Herr Woidke, wir lesen, dass Potsdam einen Walk of Fame wie in Hollywood bekommt. Haben Sie schon einen Stern für Tesla-Chef Elon Musk reserviert?
Dietmar Woidke: Davon habe ich noch gar nichts gehört. Was Tesla angeht: Wir hatten am Dienstag wieder eine Beratung unserer Task Force mit Tesla. Es geht voran.
Das Werk in Grünheide soll in zwei Jahren fertig sein. Man denkt bei einem Projekt dieser Größe automatisch an den Berliner Flughafen und ist skeptisch. Wie soll das in zwei Jahren klappen?
Woidke: Ich bin optimistisch, dass der ambitionierte Zeitplan eingehalten werden kann. Das Gelände ist gesichert und planerisch vorbereitet. Jetzt geht es um das Genehmigungsverfahren, das sich vor allem mit Umweltfragen befasst. Die Behörden des Landes stehen bereit, damit die notwendigen Genehmigungen nach Recht und Gesetz ausgestellt werden können. Ich bin fest davon überzeugt, dass alle Beteiligten wissen, dass dieses Projekt für unser Land eine große Bedeutung hat.
Im Sommer hat der bayerische Ministerpräsident Markus Söder einen Autopakt mit Baden-Württemberg und Niedersachsen gegründet, um die Automobilindustrie beim wohl massivsten Transformationsprozess zu unterstützen, wie es hieß. Jetzt kommt Tesla nach Brandenburg. Verspüren Sie da eine gewisse Genugtuung?
Woidke: Man sollte mit Emotionen in der Politik zurückhaltend sein. Wir nutzen die Chancen, die sich uns bieten. Das machen die Bayern, genauso wie die Baden-Württemberger und die Niedersachsen. Wir haben für die Prozesse, die sich momentan in der Industrie abspielen, eine gute Basis.
Was machen Sie denn in Brandenburg anders als die großen Auto-Bundesländer?
Woidke: Wir haben pro Fläche und pro Einwohner die höchste Produktion an erneuerbaren Energien aller Bundesländer. Das war einer der Punkte, warum Tesla sich entschieden hat, nach Brandenburg zu kommen. Es soll ein klimaneutrales Produkt hergestellt werden: ein Elektroauto, dessen Produktionsprozess bereits klimaneutral sein soll. Wir sind mit unseren mehr als 4000 Windrädern relativ weit vorne. Es gibt Gespräche mit anderen großen Industrieunternehmen, die schon im Land sind und weiter investieren wollen. Oder aber sich neu ansiedeln wollen. Kurz und knapp: Wir haben den Rohstoff der Zukunft, denn Unternehmen wollen ihren ökologischen Fußabdruck vermindern.
Wirtschaftsminister Peter Altmaier kommt mit dem Kohlegesetz vor Weihnachten nicht ins Kabinett. Stört Sie das?
Woidke: Mich drückt der Schuh, dass wir in diese Kohleausstiegsgespräche nicht einbezogen sind. Punktuelle Gespräche gab es. Ansonsten laufen die Gespräche mit den großen Betreibern. Ich halte das für falsch. Wir, die Länder, müssen die Diskussion aushalten. Wir müssen uns Gedanken machen, was mit tausenden Arbeitnehmern passiert. Wir gehen in die Weihnachtspause und haben Unsicherheit statt Klarheit. Das schafft bei den Menschen politischen Unmut.
Was wünschen Sie sich von Peter Altmaier? Soll er Sie noch in die Runde aufnehmen oder ganz schnell ein Gesetz vorlegen?
Woidke: Ich habe den Wunsch, dass das Strukturstärkungsgesetz, das aus meiner Sicht schon viel zu lange im Bundestag liegt, endlich verabschiedet wird. Es sichert die Zukunft der Regionen, die jetzt sukzessive aus der Kohle aussteigen. Beim zweiten Gesetz, dem Kohleausstiegsgesetz, müssen die wesentlichen Ergebnisse zusammen mit den Ländern in einem gemeinsamen Papier verankert werden. Vor allem muss die Frage beantwortet werden, wie wir die Versorgungssicherheit mit Strom auch künftig in Deutschland gewährleisten. In den nächsten 15 bis 20 Jahren laufen 50 Prozent der heutigen Stromproduktion aus, etwa durch den Ausstieg aus der Kohle- und Atomenergie, da müssen wir klären, wo in Zukunft der Strom herkommt.
Der kann ja nur von den Erneuerbaren kommen?
Woidke: Ja. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass der Weg, den wir gerade gehen in Deutschland, falsch ist. Wir wollen große Trassen von Nord nach Süd bauen und versuchen, den Ökostrom von der Ostsee nach Südbayern zu bekommen. Das funktioniert aber nicht, weil von den knapp 10.000 Kilometern Übertragungsnetz gerade mal 1000 gebaut sind. Wenn wir in dem Tempo weitermachen, brauchen wir dafür noch 70 oder gar 80 Jahre. Ich bin davon überzeugt, dass ein großer Teil der erneuerbaren Energien dezentral genutzt werden kann und muss – womit übrigens auch eine stärkere Demokratisierung verbunden wäre, weil wir die Menschen vor Ort viel stärker einbeziehen könnten.
Der Weg, den Sie hier in Brandenburg offenbar erfolgreich eingeschlagen haben, wird der zu dritt in einer Kenia-Koalition aus SPD, CDU und Grünen nun schwieriger zu gehen?
Woidke: Sie fragen mich ja sozusagen noch in der Honeymoon-Phase, in den Flitterwochen. Wir sind frisch zusammen, wir mögen uns, was sicherlich hilft. Wir vertrauen uns und haben eine gute Basis. Jetzt müssen wir mal sehen, wie es läuft. Was man sagen kann, auch mit Blick auf Kenia-Koalitionen in anderen Bundesländern: Es liegt weniger an den Parteien, sondern vor allem an den handelnden Personen.
In Ihrer Bundespartei sind auch gerade Flitterwochen. Schaffen Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans die Trendwende bei der SPD oder brauchen die beiden neuen SPD-Vorsitzenden erst einmal noch Hilfe?
Woidke: Sie kennen ja die Zeitleiste von SPD-Vorsitzenden. Bis auf Sigmar Gabriel waren die Chefs in der Vergangenheit nicht besonders lange dabei. Ich wünsche beiden, dass sie von der Partei gestützt und unterstützt werden, und ich sage das deshalb, weil es die SPD ihren Vorsitzenden schon fast traditionell nicht sonderlich leicht macht. Ich bin erst einmal froh, dass es eine neue Parteispitze gibt. Man muss ihr jetzt Gelegenheit geben, sich zu beweisen. Ich werde sie darin nach Kräften unterstützen.
Es gibt Hoffnung für die nächste Bundestagswahl?
Woidke: Eine SPD, die nicht vorhat, in Deutschland zu regieren, kann ich mir bei einer Bundestagswahl nicht vorstellen. Aber das setzt voraus, dass wir in der GroKo bleiben. Wenn wir jetzt rausgehen, und das vergessen die GroKo-Kritiker immer, können wir nach der nächsten Wahl mit CDU und CSU nicht wieder koalieren. Die Machtoptionen wären nur noch klein. Außerdem: Bis zur nächsten Bundestagswahl sollten wir versuchen, noch möglichst viel zu erreichen. Wenn wir hingegen morgen aus der Großen Koalition aussteigen, dann wird nichts von dem umgesetzt, was wir noch vorhaben und noch nicht beschlossen ist, zum Beispiel die Grundrente, das Klimapaket oder der Kohleausstieg. Wir stünden dann bei null. Auch deshalb halte ich diese Diskussion für immens schädlich.
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