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Interview: Kathrein-Chef: Standort Nördlingen war nicht zu halten

Interview

Kathrein-Chef: Standort Nördlingen war nicht zu halten

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    Kathrein, der Hersteller von Mobilfunkantennen, stellt seine Produktion am Standort in Nördlingen ein. Rund 700 Mitarbeiter verlieren ihren Arbeitsplatz.
    Kathrein, der Hersteller von Mobilfunkantennen, stellt seine Produktion am Standort in Nördlingen ein. Rund 700 Mitarbeiter verlieren ihren Arbeitsplatz. Foto: Dieter Mack

    Herr Kathrein, das Werk Ihres Unternehmens in Nördlingen wird Ende April geschlossen. 700 Mitarbeiter verlieren ihren Job. Was ist der Hintergrund der Entscheidung?

    Anton Klaus Kathrein: Der Markt bietet extrem viele Möglichkeiten, aber er wandelt sich auch. Auf der einen Seite wachsen wir stark, auf der anderen Seite gibt es einen hohen Kosten- und Preisdruck. Wir haben keine Mitbewerber aus Deutschland, unsere Konkurrenten sind internationale Firmen mit entsprechend international aufgestellten Produktionsnetzwerken. Und wir müssen unsere Produkte zu marktfähigen Preisen anbieten.

    Der Schritt erschien sehr plötzlich und hat auch die Mitarbeiter vor Ort überrascht.

    Anton Klaus Kathrein: 2014 gab es einen Boom im LTE-Ausbau, einem technischen Standard im mobilen Internet. Es wurden sehr viele neue Antennensysteme gekauft. 2015 ist dieser Ausbau nicht im gleichen Maße fortgesetzt worden. Dieser Wandel kam für uns schneller und deutlich heftiger als erwartet. Das hat dazu geführt, dass wir diese harte Entscheidung sehr kurzfristig und auch sehr schnell treffen mussten. Es war für uns noch Mitte des Jahres nicht absehbar, dass es in diese Richtung geht, in keinerlei Hinsicht. Die Entwicklung hat alle überrascht. Ein großer Kunde hat noch im März 2015 wortwörtlich angekündigt, bezogen auf unsere Produktionskapazität weltweit: Ich kaufe alles. Das kam dann in keiner Weise so und ist auch Ausdruck der Dynamik, die in diesem Markt herrscht.

    Bis Mitte 2015 war nicht absehbar, dass Sie den Standort in Nördlingen dichtmachen? Sie haben die Entscheidung im Oktober verkündet.

    Anton Klaus Kathrein: Zum einen war nicht absehbar, dass die Verkaufserwartungen, die wir für 2015 hatten, so untererfüllt werden. Das ist das eine. Zum anderen ist der generelle Preisdruck zwar bekannt gewesen – aber die Erkenntnis, dass der Standort Nördlingen sich in keinem Szenario sinnvoll halten lässt, die ist tatsächlich erst relativ kurzfristig vor der Entscheidung in der Deutlichkeit zu erkennen gewesen.

    Das müssen Sie erläutern.

    Anton Klaus Kathrein: Eine Arbeitsgruppe hatte die Aufgabe, Möglichkeiten herauszufinden, wie der Standort in Zukunft weitergeführt werden kann. Das Ergebnis dieser Analyse war aber, dass es kein Szenario gibt, in dem der Standort auch nur annähernd kostendeckend arbeiten kann. Diese Deutlichkeit der Erkenntnis hat dann dazu geführt, dass die Entscheidung sehr schnell getroffen wurde. Ein Punkt ist ja auch: Wenn man weiß, dass man dort mittelfristig nichts mehr tun möchte, dann drückt sich das ja auch in der Kommunikation zu den Mitarbeitern aus. Wir hätten den Standort nicht mehr halten können, die Mitarbeiter hätten sich mit diesem Wissen woanders beworben. Und es wäre aus meiner Sicht auch unehrlich gewesen, damit länger zu warten: Sobald ich weiß, dass es einfach kein Szenario gibt, ist es fair, das sofort zu kommunizieren.

    Und in den Jahren davor war die Situation im Werk in Nördlingen eine andere?

    Anton Klaus Kathrein: 2014 war das Hauptthema: Wie können wir den Bedarf am Markt bedienen? Die ganze Branche hat Kapazitäten ausgeweitet. Der Standort Nördlingen war in den letzten Jahren sehr erfolgreich, er hat mit die komplexesten Produkte gefertigt. Wir haben auch sehr stark in das Werk investiert. Dass wir dort teurer sind als anderswo, war klar. Doch die Dynamik, mit der sich 2015 der Preisdruck entwickelt hat, war erheblich. Erheblich größer, als wir erwartet haben.

    Nun ist Kathrein kein ganz kleines Unternehmen, sondern ein weltweit agierender Konzern. Vor diesem Hintergrund sollte man meinen, dass Durststrecken auch mal überbrückt werden können.

    Anton Klaus Kathrein: Wir wissen generell, dass wir es mit einem Markt zu tun haben, der sehr zyklisch ist. Es gibt mal Durststrecken. Was allerdings dazukam, war der starke und verschärfte Kostendruck: die Tatsache, dass wir in keinem Szenario – auch nach einer Überbrückung von sechs Monaten oder einem Jahr – wieder einen Stand erreicht hätten, wo wir in Nördlingen Produkte zu marktfähigen Preisen hätten fertigen können. Das war der Knackpunkt.

    Und das hätte sich nicht wieder ändern können?

    Anton Klaus Kathrein: Die Tendenz ist eindeutig, und sie geht seit vielen Jahren nur in eine Richtung. Erst 2015 war dann klar, es lässt sich nicht mehr kostendeckend produzieren. Generell werden wir in Deutschland keine Antennen mehr fertigen, auch in der Zentrale in Rosenheim nicht, wo unser Schwerpunkt die Steuerung der Firmengruppe ist. Zudem machen wir in Deutschland die Produkte serienreif. Das heißt, wir haben hier einen Wandel, was die Beschäftigten angeht. Die Produktentwicklung ist etwas für hoch qualifizierte Fachkräfte, nicht für angelernte Arbeiter.

    Es rief Kritik hervor, dass in Ihrem Unternehmen im September 2015 noch Auszubildende in Nördlingen angefangen haben. Also knapp einen Monat, bevor Sie verkündeten, das Werk dichtzumachen. Wie kam es dazu?

    Anton Klaus Kathrein: Als wir die Auszubildenden eingestellt haben, hatten wir die Entscheidung, das Werk zu schließen, noch nicht gefällt. Ausbildungsverträge werden weit im Voraus unterzeichnet. Da war mir noch nicht bekannt, dass das Ergebnis der Analyse in dieser Eindeutigkeit ausfällt.

    Anton Klaus Kathrein
    Anton Klaus Kathrein Foto: Jan Kandzora

    Waren es auch Fehlentscheidungen des Managements, die zur Schließung in Nördlingen beigetragen haben? Im Oktober haben Sie als Grund genannt, dass Überkapazitäten auf eine geringe Nachfrage getroffen seien. Hat Ihr Unternehmen falsch kalkuliert?

    Anton Klaus Kathrein: Noch einmal: 2014 haben wir unseren Kunden zeitweise Lieferfristen von über zwölf Monaten erklären müssen, wofür wir auch sehr stark angegriffen worden sind. Wir hatten einen extremen Boom im Markt. Wenn man davon ausgeht, dass der Markt wächst – und davon gingen wir ja Anfang 2015 aus –, dann gibt es überhaupt gar keinen Anlass, die Kapazitäten zu reduzieren. Ich sehe da keinen Managementfehler.

    Das Gelände in Nördlingen gehört Ihrer Unternehmensgruppe. Wie geht es damit weiter, nachdem die Produktion im April eingestellt wird?

    Anton Klaus Kathrein: Im Moment prüfen wir viele Szenarien. Wir sprechen mit Interessenten. Es gibt durchaus auch ein Szenario, wo wir das Gelände weiter halten und daraus ein Gewerbe- und Industriepark entwickelt wird. In den nächsten zwei Monaten wird eine Entscheidung fallen.

    Auf Ihrer Homepage heißt es: „Wer bei Kathrein arbeitet, profitiert von einem verantwortungsvollen Arbeitgeber.“ Lässt sich dieser Satz noch halten, nachdem 700 Mitarbeiter ziemlich plötzlich ihren Job verlieren?

    Anton Klaus Kathrein: Er lässt sich auf jeden Fall noch halten. Es zählt jeder einzelne Mitarbeiter, aber wenn es für einen Standort keine Perspektive gibt, muss ich so handeln wie in Nördlingen. Es war keine schöne Entscheidung, aber ich habe auch eine Gesamtverantwortung für das Unternehmen.

    Interview: Jan Kandzora

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