Herr Ametsreiter, Sie sind ins Allgäu gekommen, um dort Funklöcher zu schließen. Warum ist der Empfang auf dem Lande an vielen Stellen in unserem reichen Land immer noch so schlecht?
Hannes Ametsreiter: In manchen Regionen Deutschlands gibt es besondere topographische Herausforderungen. Zum Beispiel in den Bergen oder in den tiefen Tälern. Hier ist es schwierig Mobilfunkstationen an das Stromnetz anzubinden und die Antennen so auszurichten, dass das schnelle Netz in jeden Winkel gelangt. Das ist die eine, die geographische Erklärung. Zudem ist die Suche nach Standorten, an denen wir neue Stationen bauen können, oft langwierig. Und schließlich gibt es besonders dünn besiedelte Regionen. Hier ist es nur schwer möglich, die getätigten Investitionen zurückzuverdienen. Häufig kommen an einem Ort mehrere dieser Aspekte zusammen.
Für Sie lohnt es sich schlicht nicht?
Ametsreiter: In der Marktwirtschaft ist es schwierig dort zu investieren, wo man Verluste erwirtschaftet. Gerade hier müssen wir eng mit der Politik, mit den Gemeinden und mit den Wettbewerbern zusammenarbeiten.
Jetzt kommen Sie aber dennoch ins Allgäu und wollen die Funklöcher stopfen…
Ametsreiter: Ja, weil wir gemeinsam mit dem Freistaat Bayern ein Modell gefunden haben, um Netz auch an die Orte zu bringen, wo der Ausbau besonders schwierig ist. Es gibt eine Förderung für den Netzausbau in besonders unwirtschaftlichen Regionen und eine noch engere Zusammenarbeit mit den Kommunen vor Ort. Der Startschuss fällt in Knottenried in Immenstadt. Wir bauen hier jetzt die erste geförderte neue Mobilfunkstation. In weniger als einem Jahr wird sie ans Netz gehen und das Gebiet im Umkreis von 8 Kilometern abdecken.
Ametsreiter: "Jeder kann bei seinem Mobilfunkanbieter bleiben"
Und dann müssen alle Leute dort einen Vodafone-Vertrag abschließen?
Ametsreiter: Nein, jeder kann bei seinem Mobilfunkanbieter bleiben. Wir bauen die Station gemeinsam mit der Kommune, unsere Wettbewerber können sie dann ebenfalls nutzen, um Netz aufs Land zu bringen. Jeweils ein Anbieter baut in Kooperation mit der Kommune, aber alle Kunden profitieren. Aktuell gibt es 81 Gemeinden mit entsprechenden Förderbescheiden, um Funklöcher zu schließen. Zum Beispiel auch in Eichstätt in Oberbayern.
Wie lange wird das dauern und welche Netzqualität werden die Leute bekommen?
Ametsreiter: In Immenstadt werden wir ein 5G-Netz starten. Das ist die derzeit schnellste Mobilfunk-Technik. Gleichzeitig aktivieren wir hier auch LTE. Das heißt, die Leute müssen sich keine neuen Handys kaufen. Der Zeitplan bei den Bauprojekten ist ehrgeizig. Wir wollen deutlich schneller sein als in vielen anderen Fällen, wo der Bau einer Station von Anfang bis Ende gut und gerne zwei Jahre dauern kann.
Man fragt sich, warum das erst jetzt geschieht? Das Problem der weißen Flecken und Funklöcher ist seit Jahren bekannt. Wer trägt die Verantwortung dafür?
Ametsreiter: Ich habe da eine sehr klare Meinung dazu. Wir haben als gesamte Mobilfunkindustrie bei der letzten Frequenzversteigerung 6,6 Milliarden Euro an den Staat gezahlt. Ausschließlich für Frequenzscheine und ohne eine neue Station davon zu bauen. Aber Geld gibt es immer nur einmal. Hätte man diese 6,6 Milliarden Euro in die Infrastruktur investiert, hätte man 50.000 zusätzliche Stationen bauen können. Dann gäbe es heute keine weißen Flecken mehr. Schon bei der kommenden Frequenzauktion im Jahr 2023 könnten wieder viele Milliarden Euro verbrannt werden, wenn wir nicht endlich umdenken und anderen Lösungen eine Chance geben: Eine Verlängerung der bestehenden Lizenzen gekoppelt an erhöhte Ausbauauflagen beispielsweise, könnte die Netzabdeckung massiv verbessern – vor allem auf dem Land.
"Das 5G Netz wird so schnell ausgerollt, wie kein anderes Netz zuvor"
Können Sie versichern, dass es beim neuen Netzstandard 5G nicht wieder dazu kommt, dass einige Regionen vergessen werden?
Ametsreiter: Das 5G Netz wird so schnell ausgerollt, wie kein anderes Netz zuvor. Wir als Vodafone können heute schon 25 Millionen Menschen in Deutschland damit versorgen. Aber wir brauchen hier schnelle Genehmigungsprozesse und bei der Standortsuche eine gute Zusammenarbeit mit den Kommunen, um auch in Zukunft einen Spitzenplatz bei 5G einzunehmen. Wenn Baugenehmigungen für neue Sendestationen erst nach eineinhalb bis zwei Jahren erteilt werden, dann dauert das einfach zu lange. In Spanien geht es viel schneller. Warum? Weil es ein einheitliche Standardverfahren gibt für den Netzausbau. Aber wir sehen hierzulande große Verbesserungen: In Bayern und mit dem neuen Telekommunikationsgesetz in ganz Deutschland.
Und die Regionen, wo sich der Ausbau nicht lohnt?
Ametsreiter: Genau hier brauchen wir Fördermodelle und die enge Zusammenarbeit mit der Politik, so wie in Bayern. Hier wurde erstmals ein solches Mobilfunk-Förderprogramm gestartet. Das hat Vorbild-Funktion. Hinzu kommt: Wenn alle Netzbetreiber die Frequenzen, die sie aktuell besitzen, länger nutzen dürfen, wäre das wichtig für schnelle Netze gerade auf dem Land. Für eine Auktion zu einem späteren Zeitpunkt wünsche ich mir, dass das Geld, das wir investieren, direkt in die Netze fließt. Je klüger der Weg, den wir einschlagen, desto besser wird die Infrastruktur in Deutschland.
Sie stammen aus Salzburg und haben einen engen Bezug zu den Bergen. Ist es Ihnen eigentlich ein persönliches Anliegen, dass die Menschen im Allgäu ein ordentliches Mobilfunknetz bekommen?
Ametsreiter: Ich will, dass die Menschen überall eine gute Mobilfunkversorgung haben. Natürlich auch in den Bergen. Wer hier aufgewachsen oder in den Bergen unterwegs ist, der will immer ein Gefühl der Sicherheit haben. Was passiert, wenn ich mir beim Wandern den Knöchel breche oder beim Klettern abstürze? Mobilfunk schafft hier Sicherheit. Und schließlich schafft Mobilfunk Zugang zu Wissen. Wenn ich mit meinen Kindern in den Bergen unterwegs bin und ihnen die Gipfel in der Ferne zeige, dann habe ich mit der passenden App alle wichtigen Infos zu diesem Berg direkt parat. Digitalisierung bildet.