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Interview: Imker: Ohne Bienen verlieren wir ein Drittel unserer Nahrung

Interview

Imker: Ohne Bienen verlieren wir ein Drittel unserer Nahrung

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    Bei strahlendem Sonnenschein sammelt eine Biene Nektar von Schlehenblüten. Die Insekten müssen besser geschützt werden, fordert Imker Thomas Radetzki am Weltbienentag.
    Bei strahlendem Sonnenschein sammelt eine Biene Nektar von Schlehenblüten. Die Insekten müssen besser geschützt werden, fordert Imker Thomas Radetzki am Weltbienentag. Foto: Ulrich Perrey, dpa (Symbolbild)

    Herr Radetzki, was will Ihre Stiftung erreichen?

    Thomas Radetzki: Um der Bienen und der Biodiversität willen geht es um einen systemischen Wandel in der Landwirtschaft. Es geht darum, unsere Lebensgrundlagen langfristig zu sichern.

    Warum die Biene und nicht irgendein anderes Tier?

    Radetzki: Die Biene liegt mir erstens sehr am Herzen. Vor allem aber hat sie als sogenannter Ökosystem-Dienstleister eine Schlüsselfunktion inne. Ohne die Honigbiene verlieren wir ein Drittel unserer Nahrungsmittel. Wobei wir als Stiftung auch immer die solitären Bienen im Blick haben. Die haben, anders als die Honigbiene, kaum eine Lobby.

    Radetzki: Lobbyisten werben in der Corona-Krise für Gentechnik bei Bienen

    Die Stiftung hat zahlreiche Projekte initiiert. Was treibt Sie gerade besonders um?

    Radetzki: Wir haben eine europaweite Bürgerinitiative gestartet. Das ist ein Instrument des Lissabon-Vertrages der EU. Wir wollen eine Million Unterschriften für einen Wandel in der Agrarpolitik einwerben. Ein anderes Projekt wendet sich dagegen, dass die Biene gentechnisch manipuliert wird.

    Thomas Radetzki von der Aurelia-Stiftung ist gegen Genmanipulation bei Bienen und fordert am Weltbienentag mehr Engagement von der Bundesregierung beim Insektenschutz.
    Thomas Radetzki von der Aurelia-Stiftung ist gegen Genmanipulation bei Bienen und fordert am Weltbienentag mehr Engagement von der Bundesregierung beim Insektenschutz. Foto: Florian Amrhein, Aurelia-Stiftung

    Wie bitte?

    Radetzki: Das ist in der Tat perfide und wenig bekannt. Die Honigbiene soll per Genmanipulation resistent gegen Pestizide gemacht werden. Daran wird in den USA, Asien und bei uns in Deutschland gearbeitet. Da will man den Teufel mit dem Beelzebub austreiben. Es fragt auch keiner, was mit den anderen Bestäubern passiert. An ihnen besteht kein direktes wirtschaftliches Interesse. Im Nebel der Corona-Krise sind die Lobbyisten gerade verstärkt unterwegs und werben für den Einsatz dieser Gentechnik.

    Was ist daran so schlimm?

    Radetzki: Es ist unter anderem aus ökonomischer Sicht Unfug. Ökonomisch geht es auf Dauer nur, wenn wir die Resilienz der Systeme stärken. Ich sage immer: Biodiversität ist das Immunsystem des Planeten, einer jedes Landschaft und eines jedes Hofes, eines jeden Ackers. Das ist auf Dauer die einzige Chance für die Menschheit, zu überleben.

    Imker kritisiert die ausbleibende Umsetzung des Insektenschutzprogrammes

    Man kann den Eindruck haben, dass sich diesbezüglich bei der Bundesregierung zumindest ein bisschen was bewegt. Richtiger oder falscher Eindruck?

    Radetzki: Falscher Eindruck. In der Regierung ist das Landwirtschaftsministerium mit Frau Klöckner der absolut bremsende Faktor. Die Umsetzung der Ackerbaustrategie und des Insektenschutzprogramms wird verschleppt. Es ist kein politischer Wille erkennbar, tatsächlich vorwärts zu kommen. Die Vorschläge des Bundesumweltministeriums für beide Maßnahmen liegen vor, sie werden aber nicht konstruktiv diskutiert.

    Die Regierung argumentiert, dass wir Gentechnik brauchen, um Pflanzen besser gegen den Klimawandel und hier vor allem die zunehmende Trockenheit zu schützen. Klingt doch eigentlich logisch?

    Radetzki: Ja, das ist der neue Renner. Man sagt, wir müssen mit gentechnisch veränderten Pflanzen dem Klimawandel gerecht werden. Das ist aber keine Lösung. Denn die Trockenheit der Böden bekomme ich doch nicht dadurch in den Griff, dass eine Maispflanze ein paar Tage länger ohne Wasser auskommt. Was wir brauchen, ist eine andere Bewirtschaftung der Böden. Wir brauchen Fruchtfolgen, die Humus bilden, der wiederum Feuchtigkeit speichert – und übrigens auch CO2 bindet.

    Bienen sind Verhaltensvorbilder für Menschen

    Was können wir von den Bienen lernen?

    Radetzki: In meinen Kursen sage ich immer: Bei den Bienen lernt man, still zu sein. Man lernt, hinzuschauen und zu staunen. Es lässt sich nichts direkt von den Bienen auf den Menschen übertragen, das wäre naiv. Zumal es auch bei den Bienen nicht nur die schöne Welt allein gibt. Aber sie ermutigen uns zu einem kooperativen, am Gemeinwohl orientierten Verhalten. Und zwar nicht nur für den Einzelnen, sondern beispielsweise auch mit Blick auf moderne Unternehmensführung.

    Zur Person: Der Imkermeister Thomas Radetzki ist Vorstandsvorsitzender der Aurelia-Stiftung mit Sitz in Berlin, die sich dem Schutz der Bienen und Blütenbestäuber verschrieben hat. Er war unter anderem an der Entwicklung der Richtlinien für ökologische Bienenhaltung in Deutschland und der EU beteiligt. Der gebürtige Hamburger ist Autor des Buches "Inspiration Biene", das am Mittwoch zum Weltbienentag um 16 Uhr im Rahmen einer Online-Lesung vorgestellt wird.

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