pflanzen – pro Jahr. In Summe wären das fast zwei Millionen Bäume.

    Investoren und Banken setzen auch auf Klimaschutz

    Trotz solcher Zahlen sieht Wirtschaftswissenschaftler Franz-Josef Radermacher in diesem freiwilligen Ausgleich einen „Königsweg, um den ökologischen Fußabdruck von Unternehmen zu verbessern“. Diese Investitionen würden Sofortwirkung zeigen, etwa weil durch Aufforstung wieder CO2 aus der Atmosphäre geholt werde. „Es versteht sich von selber“, dass die reine Kompensation nicht reicht, sondern es auch eine Verbesserung der eigenen Prozesse geben muss, sagt Radermacher.

    Deutschland hat sich das Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu werden. Laut Christoph Töpfer vom Umweltbundesamt müssen deshalb bis dahin auch die Unternehmen CO2-neutral werden. Dafür brauche jedes Unternehmen ein vorausschauendes Klimamanagement. Dahinter stecken vor allem vier Schlagworte: Bilanzieren, reduzieren, kompensieren und kommunizieren. Um den CO2-Ausstoß eines Unternehmens zu reduzieren, muss man erst einmal feststellen, wie viel CO2 wo erzeugt wird. Auf Basis dieser Klimabilanz sollten Klimaziele festgelegt werden und Maßnahmen, um diese einzuhalten. Als Übergangslösung lässt sich mit Emissionszertifikaten kompensieren. Schließlich sei es wichtig, Pläne und Erfolge transparent zu kommunizieren. „Das zahlt sich zunehmend auch bei der Kapitalbeschaffung aus“, sagt Töpfer. Denn Investoren und Banken vertrauen ihr Geld zunehmend lieber klimafreundlichen und damit zukunftsfähigen Unternehmen an.

    Auch Unternehmen, für die das Emissionshandelsgesetz nicht direkt gilt, sind indirekt betroffen. Die Poly-Chemie-Ingenieurgesellschaft (PCI), ein Augsburger Unternehmen, das bauchemische Produkte herstellt, transportiert beispielsweise jährlich mehrere 100.000 Tonnen Material – von Lieferanten zum Werk und zu Kunden – und hat dafür künftig auch erhöhte Frachtkosten. Die eigenen CO2-Emissionen entstehen bei dem produzierenden Unternehmen jedoch großteils in der eigenen Produktion. Daher versucht PCI verstärkt in energieeffiziente Anlagen und in neue energie- und ressourcenschonende Technologien zu investieren.

    Wirtschaftswissenschaftler Radermacher, sagt: „Die Lösung der Energie- und Klimaprobleme beinhaltet oft schmerzhafte Veränderungen für Unternehmen.“ Wer jedoch langfristig erfolgreich sein will, muss klimafreundlich werden.

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