Startseite
Icon Pfeil nach unten
Wirtschaft
Icon Pfeil nach unten

Interview: "Meiden Sie Extreme beim Kleiderkauf"

Interview

"Meiden Sie Extreme beim Kleiderkauf"

    • |
    Kunden sollten beim Kauf von Kleidung darauf achten, wo diese herkommt, sagt Unternehmer Günter Veit.
    Kunden sollten beim Kauf von Kleidung darauf achten, wo diese herkommt, sagt Unternehmer Günter Veit. Foto: Carsten Rehder, dpa /Archiv

    Herr Veit, Sie stellen mit Ihrem gleichnamigen Landsberger Familienunternehmen Bügelgeräte für die Textilindustrie her und reisen regelmäßig zu den Produktionsstätten etwa nach Bangladesch. Vor zwei Jahren ist dort eine Textilfabrik eingestürzt. Über 1000 Mitarbeiter starben. Der Ruf nach besseren Arbeitsbedingungen wurde laut. Hat sich die Lage für die Beschäftigten in

    Ja, gerade in Bangladesch hat sich viel verändert. Dort stehen heute die sichersten Fabriken Asiens. Auch die Löhne steigen moderat. Es wurden zwei internationale Organisationen ins Leben gerufen, „Accord“ und „Allianz“, beide machen sich für mehr Arbeitssicherheit vor Ort stark.

    Unternehmer Günter Veit
    Unternehmer Günter Veit Foto: Ulrich Wagner, fotolia

    Die Fabriken werden also kontrolliert?

    Nicht alle. In Bangladesch gibt es rund 5000 Textilfabriken. Etwa die Hälfte davon, die auch Aufträge aus Europa und den USA erhalten, wird kontrolliert. Die anderen fertigen meist für Länder in Asien, Afrika, den Mittleren Osten, Länder, in denen kaum jemand nach den Produktionsbedingungen fragt. Diesen Luxus können sich schließlich nicht alle leisten. Und diese schwarzen Schafe übernehmen oft auch als Subunternehmen die Fertigung für die kontrollierten Fabriken, die mehr Aufträge annehmen als sie eigentlich bewältigen können. Doch wie wollen Sie das überprüfen?

    Es wurde auch befürchtet, dass Bangladesch seine Textilproduktion verliert, wenn sichere Arbeitsbedingungen und bessere Löhne durchgesetzt werden, weil die Billigkarawane dann weiter zieht in noch billigere Länder. Ist das passiert?

    Bis jetzt noch nicht. Aber die Gefahr besteht tatsächlich. Äthiopien will in die Textilproduktion einsteigen. Was das in so einem armen Land bedeutet, kann sich jeder vorstellen.

    Es wird noch sehr viel Gift verwendet

    Gesundheitsgefährdend ist der Einsatz giftiger Chemikalien. Tut sich hier auch etwas?

    In diesem Bereich ist noch viel zu tun. Es wird noch sehr viel Gift verwendet – gerade in der Jeansproduktion. Die Organisation „Dialog Textil Bekleidung“, kurz DTB, arbeitet daran, schrittweise den Einsatz von Chemikalien zu verringern. Allerdings fehlen oft auch noch die Alternativen für giftige Stoffe. Doch einige Unternehmen haben bereits gezeigt, dass sich mit mehr Geld auch der chemische Einsatz senken lässt.

    Die Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie will Bundesentwicklungsminister Gerd Müller mit Hilfe eines Textilbündnisses verbessern. Nach einem schwierigen Start im vergangenen Jahr, konnte das Ministerium des CSU-Politikers vor ein paar Tagen vermelden, dass viele große Player wie Aldi und Adidas der Initiative beigetreten sind. Was war Ihrer Meinung nach der Grund, warum sich plötzlich so mächtige Unternehmen nach anfänglichem Zögern doch angeschlossen haben?

    Ich glaube schon, dass es sich heute kaum noch ein Unternehmen leisten kann zu sagen: Menschenrechte und Umweltschutz sind uns nicht wichtig. Im Gegenteil: Wer erklären kann, beides liege ihm wirklich am Herzen, kommt bei den Kunden gut an.

    Das heißt, die Kunden sind kritischer beim Textilkauf geworden?

    Ja, das ist schon zu beobachten. Seit der Katastrophe von Rana Plaza ist das Thema sichere Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie im Fokus der öffentlichen Diskussion. Eine Landsberger Unternehmerin erzählte mir erst kürzlich, dass in ihrer Boutique rund 30 Prozent der Kunden nach fairen Produktionsbedingungen ihrer Kleider fragen. In großen Städten dürfte dieses Thema noch viel stärker sein. Ausschlaggebend für die Beitrittswelle war aber auch, dass Bundesentwicklungsminister Müller so hartnäckig für sein Bündnis weiter warb.

    Textilbündnis wichtig

    Noch ist aber nur das Ziel formuliert: Man will soziale, ökologische und ökonomische Verbesserungen entlang der ganzen Textillieferkette erreichen. Konkrete Maßnahmen fehlen. Auch bleibt fraglich, ob ein nationales Bündnis so komplexe globale Produktionsschritte überhaupt verändern kann?

    Natürlich muss es das Ziel sein, die Initiative auf europäische und internationale Ebene zu erweitern. Das ist ja auch der Fall. Und die Herausforderungen sind zweifelsohne sehr groß. Schnell wird sich kaum etwas tun. Aber man muss anfangen und es lohnt sich zu kämpfen. Daher ist dieses Textilbündnis so wichtig. Deutschland geht hier voran – und selbst wenn nur dieses nationale Bündnis bleibt, wird es wenigstens ein Stückchen besser. Das Argument, ein Land kann nicht viel ausrichten, würde ich nicht gelten lassen. Denn dann können wir unsere Bemühungen um mehr Umweltschutz auch einstellen.

    Ein einheitliches Textil-Siegel ist der Wunsch von Minister Müller. Bis es so weit ist, was kann Ihrer Meinung nach der Verbraucher schon jetzt tun, wenn er ausbeuterische Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie nicht unterstützen will? Teure Klamotten garantieren ja auch nicht immer Sicherheit.

    Das stimmt. Aber was man schon sagen kann: Wenn einem etwas extrem billig erscheint, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen oder die Umwelt den Preis dafür zahlen müssen, hoch. Kunden sollten Extreme beim Kleidungskauf meiden. Auch informiert fast jedes namhafte Unternehmen auf seiner Homepage über seine Produktionsbedingungen. Doch Vorsicht: Das Wort „fair“ hört sich gut an. Es ist aber nicht definiert, was dahinter steckt.

    Günter Veit, 60, ist Geschäftsführer des gleichnamigen Landsberger Familienunternehmens. Die Gruppe beschäftigt etwa 400 Mitarbeiter in 13 Ländern, davon acht in Asien.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden