Startseite
Icon Pfeil nach unten
Wirtschaft
Icon Pfeil nach unten

Interview: Osram-Chef: "Hätten Augsburger Werk viel früher zugemacht"

Interview

Osram-Chef: "Hätten Augsburger Werk viel früher zugemacht"

    • |
    Auch unter Osram wäre das Augsburger Lampen-Werk geschlossen worden, sagt der Chef des Unternehmens, Olaf Berlien, im Interview.
    Auch unter Osram wäre das Augsburger Lampen-Werk geschlossen worden, sagt der Chef des Unternehmens, Olaf Berlien, im Interview. Foto: Marcus Merk

    Warum setzen Sie auf Schwabmünchen?

    Olaf Berlien: Schwabmünchen ist für den ganzen Industriestandort Deutschland ein besonderes Projekt, ja ein Leuchtturm-Projekt. Denn dort gelingt es uns, ein klassisches Werk mit alten Technologien, in dem Glühdrähte für Lampen hergestellt werden, in einen Hightech-Standort mit Reinräumen zur Produktion von Hightech-Plättchen für Leuchtdioden umzubauen. Solche geglückten Beispiele für die Überführung eines Blaumann- in ein Weißkittel-Werk gibt es hierzulande nicht viele. Ich habe früher für Thyssen im Ruhrgebiet gearbeitet. Wo dort Industrie-Betriebe stillgelegt wurden, entstanden in aller Regel keine neuen produzierenden Werke, sondern bestenfalls Logistik- oder Dienstleistungs-Arbeitsplätze.

    In Schwabmünchen ist das anders.

    Berlien: Ja, dort stirbt zwar ein Produkt, weil man schlicht keine Glühdrähte mehr braucht. Schließlich hat die EU zunächst Glüh- und dann Halogenlampen verboten. In den letzten drei Jahren haben wir bei Glühdrähten einen Umsatzeinbruch von 50 Prozent erlebt. Dieses Material wird nur noch für Spezialanwendungen gebraucht. Das neue Produkt sind langlebigere und energiesparende LED, also Leuchtdioden, und die haben keinen Draht.

    In solchen Fällen machen gerade börsennotierte Unternehmen, wie Osram eines ist, solche Standorte oft dicht. Warum gehen Sie in die entgegengesetzte Richtung?

    Berlien: Es wäre nachvollziehbar, wenn wir in Schwabmünchen die Jalousien runtergelassen und das Werk für immer dichtgemacht hätten. Wir hätten uns auf unsere süddeutschen Standorte in Regensburg, Eichstätt und Herbrechtingen konzentrieren können. Und dennoch haben wir es nicht gemacht. Wir wollen nämlich einen Leuchtturm bauen.

    Was steckt hinter dem Pathos?

    Berlien: Wir wollen mit Schwabmünchen die Botschaft aussenden, dass wir uns dem Technologiewandel stellen und uns zutrauen, diese Transformation von alter in neue Industrie zu vollziehen.

    Doch ist das nicht eine Alibi-Aktion? Sie haben tausende Arbeitsplätze im klassischen Lampengeschäft ausgelagert und etwa das Augsburger Energie-Sparlampen- und Leuchtstoffröhrenwerk an einen chinesischen Investor verkauft. Und der hat den Standort dichtgemacht.

    Berlien: Durch den enormen Technologiewandel sind wir nicht in der Lage, alle Arbeitsplätze zu erhalten. In Augsburg hatten wir Produkte, die auslaufen. Ein Glaswerk wie in Augsburg braucht man nicht mehr. Und die Energie-Sparlampen aus Augsburg wurden nicht mehr nachgefragt. Verbraucher kaufen LED-Leuchten oder Lampen, in denen in einer Glasbirne LED stecken. Das Werk wäre also auch stillgelegt worden, wenn wir es nicht an Ledvance verkauft hätten.

    Warum haben Sie keine Alternativ-Produkte für Augsburg wie in Schwabmünchen gefunden?

    Berlien: Weil wir nicht endlos über neue Produkte verfügen. Und auch die für Augsburg vorgetragene Idee, LED in Leuchtstoffröhren einzubauen und so das Werk zu retten, konnte nicht funktionieren. Denn die Verbraucher kaufen eben keine LED-Leuchtstoffröhren aus Glas, sondern aus Kunststoff. Die Kunststoff-Produkte werden aber in China produziert. Die Kunden in den Baumärkten haben also dem chinesischen vor dem Augsburger Produkt den Vorzug gegeben. Weiter auf Glas-Produkte aus Augsburg zu setzen, hätte sich betriebswirtschaftlich nicht gerechnet.

    Fiel Ihnen die Entscheidung, Augsburg zu verkaufen, schwer?

    Berlien: Das fiel mir sehr schwer. Aber wir hatten die Hoffnung, dass der neue chinesische Eigentümer Ledvance mit neuen Produkten den Standort erhalten kann. Ich kann die enttäuschten Mitarbeiter, die ihren Arbeitsplatz verloren haben, verstehen. Aber unter Osram wäre es genauso gelaufen. Wir hätten das Werk sogar noch viel früher als Ledvance zugemacht.

    Diese Stellenstreichungen erschütterten die Region

    2023 Tubesolar: Dem Augsburger Start-up, das sich auf Agri-Photovoltaik spezialisiert hatte, geht das Geld aus. Dabei galt Tubesolar lange Zeit als Hoffnungsträger der deutschen Solar-Industrie. 140 Menschen verlieren ihren Job. Manche von ihnen hatten bereits die Werksschließung von Ledvance mitgemacht. 

    2022 Premium Aerotec: IG Metall, Betriebsräte und Airbus-Führung einigen sich nach fast einjährigen Verhandlungen auf ein Zukunftskonzept. Dies beinhaltet den Erhalt des Standorts als Ganzes, eine zunächst von Airbus angestrebte Zerschlagung, ist vom Tisch. Betriebsbedingte Kündigungen sind bis 2030 ausgeschlossen. 2022/23 werden mehr als 500 neue Beschäftigte eingestellt.

    2021 Premium Aerotec: Der Stellenabbau beim Luftfahrtzulieferer ist angelaufen. Über ein Freiwilligenprogramm sind bei Premium Aerotec rund 500 Beschäftigte mit teils hohen Abfindungen bis zu 350.000 Euro aus dem Unternehmen ausgeschieden. Weitere betriebsbedingte Kündigungen soll es vorerst entgegen erster Pläne nicht geben. Dafür plant Airbus eine Umstrukturierung und die Aufspaltung des Standorts.

    2021 Kuka: Wie die Automobilindustrie profitiert der Augsburger Roboter- und Anlagenbauer Kuka von einer starken Nachfrage in China und in den USA. Dieser Rückenwind hilft auch den Beschäftigten. Im November 2020 hatte der Konzern noch angekündigt, in Augsburg nach mehreren Job-Abbaurunden weitere bis zu 270 Stellen streichen zu wollen. Jetzt ist noch von gut 50 Stellen die Rede, für die vornehmlich eine sozialverträgliche Lösung gesucht wird.

    2021 MT Aerospace: Das Raum- und Luftfahrtunternhemen wird im Produktionsbereich weitere rund 100 Arbeitsplätze abbauen. Zuvor wurden schon etwa 70 auf noch rund 480 Stellen gestrichen. Im August letzten Jahres hieß es, dass sogar der gesamte Standort in Gefahr sei, würden sich nicht rasch positive Entwicklungen einstellen. Dieses Szenario ist jedoch aktuell vom Tisch.

    2020 Faurecia: Erneut ist es ein Automobilzulieferer, der der Lage in der Branche - verstärkt durch die Corona-Pandemie - Tribut zollen muss. Am Standort in Augsburg (Geschäftsbereich Faurecia Clean Mobility, übersetzt: saubere Mobilität) sollen 140 der insgesamt 1400 Stellen gestrichen werden. Dazu wird der Standort neu ausgerichtet, um noch stärker als bisher in Zukunftsfeldern aktiv sein zu können. 

    2020 Wafa: Der Automobilzulieferer, der auf Spritzguss, Galvanik und Lackierung spezialisiert ist, gibt die Schließung seines Werks in Haunstetten bekannt. Das bereits 2019 eingeleitete Insolvenzverfahren in Eigenregie sei gescheitert, heißt es zur Begründung. Nach der Krise in der Automobilindustrie sei die Corona-Pandemie maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Pläne nicht wie gewünscht umsetzbar waren. Rund 200 Mitarbeiter sind betroffen.

    2020 MAN Energy Solutions: Der Motorbauer, der zu Volkswagen gehört, gibt bekannt, dass am Stammsitz in Augsburg bis zu 1800 Arbeitsplätze in Gefahr seien. Schon vor Bekanntgabe wurde über ein Restrukturierungsprogramm gemunkelt. Dass dieses eine solche Dimension haben könnte, kam für Beschäftigte und Arbeitnehmervertreter völlig überraschend. Nun wird nach Alternativen gesucht, um die Zahl der bedrohten Stellen deutlich nach unten zu korrigieren. Mittlerweile wurde die Zahl auf 800 bedrohte Stellen gesenkt. Die meisten können ohne betriebsbedingte Kündigungen gestrichen werden.

    2020 Premium Aerotec: Erneut macht der Luftfahrtzulieferer Schlagzeilen in Sachen Stellenabbau. Weil unter anderem wegen der Corona-Krise eine Auslastungslücke entsteht, sind bis zu 1000 Arbeitsplätze bedroht, wenn keine neuen Arbeitspakete gefunden werden.

    2020 Showa Denko: In Meitingen wird die Produktion von Grafitelektroden-Teilen eingestellt, wie der japanische Konzern bekannt gibt. 140 Stellen fallen weg, rund 50 Arbeitsplätze außerhalb der Produktion sollen erhalten bleiben. Ursprünglich hatten die Eigentümer eine Standortsicherungs- und Beschäftigungsgarantie bis ins Jahr 2022 zugesichert.

    2019 Audi: In den Werken in Neckarsulm und Ingolstadt fuhr der Autobauer seine Kapazitäten herunter. Es sollten 9500 Stellen bis 2025 abgebaut werden, aber ohne betriebsbedingte Kündigungen. In anderen Bereichen sollte dafür investiert werden.

    2019 Voith Turbo: Der Technologiekonzern gab bekannt, dass sein Werk in Sonthofen im Jahr 2020 schließen würde. 420 Mitarbeiter sind betroffen, ebenso das Werk in Sachsen. 230 Arbeitsplätze sollten wegfallen, 370 an andere Standorte verlegt werden.

    2019 Premium Aerotec: Der Luftfahrtzulieferer gab bekannt, dass bis zum Jahr 2023 bis zu 1100 Arbeitsplätze wegfallen könnten. Zwar galt diese Zahl als Worst-Case-Szenario, falls es nicht gelingen sollte, bis dahin ausreichend neue Arbeitspakete an den Standort zu holen, verunsicherte in ihrer Höhe aber dennoch die Belegschaft. Vorerst sollen ab 2021, so lange gilt ein Kündigungsschutz, 500 Stellen abgebaut werden.

    2018 Fujitsu: Es war ein Tiefschlag für Hunderte Beschäftigte und den gesamten Wirtschaftsraum Augsburg: Der japanische IT-Konzern Fujitsu würde sein Werk in Augsburg bis 2020 schließen.

    2018 Premium Aerotec: Von den bundesweit geplanten Stellenstreichungen bei Airbus war auch die Augsburger Tochterfirma Premium Aerotec betroffen - das wurde im März 2018 bekannt. Bis Ende 2019 würden 500 Leiharbeiterjobs wegfallen. Ab 2020 könnte es auch die Stammbelegschaft treffen.

    2017 Kuka: Der Roboter- und Anlagenhersteller gab im November bekannt, dass es im Bereich Anlagenbau Probleme gebe. Kuka-Geschäftsführer Till Reuter wollte daraufhin den Bereich umstrukturieren. Das bedeutete den Verlust von 250 Stellen.

    2017 Ledvance: Kurz vor Weihnachten erlebten die Arbeitnehmer bei Lampenhersteller Ledvance (früher Osram) eine böse Überraschung: Ledvance will das Werk in Augsburg schließen. 650 Stellen sind betroffen. Die Mitarbeiter kämpften - doch das Unternehmen lehnte Rettungspläne ab.

    2017 MAN Diesel & Turbo: 140 Arbeitsplätze fielen im März 2017 bei MAN Diesel & Turbo weg. Allerdings kam das Unternehmen ohne betriebsbedingte Kündigungen aus. Durch Altersteilzeit, Aufhebungsverträge und andere Mittel gelang der Abbau.

    2017 UPM: Der finnische Papierhersteller (früher Haindl) fasste Anfang des Jahres 2017 den Entschluss, eine komplette Papiermaschine in Augsburg zu schließen. Der Grund: geringe Papiernachfrage. 150 Mitarbeiter waren von den Stellenkürzungen betroffen. Doch wie bei MAN kamen die Verantwortlichen ohne betriebsbedingte Kündigung aus.

    2014 Manroland: Beim Augsburger Druckmaschinenhersteller gab es in der Vergangenheit gleich mehrfach schlechte Nachrichten für die Arbeitnehmer: Nach der Insolvenz 2011, bei der 750 Arbeitnehmer ihren Job verlieren sollten, strich Manroland im Oktober weitere 250 Stellen in Augsburg.

    2014 Horex: Die Motorrad-Marke Horex hatte ihren größten Erfolg in den 1950er-Jahren. Daimler-Benz übernahm den Hersteller 1960 und löste die Marke auf. 2010 wagte das Unternehmen mit 30 Mitarbeitern einen Neuanfang in Augsburg. Doch dann ging das Geld aus. 2014 ging das Unternehmen in die Insolvenz.

    2014 Strenesse: Die Nördlinger Modemarke Strenesse hat bis heute einen guten Ruf. Von der Glanzzeit mit einem Jahresumsatz von über hundert Millionen Euro ist allerdings nur noch wenig zu spüren. Derzeit arbeiten 230 Mitarbeiter bei Strenesse, davon 120 in Nördlingen. Eigentümerin der neuen GmbH ist eine Schweizer Holding. Die frühere Familie ist nicht mehr an dem Unternehmen beteiligt. Strenesse meldete im Jahr 2014 Insolvenz an.

    2014 Reifen Ihle: Die Günzburger Firma musste mit zwölf Niederlassungen zwischen Ulm und Augsburg 2014 Insolvenz anmelden. Zunächst trat Prolimity Capital Partners mit Sitz in Ummendorf als Käufer auf den Plan. Seit September 2017 ist das Sontheimer Unternehmen Hörger Besitzer des Reifenherstellers, der jetzt Rigdon (kurz für „Reifen Ihle Günzburg Donau“) heißt und 80 Mitarbeiter beschäftigt. Zum Zeitpunkt der Insolvenz hatte das Unternehmen 120 Mitarbeiter

    2014 Wafa: Für die Mitarbeiter des Augsburger Unternehmens Wafa gab es Ende 2015 eine betrübliche Nachricht: Das Unternehmen, das unter anderem Kühlergrills für Autos herstellt, gab bekannt, dass im Zuge des im Februar 2014 eingeleiteten Insolvenzverfahrens knapp die Hälfte der rund 330 Mitarbeiter das Unternehmen verlassen müssten. Als Käufer der Wafa wurden die Demmel-Gruppe aus dem Allgäu, ein Zusammenschluss mittelständischer Familienunternehmen, sowie der Schweizer Finanzinvestor Aetna Partners präsentiert. 

    2014 Weltbild: Weltbild hat wohl das Schlimmste hinter sich. Nach der Insolvenz im Januar 2014 hat mittlerweile die Düsseldorfer Droege Gruppe den Augsburger Verlag übernommen. Die Logistik wurde ausgegliedert und befindet sich mittlerweile in Tschechien. Am Standort Augsburg, wo einst 2300 Mitarbeiter beschäftigt waren, sind es jetzt noch 400 in Verlag und Handel. Weltbild setzt weiter auf Filialen und den Katalog, treibt aber massiv das Online-Geschäft voran und sieht sich selbst auf gutem Weg.

    2012 Leiser: Für die Schuhandelskette Leiser mit Sitz in Augsburg musste 2012 Insolvenz anmelden. 550 Arbeitsplätze fielen weg. Am Ende übernahm ein neuer Investor das Unternehmen und die etwa 900 verbleibenden Mitarbeiter. Im August 2017 schloss die letzte Filiale im Süden der Republik in der Augsburger Annastraße. Leiser befindet sich immer noch im Insolvenzverfahren.

    2011 Manroland: Noch 2008 lief es gut für den Augsburger Druckmaschinen-Hersteller Manroland. Doch die Digitalisierung schadete dem Markt. 2011 wurde das Unternehmen zahlungsunfähig. Standorte mussten schließen - in Augsburg selbst stieg aber die Lübecker Possehl-Gruppe ein. Heute heißt die Firma Manroland Websystems.

    2010 Böwe Systec: Der Augsburger Maschinenhersteller Böwe Systec geriet 2010 gleich in zwei Insolvenzen. Das Unternehmen hatte sich bei Zukäufen übernommen. Wie später bei Manroland sprang die Possehl-Gruppe ein. Allerdings verlor die Hälfte der einst 800 Mitarbeiter ihren Job.

    2009 Trevira: Nach der Zahlungsunfähigkeit im Jahr 2009 läuft es wieder besser für den Bobinger Faserhersteller Trevira. Das Unternehmen ist nun vollständig Teil des thailändischen Mutterkonzerns Indorama Ventures PCL (IVL). Die Zahl der Mitarbeiter ist seit 2011 von 1350 auf 1100 gesunken, in Bobingen von 600 auf 460.

    2004 Augsburger Kammgarn-Spinnerei (AKS): Die Augsburger Kammgarn-Spinnerei gehörte einmal zu den Großen auf dem Markt. Das Unternehmen hatte vor dem Zweiten Weltkrieg 2400 Mitarbeiter und in den 1990er-Jahren immerhin noch 900. Mit der zunehmenden Konkurrenz aus den Billiglohnländern konnte das Unternehmen aber nicht mithalten: 2004 musste es schließen.

    2005 Walter Bau-AG: Die Augsburger Walter Bau-AG war eines der größten Bauunternehmen Europas und hatte zu seinen Glanzzeiten etwa 50.000 Mitarbeiter. Doch 2005 musste die Firma Insolvenz anmelden und schließen. Gründer Ignaz Walter wirft der Deutschen Bank vor, am Niedergang seines Unternehmens mitverantwortlich zu sein.

    2005 Ibex: Das Affinger IT-Unternehmen Ibex ging 2005 unter. Obwohl es einst einen Jahresumsatz von 122 Millionen Euro vorweisen konnte, war die Firma nach einer zweiten Pleite nicht mehr zu retten. 80 Mitarbeiter verloren ihren Job.

    2005 Kieser: Neben Walter Bau und Ibex wurde 2005 auch die Neusässer Großdruckerei Kieser zahlungsunfähig. 130 Mitarbeiter waren betroffen. Am Ende übernahm ein österreichisches Unternehmen einen Teil der Firma und der Mitarbeiter.

    2004 Washtec: Der Waschanlagenhersteller baute 2004 180 Stellen ab. Im Jahr 2015 konnte das Unternehmen allerdings seinen Gewinn auf über 36 Millionen Euro steigern. Auch 2016 konnte Washtec ein erfolgreiches Jahr verbuchen.

    Sind Sie enttäuscht über die mangelnde Fantasie der Chinesen?

    Berlien: Nein. Hier war keinerlei Böswilligkeit am Werk.

    Frühere Osram-Beschäftigte aus Augsburg schauen sicher neidisch nach Schwabmünchen. Wie geht es dort weiter?

    Berlien: Wir haben die Reinräume bereits aufgebaut. Nun beginnt die Produktions-Testphase. Und was interessant ist: Wir haben uns gegen den ursprünglichen Plan entschieden, unser Werk in den USA, in dem solche LED-Teile produziert werden, zu vergrößern. Diese Produktionsausweitung findet jetzt in Schwabmünchen statt. Das war mir ganz persönlich ein Anliegen. Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit gegenüber den Mitarbeitern, denen wir im Zuge des technologischen Wandels viel abverlangen. Doch am Ende muss sich der Umbau eines solchen Werkes rechnen. Das ist ja nicht mein Unternehmen. Ich bin als Vorstand vor allem auch den Osram-Aktionären verpflichtet, ihre Interessen zu wahren. Aber ich sehe mich auch in der Pflicht, die Interessen der Mitarbeiter zu vertreten. In Schwabmünchen gelingt uns beides.

    Können Sie alle 320 Beschäftigten in Schwabmünchen für die neuen Tätigkeiten umschulen?

    Berlien: Das wird leider nicht gelingen. Die Herausforderung ist schließlich groß. Menschen, die Glühdrähte gemacht haben, müssen jetzt in einem Schutzanzug komplizierte Maschinen bedienen. Durch die Transformation des Werkes werden wir 100 Arbeitsplätze durch den herben Umsatzrückgang mit klassischen Produkten abbauen. Aber durch die Fertigung der Plättchen für Leuchtdioden wollen wir im Gegenzug bis zu 190 neue Stellen zu Beginn des kommenden Jahrzehnts schaffen. Sollte uns die Konjunktur nicht einen Strich durch die Rechnung machen, haben wir in Schwabmünchen am Ende mehr Mitarbeiter als heute.

    Wie läuft die Qualifizierung der Mitarbeiter ab?

    Berlien: Wir haben ein Bündnis mit den Arbeitnehmer-Vertretern geschlossen. Der Prozess der Umschulung ist ein Geben und Nehmen. Einen Teil der Qualifizierungszeit erbringen die Mitarbeiter durch unbezahlte Mehrarbeit. Die Mitarbeiter ziehen mit. Das freut mich.

    Osram-Chef Olaf Berlien erklärt im Interview, warum er auf Schwabmünchen setzt.
    Osram-Chef Olaf Berlien erklärt im Interview, warum er auf Schwabmünchen setzt. Foto: Marcus Merk

    In der Schwabmünchner Fabrik sollen über Mobilfunk gesteuerte, autonom fahrende Roboterfahrzeuge unterwegs sein, die Waren hin- und herbringen.

    Berlien: Auch das ist ein Leuchtturm-Projekt. Denn es ist das erste industrielle Projekt für den neuen Mobilfunkstandard in Deutschland, der viel schnellere Daten-Übertragungen möglich macht.

    Doch bei aller Technologie-Euphorie wächst weltweit die Angst vor einem konjunkturellen Einbruch. Was ist Ihre Hauptsorge für 2019?

    Berlien: Wir spüren den Handelskonflikt zwischen den USA und China, nachdem wir schon 2018 unter dem hierzulande wenig bekannten Handelskonflikt zwischen Südkorea und China gelitten haben. Das führte zu einem zehnprozentigen Rückgang unserer Lieferungen an koreanische Autohersteller. Hinzu kommen die Belastungen für die Industrie durch den bevorstehenden Brexit und die Haushaltsprobleme in Italien. So ist Skepsis für 2019 angebracht. Was mir aber für das neue Jahr am meisten Sorgen bereitet, ist die rückläufige Auto-Konjunktur. Das geht nur zu einem Teil auf den Diesel-Skandal zurück. Denn in den letzten drei Monaten sind in China die Autoverkäufe massiv um bis zu 16 Prozent eingebrochen. Das ist für uns schmerzlich. Auch Apple und Samsung verzeichnen deutliche Einbrüche. Doch Firmen aus der Auto-und Smartphone-Branche sind extrem wichtige Kunden für uns.

    Wie ernst ist die Lage?

    Berlien: Ich sehe dunkle Wolken für 2019 am Horizont aufziehen. Die Nachfrage nach Leuchtdioden geht spürbar zurück. Wir wissen natürlich auch nicht sicher, wie es weitergeht und fahren Monat für Monat auf Sicht. Wir stehen erst am Anfang des Geschäftsjahres. Doch die ersten Daten deuten darauf hin, dass das vergangene Quartal bei uns noch schwächer ausgefallen ist, als dies manche Finanzexperten und wir noch vor einigen Monaten erwartet haben. Ich schaue mit großer Sorge auf die Entscheidung des britischen Parlaments. Denn sie wird Auswirkungen auf die gesamte Industrie und deshalb auch auf Osram haben.

    Müsste nicht Ihre größte Sorge sein, dass Osram 2019 von einem Finanzinvestor übernommen wird? Schließlich haben Sie nach dem Rückzug von Siemens keinen Großaktionär mehr. Auch ist der Börsenkurs von rund 80 auf etwa 38 Euro eingebrochen. Das könnte Angreifer anlocken.

    Berlien: Ich sehe den Einstieg eines möglichen Großaktionärs im Grundsatz nicht als Risiko an. Das wäre nicht richtig. Das Unternehmen gehört im Übrigen ja auch nicht mir. Ich bin nur Verwalter fremden Geldes. Wenn es für die Osram-Eigentümer die Möglichkeit gibt, einen guten Preis zu erzielen, weil ein Investor pro Aktie dem Anteilseigner mehr als den aktuellen Börsenkurs bietet, habe ich die Pflicht, das professionell zu bewerten.

    Steht der Einstieg eines Großaktionärs bevor?

    Berlien: Ich kommentiere grundsätzlich solche Gerüchte nicht.

    Aber Sie haben gesagt, dass Sie gerne einen Ankeraktionär hätten, der ankert.

    Berlien: Ein solch größerer Aktionär hat grundsätzlich den Vorteil, dass er ein Unternehmen in seiner Strategie unterstützen kann. Wenn wir einen Aktionär hätten, der länger bei uns ankert, können wir langfristige Themen wie etwa den Umbau in Schwabmünchen über mehrere Jahre durchziehen, auch wenn es einmal konjunkturell nicht so gut läuft.

    Ihre Technik-Visionen dürften weitere Investoren anlocken. Hier spielt unsichtbares Licht eine Rolle.

    Berlien: Ja, denn früher stand Osram für Licht, das man an- und ausmacht. Das neue Osram ist aber ein Unternehmen, das immer mehr Anwendungen für unsichtbares Licht, also Infrarotlicht bietet. Das sind etwa Bio-Sensoren, die nicht nur wie heute schon ihren Puls messen, sondern im Supermarkt via Smartphone herausfinden können, wie viel Zucker oder Wasser eine Melone hat oder wie süß eine Erdbeere ist. Und mit einer entsprechenden Licht-Dosierung wird etwa eine Peperoni schärfer. Licht bestimmt auch den Geschmack: So kann man etwa in Bayern eine Tomate erzeugen, die wie aus Griechenland oder Holland schmeckt. Ja, es wird sogar möglich sein, mit dem Smartphone herauszufinden, wie alt ein Stück Fleisch ist und ob es sich bei einer Tablette um ein wirkliches Medikament oder ein Placebo handelt.

    Funktioniert das heute schon?

    Berlien: Das geht schon mit einem Spezialgerät für rund 200 Dollar, wird aber künftig mit unserer Technik in Smartphones integriert. Wir bekommen immer mehr Anwendungen, die das Leben besser machen. Auch den Blutzucker werden wir wahrscheinlich eines Tages mit dem Smartphone bestimmen können.

    Dann darf man sich nicht wundern, wenn Konsumenten sich mit ihrem Handy auch noch über Melonen bücken. Osram-Technologie geht aber auch ins Weltall.

    Berlien: Wir kooperieren hier mit der US-Weltraumbehörde Nasa. Die Experten untersuchen, aber noch auf der Erde, wie man im Weltall Salat und Gemüse züchten kann. Dann könnten Astronauten frische Produkte zu sich nehmen. Hier kommen Lichtanwendungen von Osram aus Regensburg zum Einsatz. Künftig will die Nasa unsere Technik auch im Weltraum testen. Die Astronauten hätten dann etwa einen kleinen Gewächsschrank dabei, in den Saatmatten eingelegt werden, mit denen sich frischer Salat und frisches Gemüse züchten lässt. Dank Osram kann man bald frisch im Weltall essen.

    Zur Person: Olaf Berlien, 56, ist ein offener und kommunikativer Mensch. Der Manager hat Sinn für Humor. So sagt er schon mal gerne: „Ich komme aus Berlin und heiße auch Berlien“. Der Witz ist erklärungsbedürftig. Denn der Osram-Chef ist in Berlin geboren und sein Name spricht sich auch trotz des „e“ wie die Hauptstadt aus. Seit Anfang 2015 steht er an der Spitze des Licht-Konzerns, der sich im Zuge eines Börsengangs von der einstigen Mutter Siemens abgenabelt hat. Dieser Prozess war lange erfolgsgekrönt. Doch im vergangenen Jahr bekam Osram die zunehmende Krise der Autoindustrie zu spüren. Berlien ist ein erfahrener Manager, hat er doch lange von 2002 bis 2013 in führenden Funktionen für Thyssenkrupp gearbeitet. Zuvor war er für die Carl Zeiss AG, für die Buderus Heiztechnik GmbH und für IBM Deutschland tätig. Der promovierte Ökonom ist verheiratet und hat drei Kinder. Er fährt gerne Motorrad.

    Lesen Sie dazu auch unseren großen Schwaben-Check - Wie stark sind die Firmen in der Region?

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden