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Interview: VDMA-Präsident: "Elektro-Fahrzeuge sind nicht wettbewerbsfähig"

Interview

VDMA-Präsident: "Elektro-Fahrzeuge sind nicht wettbewerbsfähig"

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    Carl Martin Welcker ist seit November 2016 Präsident des Maschinenbau-Verbandes VDMA.
    Carl Martin Welcker ist seit November 2016 Präsident des Maschinenbau-Verbandes VDMA. Foto: VDMA

    Herr Welcker, wie gut hat sich die Politik aus Sicht des Maschinenbaus während der Virus-Krise geschlagen?

    Carl Martin Welcker: Man muss unseren Regierungen in Bund und Ländern zugutehalten, dass sie in extrem kurzer Zeit schwerwiegende Entscheidungen treffen mussten, bei denen es um große Geldbeträge geht. Schnelle Hilfe war für viele von Corona betroffene Unternehmen und Selbstständige wichtig und richtig. Wir betreiben in Deutschland aber keine saubere, langfristig orientierte Wirtschafts- und Zukunftspolitik. Wir verfallen immer mehr in Staatsdirigismus.

    Noch einmal: Hat die Politik nicht doch einen guten Job gemacht?

    Welcker: Insgesamt hat die Politik die richtigen Entscheidungen getroffen und die richtigen Mittel ergriffen. Angesichts der Geschwindigkeit, mit denen die Entscheidungen gefällt wurden, unterlaufen natürlich auch Politikern Fehler. Wir sollten es jedoch unterlassen, im Nachhinein alles besser zu wissen. Wir Maschinenbauer geben der Politik für das Krisenmanagement durchaus ordentliche Noten.

    Das klingt aber nur nach einer Drei

    Welcker: Es ist keine Eins, aber auch keine Fünf.

    Also eine Drei.

    Welcker: Eine Zwei bis Drei.

    Wie hätten sich die Politiker denn eine Eins mit Stern erarbeiten können?

    Welcker: Indem sie der Krise nicht nur mit Geld, sondern im Wesentlichen mit sauberer Ordnungspolitik begegnet wären.

    Was heißt das konkret?

    Welcker:Nun, der Staat muss sich nicht an Unternehmen beteiligen und die Aussetzung des Insolvenzrechts ist auch wenig zielführend. Oder nehmen Sie das Beispiel Absenkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 16 Prozent: Viele günstige Güter des täglichen Gebrauchs werden ohnehin gekauft. Von daher hatte unser Modell vorgesehen, die Mehrwertsteuer erst ab einem Wert von 1000 Euro herabzusetzen. So hätte man die stark betroffenen Branchen mit langlebigen Wirtschaftsgütern wie Möbel, Heizungen oder Autos treffsicherer ankurbeln können.

    Liegt die Regierung zumindest mit der Ausweitung der Kurzarbeit richtig?

    Welcker: Ja. Trotzdem müssen wir aufpassen, dass wir unsere Sozialkassen nicht langfristig überfordern. Wir sollten darauf achten, dass sich auch künftig arbeiten mehr lohnt, als nicht zu arbeiten. Mittelfristig dürfen die Sozialbeiträge, die Arbeitnehmer und Arbeitgeber zahlen, nicht steigen. Sie müssen vielmehr unter 40 Prozent bleiben, um Deutschland wirtschaftlich wettbewerbsfähig zu halten.

    Ist also Kurzarbeit auf Dauer der falsche Weg?

    Welcker: Ich warne nur vor den langfristigen Folgen. Klar ist aber auch: Derzeit ist der massive finanzielle Einsatz für die Kurzarbeit das richtige Mittel. So können wir unsere Belegschaften halten. Wenn wir in der Industrie unsere hoch qualifizierten Mitarbeiter verlieren, sind diese nach der Krise wahrscheinlich nicht mehr verfügbar. Wir müssten dann erst zusätzlich neue Fachkräfte drei Jahre ausbilden. Bis sie sich eingearbeitet haben, vergehen noch mal zwei Jahre. Das würde die Position des deutschen Maschinenbaus in der Welt schwächen.

    Wie ist die Lage des Maschinenbaus mit zuletzt 1,03 Millionen Beschäftigten in Deutschland?

    Welcker: In diesem Jahr sind in unserer Branche rund 32000 Arbeitsplätze abgebaut worden. Das ist nicht schön, aber moderat angesichts der zum Teil heftigen Umsatzrückgänge. Bei rund 15 Prozent der Unternehmen sind das mehr als 30 Prozent. Wir hoffen, dass es nicht zu einem größeren Stellen-Verlust kommt. Denn wir glauben, dass wir zumindest im Auftragseingang das Schlimmste hinter uns haben.

    Es gibt also Grund zur Hoffnung.

    Welcker: Ja, es gibt berechtigte Hoffnung auf eine Belebung. Aber in den kommenden Monaten werden die Bestellungen wohl weiter im zweistelligen Prozentbereich unter den Vorjahreswerten liegen. Aufträge haben in unserer Branche oft eine lange Laufzeit, bei Anlagenbauern kann sich die Abarbeitung bis zu zwei Jahre oder länger hinziehen. So spürt manche Firma jetzt noch nicht so viel von der Krise, bekommt sie aber dann 2021 oder sogar erst 2022 mit voller Wucht zu spüren. Gerade uns Maschinenbauer wird die Krise noch begleiten, wenn es längst einen Impfstoff gibt und Restaurants oder Flieger wieder voller sind. Das macht mir Sorgen.

    Im Auslandsgeschäft sind die Einbrüche für die Maschinenbauer höher als im Inland. Wie sehen Sie insgesamt die weitere Produktions-Entwicklung?

    Welcker: Wir gehen davon aus, dass der deutsche Maschinenbau in diesem Jahr ein Produktions-Minus von real 17 Prozent verkraften muss, 2021 werden wir aber nach zwei Abschwung-Jahren auf entsprechend niedriger Basis wieder ein Produktions-Plus von zwei Prozent sehen.

    Wie viele Arbeitsplätze können noch im Maschinenbau wegfallen?

    Welcker: Darüber will ich nicht spekulieren. Ich will aber eine Lanze für unsere Betriebe brechen: Die Maschinenbauer haben sich bisher in der Pandemie sehr wacker geschlagen. Unsere Firmen haben intelligente Job-Modelle gefunden, indem sie sich zum Beispiel untereinander Mitarbeiter ausleihen.

    Die Angst ist groß, dass es 2021 zu einer Pleitewelle kommt. Wie heftig wird es den Maschinenbau erwischen?

    Welcker: Viele Maschinenbauer haben nach der Finanzkrise 2009 Eigenkapitalpolster aufgebaut. Das kommt ihnen jetzt zugute. Wir gehen daher nicht von einer großen Pleitewelle im Maschinenbau aus.

    Der Maschinenbau hängt im hohen Maße als Zulieferer vom Wohl der kriselnden Autoindustrie ab. Wie sehen Sie die Lage der Autoindustrie?

    Welcker: Das Hauptproblem der Autoindustrie sind die vielen staatlich gelenkten Eingriffe.

    Staatlich gelenkte Eingriffe?

    Welcker: Elektrofahrzeuge sind nicht wettbewerbsfähig. Die Reichweiten sind zu gering, die Ladezeiten zu lang, die Lebensdauer der Batterien ist zu kurz, die Klimabilanz ist viel schlechter als angenommen und die Kosten sind zu hoch. Nirgendwo gibt es ein selbsttragendes Geschäftsmodell für Elektromobilität. Trotzdem versuchen unsere Politiker in Deutschland und Teilen Europas seit nunmehr vielen Jahren, die Elektromobilität herbei zu subventionieren.

    Was ist das Ergebnis aus Ihrer Sicht?

    Welcker: Das Ergebnis ist eine Umverteilung vom deutschen Steuerzahler hin zu einigen wenigen Autoaktienbesitzern. Und die gleichen Politiker, die diese Umverteilung betreiben, beklagen anschließend die ungerechte Vermögensverteilung in der Welt. Ludwig Erhard würde im Grab rotieren. Genauso absurd sind die Flottenverbrauchsvorgaben und deren Berechnung oder die nun in Brüssel diskutierte Verschärfung von CO2-Vorgaben für 2030.

    Was wäre eine klügere Politik?

    Welcker: Wir müssen unsere begrenzten Steuergelder dort einsetzen, wo die Vermeidungstonne CO2 am preiswertesten ist – beispielsweise bei der Zementherstellung oder der Müllverbrennung. Schließlich ist es dem Klima egal, in welchem Sektor oder Land Treibhausgase eingespart wurden. Aber statt mit technischer Kompetenz den Klimaschutz voranzubringen, erschöpft sich unsere Politik in ideologischen Grabenkämpfen zur Verkehrswende, obwohl hier die CO2-Vermeidungstonne nachweisbar am teuersten ist und nennenswerte Einsparungen nur sehr langfristig erreicht werden können.

    Können wir auch ohne Staat genügend Ladesäulen für E-Autos schaffen?

    Welcker: Man bekommt auch mit privat- und marktwirtschaftlichen Methoden eine vernünftige Ladeinfrastruktur aufgebaut. Bei Benzin-Ladesäulen hat das ja auch geklappt. Es geht nicht an, dass der Staat eine Technologie so lange mit Steuergeldern füttert, bis sich die Bürger ein Elektroauto kaufen. Das ist klimapolitischer Unsinn, zumal wir zumindest in den nächsten Jahren ohnehin zu wenig Ökostrom für alle Elektroautos haben. Wir haben uns in Deutschland im Dschungel dirigistischer Maßnahmen verlaufen. Wir brauchen einen vernünftigen, steigenden CO2-Preis mit Lenkungswirkung. Zurzeit werden Treibhausgase nicht entsprechend ihrer negativen Auswirkungen bepreist.

    Wie sehen Sie die Zukunft des Maschinenbaus?

    Welcker: Um den deutschen Maschinenbau mache ich mir keine Sorgen. Aber ich mache mir Sorgen um den Maschinenbau in Deutschland.

    Das müssen Sie erklären.

    Welcker: Ich frage mich, wie viel Maschinenbau es künftig in Deutschland geben wird. Die Welt um uns wächst und damit die Industrie in vielen insbesondere asiatischen Ländern. In Europa geht der Anteil der Industrie zurück. Diesem Trend müssen wir durch kluge Politik entgegenwirken. Gelingt das nicht, wird es schwierig. Es besteht die Gefahr, dass immer mehr Maschinenbauer ihre Produktion ins Ausland verlagern, weil dort die Kunden und die nötige Infrastruktur sind. Wenn die Bürokratie und die Abgabenlast hierzulande weiter steigen, wenn die Infrastruktur wie Straßen und Kanalnetze, Strom- und Digitalnetze leiden, technische MINT-Fächer in Deutschland keine Interessenten mehr finden, werden die Unternehmen nicht sterben, sondern auswandern und es wird in Deutschland weniger Industrie geben.

    Ihre Zeit als Präsident des deutschen Maschinenbau-Verbandes VDMA endet im Oktober. Sie haben sich zum Ziel gesetzt, die Politik zu einem Bürokratieabbau zu bewegen. Hatten Sie Erfolg?

    Welcker: Leider nein. Dieses Outing muss ich nach vier Jahren an der Verbandsspitze frustriert machen. Mir ist es nicht mal ansatzweise gelungen, beim Thema Bürokratieabbau einen Sinneswandel der Politik herbeizuführen. Allein die jetzt in der politischen Pipeline befindlichen Gesetze werden die Bürokratielasten weiter erhöhen. Von wegen Belastungsmoratorium. Ich nenne hier nur das Lieferkettengesetz.

    So soll die Wirtschaft verpflichtet werden, auch bei Zulieferern die Einhaltung der Menschenrechte, also etwa den Ausschluss von Kinderarbeit, zu garantieren. Was ist daran so schlimm?

    Welcker: Wir setzen uns als Unternehmer uneingeschränkt für die Einhaltung der Menschenrechte ein und sind bereit, hier mit der Politik zusammenzuarbeiten. Das kann aber nicht mit einem Gesetz gelingen, das zu riesigen Haufen an Zertifikaten und Rechtsanwalts-Gutachten führt. Und wir wehren uns als Unternehmer dagegen, als Gruppe ohne Verfügungsgewalt juristisch vorgeführt zu werden. Legislative und Exekutive liegen bei der Politik. Staaten und ihre Politiker sind für die Einhaltung der Menschenrechte verantwortlich. Politiker haften aus guten Gründen nicht. Aber Unternehmer sollen haften?

    Was befürchten Sie genau?

    Welcker: Das Gesetz sieht vor, dass Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen in Firmen haften, in denen sie kein Direktionsrecht haben. Um als Unternehmer eine Haftung für Taten eines Dritten zu vermeiden, bleibt mir nur, meine Lieferantenverbindung zu kappen oder mich mit Rechtsgutachten, Zertifikaten und Wirtschaftsprüfungsberichten abzusichern. Da in vielen Fällen die neutralen Zertifizierer die Menschenrechtseinhaltung ebenso wenig beurteilen können wie die Firmen am Ende der Lieferkette, entsteht ein riesiger Berg an Bürokratie und eine Art Ablasshandel, ohne dass für die Menschenrechte etwas gewonnen wird.

    Geht die Politik auf ihre Argumente ein?

    Welcker: Wir versuchen immer wieder, der Politik deutlich zu machen, dass in anderen Ländern andere Regeln gelten, die wir als Unternehmer einfach beachten müssen. Nehmen Sie beispielsweise die Vereinigungsfreiheit, ein UN-Menschenrecht: Bei uns haben Gewerkschaften Verfassungsrang, während sie in einigen amerikanischen Bundesstaaten verboten sind. Was mache ich also, wenn ich als Unternehmer Teile aus solchen Bundesstaaten beziehe? Die Problematik der Menschenrechte ist vielschichtig. Wir müssen uns genau überlegen, wie sich solche Gesetze handhaben lassen und was sie in der Praxis bedeuten. Wir Unternehmer sind doch nicht die neue Polizei, die bei einem Zulieferer des Zulieferers in Afrika überprüfen kann, wie alt die Mitarbeiter sind.

    Das Thema wühlt Sie auf.

    Welcker: Ich leide unter dem Thema, weil die Einstellung der Unternehmen zu den Menschenrechten verzerrt dargestellt wird. Die Welt ist nicht nur Schwarz und Weiß, sondern häufig Grau. Bei deutschen Maschinenbau-Unternehmen und deren direkten Zulieferern wird man eigentlich keine Firmen finden, die gegen Menschenrechte verstoßen.

    Eigentlich?

    Welcker: In unseren komplexen Produkten stecken zigtausende von Teilen mit oft sehr vielstufigen Lieferstrukturen. Natürlich kann ich nicht ausschließen, dass beispielsweise bei einem Zulieferer in Indien oder im arabischen Raum Frauen nicht die gleichen Berufschancen haben wie Männer. Ich kann aber bewusste Ausbeutung und Kinderarbeit, wie sie derzeit laut diskutiert und auch unseren Unternehmen unterstellt wird, ausschließen. Mit dem Thema wird gerade in billigster populistischer Weise viel Porzellan zerschlagen. Ich befürchte, wir bekommen ein gut gemeintes, aber schlecht gemachtes Gesetz.

    Zur Person: Carl Martin Welcker, 60, ist Präsident des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau, kurz VDMA. 1993 übernahm Welcker das Kölner Familienunternehmen, die Schütte-Gruppe. Welcker ist verheiratet und hat zwei Kinder.

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