Frau Leimer, am Sonntag steht bei Ihnen ein runder Geburtstag an. Männer sollten Frauen ja nicht auf ihr Alter ansprechen.
Leimer (lacht): Ja, ja, ich werde 80 Jahre alt. 80 ist eine schlimme Zahl. Wobei die Acht an sich ja eine sympathische Zahl ist. Aber wenn man die Acht dann so gedruckt vor sich sieht, dann kann ich es nicht glauben. Das muss ein Druckfehler sein.
Ein Druckfehler? Sollen wir ein Interview zum 70. Geburtstag führen?
Leimer: Nein, nein, ich habe das recherchiert: Das Datum stimmt leider. Ich werde 80. Ich fühle mich aber nicht so. Ganz im Gegenteil.
Wie geht es Ihnen?
Leimer: Mir geht es gut. Ich gehe ja immer noch regelmäßig in unseren Betrieb, das Maschinenbau-Unternehmen Erhardt+Leimer in Leitershofen bei Augsburg.
Spaßeshalber haben Sie einmal gesagt, die letzte große Freiheit des Unternehmers sei es, dass er sich selbst entlassen könne. Wann entlassen Sie sich?
Leimer: Bei uns wird niemand entlassen. Ganz im Gegenteil. Unserer Firma geht es gut. Wir haben weltweit rund 1600 Mitarbeiter, davon 780 in Augsburg. Wir wachsen weiter. Ich werde mich jedenfalls noch nicht selbst entlassen, wobei natürlich mein Neffe Dr. Michael Proeller und seine Kollegen schon lange in der operativen Verantwortung der Geschäftsführung stehen. Mein Rat ist aber nach wie vor gefragt. Ich bleibe an Bord. So bleibt man geistig jung. Ich übe mich jedoch immer mehr im Loslassen und lasse die Jüngeren machen. Manchmal gelingt es mir mehr, manchmal weniger.
Sie lernen sogar eine Fremdsprache.
Leimer: Ja, ich versuchenachwie vor, mit einem Lehrer meine Japanisch-Kenntnisse zu verbessern. Ich liebe dieses Land, auch weil alles so anders ist als bei uns. Wir sind ja dort als Firma seit Ende der 70er Jahre vertreten. Ich bin in meinem Leben viel gereist, darunter viele Male nach Japan. Auch meine über 20- jährige Funktion als Präsidentin der deutsch-japanischen Gesellschaft in Augsburg hat mir dieses Land und seine Menschen sehr nahegebracht.
Ihre zweite Heimat wurde schon früh die Schweiz. Sie leben schon lange in der Nähe von Zürich. Wie kam das?
Leimer: Ich bin schon Anfang der 60er Jahre in die Schweiz ausgewandert. Damals führte mein Vater Albert Leimer das Unternehmen noch alleine. Dort in der Schweiz habe ich mit meinem späteren Mann ein gemeinsames Geschäft aufgebaut. Wir hatten einen internationalen Vertrieb für Textilmaschinen. Mein damaliger Mann kam aus der Tschechoslowakei. Mit unserem Geschäft spezialisierten wir uns auf die Länder des Ostblocks. Von der neutralen Schweiz aus war es politisch einfacher als von der Bundesrepublik, Geschäfte mit diesen kommunistischen Staaten zu betreiben. Damals war die Welt noch spannend. Heute ist es so normal geworden, international Geschäfte zu betreiben.
Wie liefen die Geschäfte in kommunistischen Ländern ab?
Leimer: Es war abenteuerlich. Man musste mit einem Wust an Bürokratie zurechtkommen. Uns standen riesige Kombinate gegenüber. Lange liefen die Geschäfte erstaunlich gut. Wir vertraten die führenden deutschen und schweizerischen Textilmaschinen-Produzenten.
Warum haben Sie sich dann Ende der 70er Jahre endgültig aus diesem Geschäft zurückgezogen?
Leimer: Als 1968 Truppen des Warschauer Paktes den Prager Frühling niederschlugen, versetzte das unseren Geschäften einen Dämpfer. Es war abzusehen, dass langfristig durch die strengere Kontrolle der Sowjetmacht die Geschäftsmöglichkeiten für westliche Unternehmen sehr eingeschränkt sein würden. Und dann starb mein Vater überraschend im Jahr 1972. Ich ging zurück nach Schwaben und übernahm dann schließlich 1977 den Vorsitz der Geschäftsführung. Ende der 70er Jahre stellten wir dann das Geschäft mit den Textilmaschinen ein. Mein Mann und ich trennten uns schließlich. Meine berufliche Zukunft lag jetzt in Schwaben.
Sie haben sich in die Pflicht nehmen lassen.
Leimer: Sicher, aber die Übernahme des Unternehmens war mir in die Wiege gelegt. Zuvor wollte ich meinem Vater jedoch beweisen, dass ich es auch ohne ihn kann. Erhardt+Leimer war damals vor allem auf dem deutschen Markt aktiv. Mein Ehrgeiz war es, die Geschäfte zu internationalisieren. Heute ist die Firma in Ländern wie Italien, Großbritannien, Frankreich, Spanien, Rumänien, USA, Brasilien, China, Japan, Taiwan, Thailand, Korea und Indien mit Tochterfirmen vertreten.
In den 70er Jahren waren Sie sicher als Unternehmerin, die weltweit Geschäfte einfädelt, für viele eine Exotin.
Leimer: Da war ich als Frau oft auf einsamer Flur, gerade in Asien.
Wie haben Sie Männer überzeugt?
Leimer: Ich habe sie angeschaut, freundlich gelächelt und versucht, sie mit Argumenten von unseren Produkten zu überzeugen. Es hat funktioniert.
Auch bei der schwäbischen Industrie- und Handelskammer waren Sie die erste Frau an der Spitze, ja die erste Frau, die bundesweit eine IHK als Präsidentin geführt hat. Wie haben Sie die Männer behandelt?
Leimer: Männer sind Alphatiere. Im Gegensatz zu Frauen, die gerne in der Mitte stehen, laufen sie vorneweg. Dafür können Männer nichts. Das hat die Natur so bestimmt.
Sie lassen Nachsicht mit Männern walten. Wie ist es Ihnen denn in der IHK-Männerwelt ergangen?
Leimer: Auch in der IHK-Welt war ich eine Exotin. Bei Sitzungen unseres Bundesverbandes konnten die Männer zunächst gar nicht fassen, dass da eine Frau mit am Tisch sitzt. Und diese geschlossene Männergesellschaft staunte nicht schlecht, dass sich diese Frau auch noch zu Wort meldet und etwas zu sagen hat. Aber die Männer haben sich dann an mich gewöhnt, schließlich war ich von 1995 an 14 Jahre Präsidentin der IHK Schwaben.
Machen Frauen anders Geschäfte als Männer?
Leimer: Nein, sie machen nicht grundsätzlich anders Geschäfte als Männer. Wir Frauen schaffen es aber oft, unsere Meinung verbindlicher rüberzubringen als Männer. Man sucht als Frau eben meist den Konsens. Und Frauen können besser zuhören als manche Männer. Doch wenn man als Frau einem Unternehmen vorsteht, muss man eigentlich denken wie ein Mann.
Brauchen Frauen Quoten?
Leimer: Ich halte nichts von Quoten, weder in der Politik, noch in Unternehmen. Ich hätte es abgelehnt, nur wegen einer Quote ein Amt zu bekommen. Quoten sind eigentlich eine Form der Diskriminierung. Es ist falsch, solche Quoten gesetzlich vorzuschreiben.