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Interview: Ilse Aigner: "Wir erlauben den Chinesen mehr, als sie uns erlauben"

Interview

Ilse Aigner: "Wir erlauben den Chinesen mehr, als sie uns erlauben"

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    Die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner.
    Die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner. Foto: Matthias Balk (dpa)

    Die China-Reise von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat große Wellen geschlagen. Der SPD-Politiker sparte nicht mit Kritik an der Wirtschaftspolitik der Machthaber in Peking. Deutsche Investoren hätten es in dem Land schwerer, als chinesische auf dem deutschen Markt. Stimmt das?

    Ilse Aigner: Generell halte ich freien Handel für unverzichtbar. Wir brauchen in Deutschland und in Bayern Kapital aus dem Ausland, gerade auch für Start-up-Unternehmen, also Neugründungen. So ist es sinnvoll, dass wir mit Kanada durch das Freihandelsabkommen Ceta Regeln geschaffen haben, auf die sich Unternehmen in Europa und

    Doch noch einmal: Chinesen beharren auf ihren Spielregeln. Deutsche Investoren fühlen sich so benachteiligt. Liegt Gabriel mit seiner Kritik richtig?

    Aigner: Sigmar Gabriel hat zu Recht die Interessen der deutschen Unternehmen vertreten. Es war richtig, das Thema jetzt in China anzusprechen. Was Investitionen betrifft, brauchen wir Chancengleichheit auf beiden Seiten. Das gilt im Übrigen nicht nur für

    Der chinesische Haushaltsgeräte-Konzern Midea hat aber fast 95 Prozent der Aktien des Augsburger Roboterherstellers Kuka übernommen. Da stimmt doch was nicht?

    Aigner: Ich plädiere dafür, dass wir uns – also Chinesen und ausländische Investoren – auf Augenhöhe begegnen. Es muss für deutsche Unternehmen einfacher, also weniger bürokratisch werden, in China zu investieren.

    Und wie sollen sich Berlin und Brüssel verhalten, wenn chinesische Firmen mit staatlicher Unterstützung erkennbar strategische Investments in Deutschland anpeilen?

    Aigner: Das ist ein wichtiger Punkt. So ein Vorgehen lässt sich oft daran erkennen, dass eine europäische Aktiengesellschaft, die an der Börse einen bestimmten Wert hat, von chinesischer Seite mit einem hohen Übernahmeangebot umworben wird. Die asiatischen Investoren bieten also auffällig mehr pro Aktie als den aktuellen Börsenwert. Das würde in einer Marktwirtschaft sonst kein Akteur machen.

    Bei Kuka war das der Fall. Midea hat 115 Euro je Aktie geboten und damit die Aktionäre mit einem erheblichen Aufschlag gelockt.

    Aigner: Genau, Kuka ist so ein Fall. An solchen Beispielen lässt sich erkennen, dass die Investoren auch ein strategisches Interesse verfolgen. Wenn aber solche Investoren dann auch noch von Staatsfonds massiv finanziell unterstützt werden – und das trifft nicht nur auf China zu – wird die Sache aus unserer Sicht bedenklich. Solche Formen subventionierter Übernahmen müssen wir genau prüfen.

    Doch Deutschland verfügt hier nur über das stumpfe Schwert des Außenwirtschaftsgesetzes. Wenn Sicherheitsbelange nicht berührt sind, lassen sich Übernahmen wie bei Kuka nicht aufhalten. Was ist zu tun?

    Aigner: Mit dem Außenwirtschaftsgesetz tun wir uns in solchen Fällen schwer. Auch hier müssen wir allerdings die vorhandenen Spielräume nutzen. Zusätzlich müssen wir aber auf europäischer Ebene entsprechende Prüfmöglichkeiten für ausländische Investitionen schaffen, so wie es auch die Bundesregierung befürwortet. Auch wenn man für freien Handel ist, brauchen wir die Möglichkeit, Investitionen, wenn sie nationale Interessen berühren, zu untersagen.

    Der chinesische Botschafter in Berlin, Shi Mingde, sorgt sich über „die immer deutlicher zunehmenden protektionistischen Tendenzen“ in Deutschland. Steuern wir auf einen Handelskrieg mit China zu?

    Aigner: Ich denke nicht, denn daran hat keine Seite Interesse. Meine Strategie heißt: Wir müssen mit unseren Handelspartnern, also auch den Chinesen, offen über Konfliktpunkte reden. Das ist nicht protektionistisch. Wir pochen aber auf Handelsbeziehungen auf Augenhöhe. Und in China gibt es im Gegensatz zu uns noch protektionistische Tendenzen. Wir erlauben den Chinesen mehr, als sie uns erlauben. Mir geht es um Gerechtigkeit.

    Wie sollen künftig die Handelsbeziehungen mit China aussehen?

    Aigner: Wir wollen alles tun, um unsere guten Handelsbeziehungen mit China fortzusetzen. Und wir sind sehr einverstanden mit vielen Investitionen von chinesischen Firmen in Bayern. Dabei werden Standorte in Bayern durch den besseren Zugang zum chinesischen Markt sogar gestärkt. China ist für uns ein riesiger Markt mit seinen 1,38 Milliarden Einwohnern. Auf lange Sicht besteht aber die Gefahr, dass Know-how nach China abfließt, was heimische Firmen schwächen könnte. Interview: Stefan Stahl

    Zur Person: Ilse Aigner, 51, ist seit gut drei Jahren Wirtschaftsministerin in Bayern. Zuvor war die Oberbayerin Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Die Politikerin ist Bezirksvorsitzende der CSU in Oberbayern. Aigner hat eine Ausbildung zur Radio- und Fernsehtechnikerin mit der Gesellenprüfung absolviert und danach im elterlichen, mittelständischen Handwerksbetrieb gearbeitet. Nach einer Weiterbildung zur staatlich geprüften Elektrotechnikerin war sie von 1990 bis 1994 für den Hubschrauberhersteller Eurocopter, der heute Airbus Helicopters heißt, tätig. Danach zog Aigner in den Bayerischen Landtag ein – ihre politische Karriere nahm Fahrt auf.

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