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Interview mit IHK-Chef: "Ich habe keine Angst vor den Chinesen"

Interview mit IHK-Chef

"Ich habe keine Angst vor den Chinesen"

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    Dr. Andreas Kopton, Präsident der IHK Schwaben.
    Dr. Andreas Kopton, Präsident der IHK Schwaben. Foto: Peter Fastl

    Herr Kopton, das wird ein hartes Jahr für einen Optimisten wie Sie.

    Kopton: Warum soll das ein hartes Jahr werden?

    Weil 2016 das Jahr der Ängste wird. Das sagt Professor Manfred G. Schmidt, Politologe an der Uni Heidelberg. Er stützt sich dabei auf eine Umfrage, nach der sich die Sorgen der Deutschen wegen Terrorkrise und Flüchtlingsgefahr auf Rekordniveau befinden. Haben Sie also Angst, Herr Kopton?
    Kopton (schüttelt lächelnd den Kopf): Nein, nein, wirklich nicht! Solche Studien haben ja was von einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Wenn ich von den Menschen wissen will, wovor sie Angst haben, und gebe einige Themen vor, kommt natürlich heraus, dass die Menschen Angst haben. Warum fragt nicht mal einer die Menschen, worüber sie sich freuen.

    Dennoch ist nicht zu leugnen: Die Sorgen vieler Bürger sind trotz eines insgesamt hohen Wohlstandsniveaus größer geworden. Geht es uns zu gut?
    Kopton: Nicht trotz, sondern wegen des hohen Wohlstandsniveaus wachsen bei vielen Bürgern die Sorgen. Schließlich haben viele etwas zu verlieren, nämlich ihren Wohlstand.

    In unserer Region müssten die Menschen angesichts von nur drei Prozent Arbeitslosigkeit und brummenden Produktionsbetrieben doch angstfrei sein?
    Kopton: Viele sind aber nicht angstfrei. Denn sie sind ganz oben und haben deshalb viel zu verlieren. Konjunkturell betrachtet befinden wir uns in Schwaben auf dem Gipfel eines Berges. Und klar ist natürlich: Irgendwann werden wir von dieser wunderbaren Position wieder absteigen müssen. Auch wenn es uns jetzt gut geht, haben Menschen Angst, ihren Job zu verlieren. Und viele stellen sich die Frage: Was mache ich angesichts der Nullzins-Politik der Europäischen Zentralbank mit meinem Geld? Wenn ich es anlege, kriege ich nichts dafür, aber ich lese jeden Tag, ich muss es anlegen, weil meine Altersversorgung nicht ausreicht. Obwohl es vielen gut geht, wachsen also die Ängste.

    Aus der Angst-Studie ist auch herauszulesen, dass viele Deutsche glauben, unsere Politiker seien den immer komplexeren Herausforderungen nicht gewachsen. Sind denn die Unternehmer dazu in der Lage?

    Kopton: Wer die Finanzmarktkrise als Unternehmer in den Jahren 2008 und 2009, als Banken weltweit bebten, überlebt und damit die Weltuntergangsstimmung überwunden hat, den sollten die aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen nicht umhauen. Weder die aus Europa aussteigenden Briten, die Ausfälle im Handel mit Russland noch das in einer Banken- und Wirtschaftskrise steckende Italien können uns ernsthaft erschüttern. Die letzten Jahre haben gezeigt: Wenn bestimmte für uns wichtige Märkte kriseln, laufen andere besser. Jetzt zum Beispiel kommt Spanien wieder hoch.

    Und wie geht es in unserer Region konjunkturell weiter?

    Kopton: Die gute wirtschaftliche Lage in unserer Region hält bis 2018 an. Daran ändert auch der Brexit nichts. Wir könnten in der Region sogar davon profitieren.

    Wie soll das denn gehen?

    Kopton: Nehmen wir dieses Beispiel: Der US-Landmaschinenkonzern AGCO, zu dem ja Fendt gehört, überlegt, seine Europa-Zentrale weg aus England auf den Kontinent zu verlagern. Hier kommen unsere schwäbischen Fendt-Standorte in Marktoberdorf und Asbach-Bäumenheim infrage. Einer muss es werden.

    Sehen Sie die Übernahme des Augsburger Roboterbauers Kuka durch den Midea-Konzern auch so optimistisch? Haben Sie Angst vor den Chinesen?

    Kopton: Ich habe keine Angst vor den Chinesen. Hier waltet Marktwirtschaft in reinster Form. Da zahlt ein Investor einen sehr hohen Preis von 115 Euro je Aktie, was die überwiegende Anzahl der Anteilseigner natürlich annimmt. Das ist also ein völlig normaler Vorgang in einer globalisierten Welt. Wir müssen das tolerieren. Und ich verstehe es auch, dass Kuka-Chef Till Reuter dem Ansinnen von Midea positiv gegenübersteht, zumal er weitreichende Standort- und Jobgarantien für siebeneinhalb Jahre herausgehandelt hat. Wenn es ein US-Investor gewesen wäre, wäre der Aufschrei nicht so groß. Und mehr als 50 Prozent der Aktien der 30 Konzerne des Deutschen Aktienindex befinden sich ja in ausländischer Hand. So läuft eben das weltweite Business.

    Doch siebeneinhalb Jahre sind schnell vorbei. Und China ist kein normales Land. Hier wird Wirtschaftspolitik, also auch Übernahmen im Ausland, von der Kommunistischen Partei vorgegeben. Besorgt Sie das nicht?

    Kopton: Dass hinter Midea ein merkwürdiges politisches System steckt, ist bekannt. Aber das Land öffnet sich in einem so starken Maße der Marktwirtschaft, wie man das von einem kommunistischen System nicht erwartet hätte. Und wir Deutschen sind doch mit wehenden Fahnen seit Jahrzehnten in dieses Land hineingegangen, ohne dass uns dieses System in irgendeiner Form gestört hätte. Unsere Autokonzerne und ihre Zulieferer wie auch Kuka machen in China gute Geschäfte.

    Wäre es Ihnen dennoch nicht lieber gewesen, Kuka wäre in mittelständischer deutscher Hand geblieben?

    Kopton (seufzt und schweigt kurz): Ich zögere mit einer Antwort, weil hier Emotionen ins Spiel gebracht werden. Nachdem der nordschwäbische Anker-Investor Grenzebach aus Hamlar bei Kuka ausgestiegen war, hat ja die baden-württembergische Voith-Gruppe die Anteile übernommen. Im Technologie-Unternehmen Kuka, das für die Vernetzung von Automatisierung und Datenwelt steht, sahen die Voith-Manager für sich eine große Zukunft. Und dennoch sind sie ausgestiegen.

    Warum?

    Kopton: Am Ende muss es ausschließlich Geld gewesen sein, was Voith zum Verkauf der Aktien bewegte. Wie sollte auch ein Unternehmen seinen Gesellschaftern erklären, ein finanziell derart attraktives Angebot nicht anzunehmen. Wehe die Kuka-Aktien wären im kommenden Jahr runtergegangen. Das wäre Gesellschaftern nicht zu vermitteln gewesen.

    Wie sieht Ihre China-Bilanz für die Region aus?

    Kopton: Wir profiteren in der Region von China. Nur ein Beispiel: Mein Unternehmen, die Harburger Umwelt-Ingenieurfirma HPC, begleitet deutsche Firmen, die in China Standorte erschließen. Unsere Experten untersuchen dann, ob Grundstücke Altlasten aufweisen. Jetzt bereiten wir uns darauf vor, Chinesen, die nach Deutschland kommen, den gleichen Service zu bieten. Auch sie wollen wissen, welche Umweltrisiken sie sich bei Geschäften einkaufen. Wir haben eine chinesische Mitarbeiterin eingestellt. So läuft die Globalisierung.

    Investieren noch mehr Chinesen in unserer Region?

    Kopton: Ich bin überzeugt, dass Chinesen verstärkt nach Investments in unserer Region Ausschau halten. Die asiatischen Investoren haben ähnliche Probleme wie die europäischen. Sie müssen, was angesichts der Zinspolitik schwer ist, ihr Geld gewinnbringend anlegen. Da fließt eben viel Geld in die Realwirtschaft, also auch in Firmen. Interview: Stefan Stahl

    Info Andreas Kopton, 60, ist seit 2009 Präsident der schwäbischen Industrie- und Handelskammer (IHK). Der Umwelt-Unternehmer, dessen Ingenieur-Firma HPC im nordschwäbischen Harburg sitzt, stammt aus Wremen im Landkreis Cuxhaven. Der promovierte Diplom-Ökonom ist verheiratet und hat drei Kinder. Kopton hält sich mit Joggen fit und ist ein leidenschaftlicher Leser, der besonders gern zu Zeitungen greift.

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