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Interview: IG-Bau-Chef: "Banden machen sich die Bauwirtschaft zunutze"

Interview

IG-Bau-Chef: "Banden machen sich die Bauwirtschaft zunutze"

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    Robert Feiger, Chef der Gewerkschaft IG Bau, fordert die Bundesregierung auf, langfristig Bau-Programme aufzulegen.
    Robert Feiger, Chef der Gewerkschaft IG Bau, fordert die Bundesregierung auf, langfristig Bau-Programme aufzulegen. Foto: Michael Hochgemuth

    Herr Feiger, Sie sind seit 2013 Chef der Gewerkschaft IG Bau. Als gebürtiger Augsburger leben Sie nahe Ihrer Heimatstadt in Neusäß. Da gibt es eine witzige Geschichte mit Ihrem neuen Dienstwagen, dessen Nummernschild mit F für Frankfurt beginnt.

    Robert Feiger: Ich habe den Wagen von einem Gewerkschafts-Kollegen übernommen, der ein glühender Fan des FC Bayern ist. So beginnt das Nummernschild mit F-CB.

    Die Höchststrafe für einen Fußball-Fan wie Sie, der – um es mit den Toten Hosen zu sagen – niemals zum FC Bayern gehen würde.

    Feiger: Ich bin FC Augsburg-Fan und habe bis zur B-Jugend für den Verein gespielt. Jetzt habe ich das Nummernschild des Dienstwagens ändern lassen. Sie dürfen raten, welche Buchstaben ich ausgesucht habe.

    F-CA.

    Feiger: Natürlich.

    Jetzt müssen wir die Kurve weg vom Fußball bekommen. Vielleicht kann das so gelingen: Herr Feiger, das sind ja Champions-League-Verhältnisse für einen Chef der Gewerkschaft IG Bau. Der Branche geht es dank Dra-ghis Nullzinspolitik ausgezeichnet. Bleibt das länger so?

    Feiger: Zunächst mal hat unsere Branche ein langes Trauma hinter sich: Von 1995 bis 2010, also nach dem Wiedervereinigungs-Boom und dem Aufbau von Überkapazitäten ging es stetig bergab. Seit einiger Zeit erleben wir einen Bau-Boom ohnegleichen. Die Lage ist nicht nur gefühlt hervorragend, sondern auch angesichts der Umsatzzahlen. Und die positive Situation wird sicher noch rund vier Jahre anhalten.

    Geht es nach den glücklichen Zeiten wieder jahrelang bergab, etwa wenn die Zinsen deutlich gestiegen sind?

    Feiger: Das müssen wir durch Verstetigung der staatlichen Bau-Politik verhindern und damit die Lehre aus den traumatischen Jahren zwischen 1995 und 2010 ziehen. Vorrangiges Ziel muss es in Deutschland sein, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Hierzu brauchen wir einen Masterplan für bezahlbaren Wohnraum.

    Tut die Bundesregierung hier genug?

    Feiger: Wir begrüßen, dass sich die Große Koalition zum Ziel gesetzt hat, dass in dieser Legislaturperiode 1,5 Millionen zusätzliche Wohnungen gebaut werden. Was die Firmen der Bauwirtschaft aber brauchen, sind Programme, die am besten zehn Jahre laufen. Wenn der Staat langfristig Investitionszusagen trifft, können die Betriebe die notwendigen Fachkräfte ausbilden und an Bord halten. Das gilt auch, wenn es konjunkturell bergab geht. So müssen Straßen und Brücken stetig Jahr für Jahr erneuert werden. Wir dürfen nicht auf Verschleiß fahren.

    Geld für öffentliche Bau-Investitionen scheint da zu sein. Doch an der Umsetzung hapert es. Woran liegt das?

    Feiger: Wir haben zu wenig Planungs-Experten in den Behörden, die auch die genehmigten Investitionsmittel umsetzen können. In den Bauämtern sind viel zu viele Stellen in der Vergangenheit abgebaut worden. Da darf man sich nicht wundern, dass wir in Deutschland einen so großen Investitionsstau haben. An der produzierenden Wirtschaft liegt es nicht. Die Baubranche baut seit drei, vier Jahren wieder Kapazitäten und Mitarbeiter auf. Zur Erinnerung: Nach der Wiedervereinigung haben wir im Bauhauptgewerbe in Deutschland 1,4 Millionen Menschen beschäftigt. Dann ging es erheblich runter auf knapp 700 000. Nun arbeiten wieder deutlich über 800 000 Menschen für das Bauhauptgewerbe.

    Ist es schwer, Facharbeiter zu finden?

    Feiger: Wir haben keinen flächendeckenden Facharbeitermangel in Deutschland. Die Ausbildungszahlen steigen. Dass unsere Branche attraktiver wird, liegt auch an den steigenden Ausbildungsvergütungen. Hier sind wir mit der Metallindustrie an der Spitze. Und wir haben als IG Bau zuletzt einen sehr guten Tarifabschluss erzielt. Dieser ist, was die Lohnsteigerung betrifft, der höchste in diesem Jahr in Deutschland erzielte Abschluss. Er sieht für den Westen Lohnerhöhungen von 5,7 Prozent, mehrere hohe Einmalzahlungen von insgesamt 1100 Euro und den stufenweisen Einstieg in ein bundesweites 13. Monatseinkommen vor. Wir haben nun, was das Jahreseinkommen betrifft, gegenüber der Metall-Industrie als Lohn-Spitzenreiter aufgeholt. Doch noch sind die Metall-Beschäftigten eine Ecke finanziell besser als die Bau-Beschäftigten ausgestattet.

    Woran liegt das?

    Feiger: Das liegt auch an Schichtzulagen und der Tatsache, dass in der Metallbranche im Gegensatz zu uns das ganze Jahr über gearbeitet werden kann. Unser Ziel ist es, irgendwann mit der Metallbranche gleich- zuziehen. So können wir junge, qualifizierte Kräfte für uns sichern.

    Und Sie wollen die Arbeitgeber trotz deren Widerstands bewegen, Wege- und Anfahrtszeiten zur Baustelle zu bezahlen.

    Feiger: Da werden wir jetzt hartnäckig verhandeln. Denn es kann nicht sein, dass für einen Zimmerer nur die Arbeitszeit auf der Baustelle zählt. Denn seine Anfahrtswege ändern sich je nach Baustelle, auf der er eingesetzt ist, häufig. Er kann also nicht beeinflussen, wie weit die Baustelle von seinem Wohnort entfernt liegt. Ein finanzieller Ausgleich dafür ist überfällig. Der Handwerksbetrieb stellt Kunden ja auch Anfahrtszeiten in Rechnung. Klar ist: Der Weg zur Arbeit auf der Baustelle muss vergütet werden.

    Muss die Arbeit auf den Baustellen nicht auch sauberer werden? Der bekannte Experte Friedrich Schneider beklagt ja, dass der Bau-Boom auch die Schwarzarbeit boomen lasse.

    Feiger: Unsere mobile Produktion mit immer neuen Baustellen ist für Schwarzarbeit anfälliger als eine stationäre Autofabrik, wo sich die Geschäftsprozesse besser überwachen lassen. Nach unseren Beobachtungen und nach Erkenntnissen der Behörden nimmt die organisierte Schwarzarbeit und damit die organisierte Kriminalität auf den Baustellen zu.

    Wie läuft das konkret ab?

    Feiger: Banden machen sich die Bauwirtschaft zunutze, um teilweise Geld aus anderen kriminellen Geschäften wie etwa dem Drogenhandel zu waschen. Die letzten Ermittlungen der Behörden führten hier zu Personen auf dem Balkan. Aber auch Deutsche mischen bei dem Geschäft mit. Zudem werden Scheinrechnungen ausgestellt, Sozialversicherungsbeiträge nicht korrekt abgeführt. Beschäftigte werden mit Hungerlöhnen abgespeist, die weit unter dem Mindestlohn liegen.

    Wie funktioniert das?

    Feiger: Etwa indem die Beschäftigten zwar offiziell den Mindestlohn von 11,75 beziehungsweise 14,95 Euro im Westen bekommen, aber viel länger als 40 Stunden pro Woche, also 60 bis 70 Stunden arbeiten. So kommen dann Hungerlöhne zustande. Und dann werden diese Beschäftigten auch noch in menschenunwürdigen Unterkünften untergebracht, also etwa zu siebt auf 15 Quadratmetern. Dafür müssen die Mitarbeiter dann aber 400 bis 500 Euro Miete pro Monat zahlen. Oder die Rückreise zurück nach Osteuropa kostet im Bus so viel wie ein Business-Flug. So scheffeln die Kriminellen am Bau Geld.

    Wie können solche Praktiken unterbunden werden?

    Feiger: Die Bundesregierung hat den richtigen Weg eingeschlagen: Auch auf Druck der IG Bau wird die Zahl der Kontrolleure bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit, die am Zoll angegliedert ist, in den nächsten drei Jahren um 1400 erhöht. So kann der Mindestlohn besser überwacht werden. Bisher arbeiten 7200 Spezialisten für die Finanzkontrolle Schwarzarbeit.

    Sind nicht aber auch 8600 Kräfte zu wenig, um die organisierte Kriminalität am Bau zurückzudrängen?

    Feiger: Wir fordern mindestens 10 000 Kräfte. Auch bei einer Verdoppelung der heutigen Zahl von 7200 müsste man kein schlechtes Gewissen haben, schließlich hat die Finanzkotrolle Schwarzarbeit mit der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns Anfang 2015 eine riesige neue Kontrollaufgabe quasi über Nacht bekommen. Zusätzliche Zollbeamte rechnen sich für den Staat. Ein kluger Staat investiert in den Bereich.

    Wie hoch ist der Anteil der Schattenwirtschaft am Bau.

    Feiger: Experten wie Friedrich Schneider gehen von rund 30 Milliarden Euro pro Jahr aus. Doch es liegt in der Natur der Sache, dass man nicht immer weiß, wie groß der Schatten wirklich ist. Ich glaube aber, dass der Schwarzarbeitsforscher Schneider mit seiner Zahl einigermaßen richtig liegt.

    Zur Person: Robert Feiger, 55, ist in Augsburg geboren und aufgewachsen. Er hat das Peutinger-Gymnasium bis zur zehnten Klasse besucht und eine Ausbildung zum Industriekaufmann gemacht. Danach begann seine Karriere bei der IG Bau. Feiger lebt mit seiner Frau in Neusäß. Wenn er am Wochenende zu Hause ist, genießt und kümmert er sich um seine Wohnung und die Terrasse. Auch unterstützt er seine Eltern, die in Adelsried bei Augsburg leben. Montags geht oft um kurz nach 6 Uhr der Zug nach Frankfurt zur IG-Bau-Zentrale. In Frankfurt gehört Feiger wie der auch aus Augsburg stammende IG-Metall-Vorstand Jürgen Kerner einer Schafkopfrunde an. Feiger ist Mitglied des Aufsichtsrates der Bauer AG in Schrobenhausen.

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