Einkaufen ohne Terminvereinbarung und Test ist fast überall in Bayern wieder möglich. In Schwaben sind die Werte weiter hoch, die Einschränkungen gelten fort. Müssen die jetzt fallen, damit die Kunden nicht woanders einkaufen gehen?
Wolfgang Puff: In Schwaben sind es vor allem Günzburg und Memmingen, wo die Werte noch hoch sind. Aber klar ist doch längst: Der Einzelhandel ist kein Infektionstreiber. Es gibt keine Infektionsherde im Handel. Das zeigt sich schon daran, dass die Gesundheitsämter überhaupt nicht auf die von den Händlern erfassten Kontaktdaten zurückgreifen. Da muss man schon fragen, ob es Sinn macht, die weiter abzufragen. Unserer Ansicht nach nicht. Unsere Forderung an die Politik ist auch, die Zugangsbeschränkungen sofort runterzufahren. Ein Kunde pro zehn Quadratmeter Ladenfläche bei Geschäften bis 800 Quadratmeter und 20 Kunden bei allen Ladenflächen über dieser Größe. Das Einkaufen läuft deswegen weiterhin kontrolliert ab, ohne dass es zu Menschenaufläufen kommt.
Wie haben sich die Umsätze seit der Öffnung der Geschäfte nach dem Lockdown entwickelt?
Puff: Das ist derzeit noch schwierig in genaue Zahlen zu fassen, weil es ganz unterschiedlich ist, wann die Geschäfte wo wieder mit welchen Beschränkungen geöffnet waren. Was wir sicher sagen können ist, dass die Testpflicht weit über 90 Prozent an Frequenz und Umsatz gekostet hat. Die Menschen haben das Angebot einfach nicht angenommen. Wir haben darum auch von Anfang an dafür plädiert, die Testpflicht erst ab einer Inzidenz von 200 einzuführen.
Wie lange müssen wir beim Einkaufen noch Masken tragen?
Puff: Wir stehen auch weiter zur Maskenpflicht. Wir haben schon sehr früh, als alle noch die Stoffmasken trugen, dafür geworben. Kein Virologe kann zwar mit Bestimmtheit sagen, wie groß die Schutzwirkung ganz genau ist. Aber als Vorsichtsmaßnahme, bis wirklich weite Teile der Bevölkerung geimpft sind, wird sie uns sicher noch länger begleiten – über den Sommer oder auch darüber hinaus. Eine andere Frage ist die Maskenpflicht im öffentlichen Raum, also etwa in der Fußgängerzone. Das müssen die Kommunen entscheiden.
Rechnen Sie mit einer hohen Zahl an Insolvenzen im Handel?
Puff: Das muss man abwarten, das Jahr der Wahrheit dürfte erst 2022 werden. Es hängt einfach davon ab, wie die Geschäftsentwicklung ist, wie die Hilfen des Staates wirken, die kommen ja weiterhin zur Auszahlung, weil es da einiges an Verzögerung gab, und dann müssen wir einfach in den Winter reingehen und hoffen, dass nichts passiert, dass wir ein gutes Weihnachtsgeschäft haben. Sollte es aber noch einen Lockdown geben, wäre das eine Katastrophe.
Wie bekommt man die Leute wieder in die Innenstädte?
Puff: Die Leute kommen bereits wieder. Die Innenstädte werden noch nicht geflutet, aber die Menschen wollen nach draußen, sich treffen, miteinander ins Café gehen oder in die Stadt zum Shoppen. In einer Innenstadt, die eine gute Mischung hat, befruchten sich diese Bereiche untereinander. Aktuell läuft eine Umfrage unter unseren Mitgliedsunternehmen. Was wir schon sagen können ist, dass die Umsatzverluste sich deutlich reduzieren, in einer Bandbreite, die darauf hoffen lässt, dass es bald besser wird.
Wie können die Kommunen helfen?
Puff: Wichtig ist natürlich, dass sie ganz aktiv auf ihren Einzelhandel und ihre Innenstadt verweisen und dafür Werbung machen. Wir haben schon mehrfach angeregt, über Corona-Einkaufssonntage zu reden. Das ist eine juristisch komplexe Materie und wir haben in dieser Frage leider auch Gewerkschaften und Kirchen nicht auf unserer Seite. Dabei geht es hier doch um die Sicherung von Arbeitsplätzen. Erlaubt sind bislang anlassbezogen vier verkaufsoffene Sonntage im Jahr. Zu viel ist auch nicht gut, weil sich die Effekte dann aufheben. Aber ein oder zwei Sonntage, die helfen können die Einbußen aufzuholen, wären eine große Unterstützung.
Ist der Digitalisierungssprung im Handel ausgeblieben?
Puff: Viele Unternehmen haben die digitale Welt entdeckt und sind jetzt präsent auf sozialen Medien oder mit einer eigenen Homepage. Das ist ganz wichtig und wird auch bleiben. Man muss zeigen, dass man da ist und geöffnet hat. Einen eigenen Onlineshop zu eröffnen ist eine ganz andere Herausforderung. Das ist teuer und wenn Sie es professionell betreiben genauso personalintensiv wie ein stationäres Geschäft. Es gibt auch Fälle, in denen sich prominente Händler bewusst dagegen entscheiden, weil sie sagen, sie konzentrieren sich lieber auf ihr Kerngeschäft. Zum Teil haben Händler, die auf anderen Plattformen verkauft haben, in den vergangenen Monaten damit sogar Verluste gemacht. Retouren sind ein großes Problem, die Quote liegt manchmal bei über 60 Prozent. Auch Amazon subventioniert sein Einzelhandelsgeschäft mit den Erlösen aus dem Cloud-Computing quer. Aber klar: Es gilt probieren geht über studieren.
Wie fällt Ihre Bilanz der Zusammenarbeit mit der Politik aus?
Puff: Es war für uns nicht immer einfach, die Bundes- und die Landesebene in Einklang zu bringen. Die Finanzhilfen und die Verzögerungen, die es bei der Auszahlung gab, standen in keinem Verhältnis zur Dauer des Lockdowns und dem damit verbundenen Schaden. Insgesamt hätten wir uns noch mehr Austausch vor der Verhängung neuer Maßnahmen gewünscht. Dann hätte man sich viel Durcheinander ersparen können: Wer darf aufmachen, wer nicht? Warum darf der eine dies, der andere nicht? So restriktive Maßnahmen wie die Testpflicht hätte man verhindern können, wenn man unsere alternativen Vorschläge gehört hätte, etwa für eine anders definierte Zugangsbeschränkung. Es braucht etwas mehr Mut, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen.
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