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Klima: Unrealistische Zahlen häufen sich: Kann das Klimapaket klappen?

Klima

Unrealistische Zahlen häufen sich: Kann das Klimapaket klappen?

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    Rechnerisch müssten in Europa jeden Monat 100.000 Ladesäulen hinzukommen.
    Rechnerisch müssten in Europa jeden Monat 100.000 Ladesäulen hinzukommen. Foto: Julian Stratenschulte, dpa

    Die Begeisterung hat sich gelegt. Drei Tage sind seit der Vorstellung des Klimapaketes der Europäischen Kommission vergangen. Inzwischen haben sich die Experten von Regierungen und Verbänden darüber gebeugt: Das Ergebnis ist in vielerlei Hinsicht ernüchternd. Unrealistische Zahlen, zu optimistische Annahmen und klare, politische Absagen häufen sich. Beispiel: Ladesäulen. Um den E-Auto-Boom anzuheizen, hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ein ehrgeiziges Ziel ausgegeben. Bis 2030 sollen an Schnellstraßen alle 60 Kilometer Strom-Tankstellen zur Verfügung stehen. Die Branche hat nachgerechnet und gibt sich ernüchtert. Bisher existieren in den 27 EU-Staaten gut 300.000 Ladesäulen. Benötigt werden zehn Millionen. Das heißt: Bis Ende 2029 müssten jeden Monat 100.000 neue Stationen aufgestellt werden. Daran glauben nicht mal Optimisten.

    Die Kerosinsteuer würde vor allem die Spritkosten um Milliarden steigen lassen

    Kritik kommt aus der Luftfahrtindustrie, die Brüssel mit der Kerosinsteuer sowie einem eigenen Emissionshandelssystem ins Visier genommen hat. Es würden nur innereuropäische Flüge betroffen sein, das führt zu Schieflagen, kritisiert der Bundesverband der Luftverkehrswirtschaft: Bei einem Flug von Hamburg nach Bangkok mit Umstieg in der EU würde die erste Etappe belastet, bei einem Flugzeugwechsel in Istanbul der Aufpreis entfallen. Laut Berechnungen hat die Lufthansa 2019 rund 6,7 Milliarden Euro für Sprit ausgegeben. Die Kerosinsteuer würde diese Kosten um eine Milliarde nach oben treiben.

    Kerosin soll künftig teurer werden, plant die EU.
    Kerosin soll künftig teurer werden, plant die EU. Foto: Jonas Walzberg, dpa

    Enorm umstritten ist die Grenzabgabe für Produkte aus nicht-klimaneutraler Produktion. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) nannte das ein „schwieriges Dossier“ und mahnte, man dürfe nicht den Eindruck von Protektionismus entstehen lassen. Zumal nicht erkenntlich ist, wie man diese Zuschläge bei komplexen Produkten wie etwa einem Fahrzeug eigentlich berechnen soll. Noch größer erscheint das Risiko, dass Unternehmen aus Angst vor Verlust ihrer Wettbewerbsfähigkeit in Nicht-EU-Staaten abwandern könnten. Beispiel Stahl: Europäische Erzeugnisse sind schon heute 30 bis 40 Prozent teurer als chinesische Stahlwaren, was durch die derzeit kostenlosen Emissionszertifikate aufgefangen werden kann. Entfällt diese Kompensation, weil ab 2030 die Zahl der kostenlosen Papiere halbiert und 2035 ganz auslaufen soll, haben die Konzerne kaum eine Chance gegen die Billigkonkurrenz.

    Es werden heftige politische Debatten erwartet

    Hinzu kommt politischer Widerstand – vor allem gegen das neue Emissionshandelssystem für Verkehr und Gebäude. Dass die Preise für Benzin und Diesel steigen, ist absehbar. Es trifft alle. Ob das Instrument überhaupt eine Chance hat, scheint fraglich: Von der Leyen hat es gegen den Wunsch des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron (und wohl auf Wunsch von Kanzlerin Merkel trotzdem) vorgeschlagen. Macron will nicht nur 2022 wiedergewählt werden, er befürchtet auch eine Neuauflage der Gelbwesten-Proteste. Nach der Sommerpause dürfte es also heftige Debatten um den richtigen Weg zum Klimaziel geben, über das nur prinzipiell Einigkeit herrscht.

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