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Klimaschutz: Klimaneutralität: Europas Bauplan für eine grüne Zukunft

Klimaschutz

Klimaneutralität: Europas Bauplan für eine grüne Zukunft

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    Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (Dritte von links) und Vizepräsident Frans Timmermans (links) haben große Pläne: Der Kontinent soll klimaneutral werden.
    Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (Dritte von links) und Vizepräsident Frans Timmermans (links) haben große Pläne: Der Kontinent soll klimaneutral werden. Foto: Valeria Mongelli, dpa

    Der Fahrplan steht. Ab 2035 dürfen nur noch Neufahrzeuge zugelassen werden, die 100 Prozent weniger CO2 ausstoßen als heute. Es ist das Aus für Benzin- und Diesel-Fahrzeuge. In jedem Jahr müssen Bund, Länder und Kommunen drei Prozent der öffentlichen Gebäude sanieren. Heizöl und Kraftstoff sowie Kerosin werden teurer. Das sind die Grundzüge des umfassendsten Gesetzespaketes, das die EU je erlassen hat. Es besteht aus insgesamt zehn einzelnen Regelwerken.

    Leyen: "Wir werden 2050 der erste klimaneutrale Kontinent sein"

    „Wir werden unser Ziel erreichen, 2050 der erste klimaneutrale Kontinent der Welt zu sein“, sagte Ursula von der Leyen, die Präsidentin der EU-Kommission, bei der Vorstellung der Beschlüsse am Mittwoch in Brüssel. Allerdings ist das nur der erste Schritt. Nun beginnen die Verhandlungen über das Paket im EU-Parlament und mit den 27 Mitgliedstaaten – Änderungen sind nicht nur wahrscheinlich, sondern sicher.

    CO2-Emissionen kosten Geld – das ist der rote Faden, der sich durch alle Vorschläge zieht. Man wolle durch „Innovationen in saubere Energie und dann hin zu einer echten Kreislaufwirtschaft“ kommen, betonte von der Leyen. Zum zentralen Element wird der Emissionshandel. Dabei müssen alle, die CO2 emittieren, Zertifikate erwerben – vereinfacht gesagt: Verschmutzungsbons. Wer viel CO2 in die Luft bläst, zahlt mehr und wird so dazu angehalten, auf eine klimaschonende oder klimaneutrale Produktion umzustellen.

    Seit Anfang des Jahres verteuert schon die CO2-Abgabe den Sprit hierzulande merklich. Die Umsetzung des EU-Konzepts könnte den Betrieb von Verbrennerautos noch kostspieliger machen.
    Seit Anfang des Jahres verteuert schon die CO2-Abgabe den Sprit hierzulande merklich. Die Umsetzung des EU-Konzepts könnte den Betrieb von Verbrennerautos noch kostspieliger machen. Foto: Sven Hoppe, dpa

    „Alle müssen sich auf saubere Produkte konzentrieren“, sagte die Kommissionspräsidentin. So soll es neben dem bestehenden Emissionshandel ein System für die Luft- und Schifffahrt geben. „Ein Kreuzfahrtschiff emittiert pro Tag so viel CO2 wie 80.000 Autos“, betonte von der Leyen. Das könne nicht so bleiben.

    Ein weiteres eigenes System soll für Gebäude und Verkehr eingeführt werden. Dort wittern die Brüsseler Experten den meisten Reduzierungsbedarf des Klimakillers. Derzeit darf die Fahrzeugflotte der Hersteller im Durchschnitt aller Modelle 95 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen. Schon bisher hatte man sich darauf verständigt, diesen Wert bis 2030 um weitere 37,5 Prozent zu senken. Allerdings gingen die Kohlendioxid-Belastungen trotz moderner Motoren nicht zurück. Sie stiegen zwischen 1995 und 2019 um 5,1 Prozent, im Güterverkehr war 2019 sogar ein Plus von 21 Prozent zu verzeichnen. Der neue Vorstoß geht noch weiter: Minus 55 Prozent bis 2030 und minus 100 Prozent bis 2035. Bei einer durchschnittlichen Lebensdauer heutiger Autos von zehn bis 15 Jahren wären dann im entscheidenden Jahr 2050 nur noch Null-Emissionen-Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs.

    Eine Ausgleichssteuer soll helfen, den Nachteil für Konzerne aufzufangen

    „Diese Ziele kann die Wirtschaft nur erreichen, wenn die Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben – im EU-Binnenmarkt und beim Export. Das heute vorgestellte Gesetzespaket bietet viele Chancen“, kommentierte Peter Adrian, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), die Vorschläge. Die

    David Sassoli, Präsident des Europäischen Parlamentes, sagte am Mittwoch: „Die EU hat bewiesen, dass es möglich ist, Emissionen zu senken und gleichzeitig zu wachsen und Arbeitsplätze zu schaffen. Lassen Sie uns diesen Weg fortsetzen und sicherstellen, dass niemand zurückgelassen wird.“ Tatsächlich wollen von der Leyen und ihre Kommission parallel zu ihrer ökologischen Wende einen sozialen Ausgleichsfonds einrichten. Der soll zum einen dafür sorgen, dass es unter den EU-Mitgliedstaaten keine Kluft zwischen jenen gibt, die viel Geld in den Übergang zur Klimaneutralität pumpen können, und jenen, die wegen knapper Mittel das Nachsehen haben.

    Alle Maßnahmen sollen bis 2023 in Kraft treten

    Zugleich will Brüssel auch einen Mechanismus aufbauen, der verhindert, dass immer mehr Menschen nicht mal genug Geld zum Heizen ihrer Wohnungen haben – eine Situation, die bereits mehrfach aus dem Osten der Union berichtet wurde. In Brüssel beginnt nun das große Rechnen, denn die Brüsseler EU-Kommission hat nach Meinung von Kritikern viele Unwägbarkeiten in ihrem Modell ausgeklammert. So gehen Null-Emissions-Fahrzeuge als klimaneutral in die Statistik ein. Dass die Herstellung der Batterien mehr Energie verschlingt als der Bau eines Verbrennungsmotors, bleibt außen vor.

    Eine große Rolle spielt die Speicherung von CO2 in Wäldern und Böden. Deshalb will Brüssel mit Aufforstungsprogrammen diese Möglichkeiten ausbauen, hat aber dabei offenbar schwer zu erreichende Ziele zugrunde gelegt. Auch da, so hieß es gestern in Brüssel, arbeite die Behörde mit ungenauen Angaben nicht wirklich tragfähig. Doch dies seien, so war von der Kommission zu hören, „Positionen, die man in den nun anlaufenden Beratungen auch noch nachjustieren“ könne. Die Frage ist, ob dafür genügend Zeit bleibt. Denn alle vorgeschlagenen Maßnahmen müssen spätestens 2023 in Kraft treten. Sonst wirken sie zu spät, um die gestern beschworenen Ziele noch erreichen zu können.

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