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Interview: Gewerkschaftschef Feiger: "Der Bau kommt sehr gut durch die Krise"

Interview

Gewerkschaftschef Feiger: "Der Bau kommt sehr gut durch die Krise"

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    Die Bauwirtschaft ist in der Krise derzeit (wieder) eine Konjunktur-Lokomotive.
    Die Bauwirtschaft ist in der Krise derzeit (wieder) eine Konjunktur-Lokomotive. Foto: Robert Michael, dpa

    Herr Feiger, ist die Bauwirtschaft noch ein konjunkturelles Corona-Bollwerk oder bröckelt der Putz langsam ab, wie die Arbeitgeber in der derzeit laufenden Tarifrunde behaupten?

    Robert Feiger: Die Bauwirtschaft kommt sehr gut durch die Krise. Das trifft auf die Auftragslage, die Beschäftigungssituation und die Produktionsmöglichkeiten zu. Schon in vielen wirtschaftlichen Krisen erwies sich die Bauwirtschaft als Konjunktur-Lokomotive.

    Und fährt die Bau-Lokomotive weiter mit so viel Kraft?

    Feiger: Auch dieses Mal wird sie uns als Lokomotive durch die Krise führen. Da bin ich mir sicher. Die Bauwirtschaft hat während der Corona-Krise komplett durchgearbeitet und ist eine Stütze für Deutschland in schweren Zeiten. Unsere Leute haben tapfer und verantwortungsvoll, wie Bauarbeiter sind, in der Krise hart gearbeitet. Sie haben also großen Respekt verdient. Unsere Erwartungshaltung an die Arbeitgeber in der laufenden Tarifrunde ist es also, dass sie diese Leistungen der Beschäftigten entsprechend honorieren.

    Die Arbeitgeber warnen jedoch vor massiven Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Bauwirtschaft und verweisen auf einen Rückgang der Auftragseingänge im März um real 10,5 Prozent. Das spricht nicht für einen großen Schluck aus der Lohn-Pulle.

    Feiger: Hier geht es nicht um die Aufträge, der derzeit am Bau abgearbeitet werden. Diese wurden ja schon weit vor März erteilt. Dass im Startmonat der Pandemie, also im März, Aufträge nicht ausgeschrieben oder nur zum Teil vergeben wurden, ist nachvollziehbar. Dennoch befindet sich die Bauwirtschaft nach wie vor in einer hervorragenden Lage, schließlich wurden vor Corona reichlich lang laufende Aufträge etwa für den Bau von Brücken und Hochhäusern erteilt, die weiter Bestand haben. So schüren die Arbeitgeber aus meiner Sicht während der Tarifrunde Ängste vor der Zukunft. Doch dafür gibt es aktuell jedoch keine Anhaltspunkte.

    Dennoch wirkt Ihr Forderungspaket nach 6,8 Prozent mehr Lohn, 100 Euro zusätzlich für Auszubildende und einer finanziellen Erstattung der An- und Abfahrtswege zu den Baustellen nicht allzu bescheiden. Wollen Sie den Arbeitgebern gar keinen Corona-Rabatt gewähren?

    Feiger: Zu Beginn der Tarifverhandlungen sind wir den Arbeitgebern bereits entgegengekommen und haben ihnen einen Pandemie-Tarifvertrag mit einer relativ kurzen Laufzeit und Möglichkeiten der Beschäftigungssicherung angeboten. Das lehnten die Arbeitgeber aber erst einmal ab.

    IG-Bau-Chef Robert Feiger.
    IG-Bau-Chef Robert Feiger. Foto: Hannibal Hanschke, dpa (Archiv)

    Wenn Sie jetzt schon an Beschäftigungssicherung denken, kann es ja nicht ganz so gut um den Bau stehen, wie Sie das derzeit in der Tarifrunde versichern.

    Feiger: Die Beschäftigungslage der Bauwirtschaft ist im Vergleich zur Gesamtwirtschaft aktuell deutlich besser: Nur etwa zehn Prozent unserer Betriebe haben Kurzarbeit beantragt, was aber noch nicht heißt, dass diese Firmen auch wirklich Kurzarbeit einführen. Wenn es bei uns zu Kurzarbeit kommt, ist das meist das Resultat von Subunternehmen, die bestimmte Vorleistungen nicht erbracht haben. Doch die Perspektiven für unsere Branche sind gut, hat doch etwa Bundesbauminister Horst Seehofer versprochen, den Ausbau von Straßen und der digitalen Infrastruktur sowie den Wohnungsbau massiv anzuschieben. Diese Ankündigungen des Bayern freuen mich natürlich als Bayern. Das stärkt die Binnenkonjunktur.

    IG-Bau-Vorsitzender: Kein Corona-Rabatt

    All das scheint den Arbeitgebern nicht sonderlich zu imponieren. Sie versuchen, einen Corona-Rabatt rauszuholen.

    Feiger: Mit uns gibt es keinen finanziellen Corona-Rabatt in der Tarifrunde, bis auf die Bereitschaft zu einem kürzer laufenden Tarifvertrag. Schließlich haben unsere Bauarbeiter während der Krise täglich ihren Kopf und ihre Knochen hingehalten und durchproduziert. Das muss finanziell anerkannt werden. Wir sind auf alle Fälle gewillt, zügig zu einem Abschluss zu kommen. Das wünschen wir uns auch von der Arbeitgeberseite. Ich strebe jedenfalls keinen Streik in der Tarifrunde an und drohe auch nicht damit. Die Arbeitgeber sollten sich aber bewusst sein, dass 80 Prozent unserer Beschäftigten, wie Umfragen zeigen, unbedingt die An- und Abreise zu den Baustellen vergütet haben wollen.

    Und wie wäre es denn, wenn sie zumindest auf die für Arbeitgeber teure Forderung verzichten, Beschäftigten die An- und Abfahrt zur Baustelle entsprechend zu bezahlen.

    Feiger: Die Erstattung der An- und Abfahrt ist für uns ein sehr wichtiges Thema, denn mal müssen Beschäftigte 50, mal 100 Kilometer zu Baustellen anreisen, was sie nicht bezahlt bekommen. Dabei haben die Mitarbeiter meist keinen Einfluss darauf, wo ihr Arbeitsplatz am nächsten Tag ist und wie lange die Anreise dauert. Eine Entschädigung für die aufgewendete Zeit ist also mehr als berechtigt. Dabei fordern wir nicht, wie die Arbeitgeber das zum Teil suggeriert haben, dass die An- und Abfahrt auf die wöchentliche Arbeitszeit angerechnet wird. Es geht bei den Fahrten um eine fremdnützige Tätigkeit, die fair vergütet werden muss.

    Ihre Gewerkschaft ist als IG Bauen-Agrar-Umwelt auch für in Corona-Zeiten heiß begehrte Erntehelfer zuständig. Sind die oft aus Mittel- und Osteuropa kommenden Frauen und Männer ausreichend in der Pandemie-Situation geschützt?

    Feiger: Bei den Erntehelfern liegt einiges im Argen, ob sie Spargel oder Erdbeeren ernten. Wir als Gewerkschaft wollen die Landwirtschaft nicht in der Arbeit behindern. Wir fordern aber ein, dass diese Beschäftigten zu Hygiene- und Arbeitsbedingungen bei uns tätig sind, wie sie Standard in Deutschland sind. Doch das ist leider immer wieder nicht der Fall.

    Feiger: Transport von Erntehelfern verantwortungslos in Corona-Zeiten

    Welche Vorwürfe erheben Sie hier konkret?

    Feiger: Erntehelfer werden zu sechst in zu kleinen Zimmern untergebracht und müssen in Kleinbussen, eng aufeinandersitzend, zu den Feldern anreisen. Das ist verantwortungslos in Corona-Zeiten. Und uns sind Fälle bekannt geworden, in denen Unternehmen die Flugkosten vom ohnehin geringen Mindestlohn einbehalten haben. Da kann ich nur den Kopf schütteln. Nicht nur in den Schlachthöfen, auch bei den Erntehelfern ist die Welt nicht in Ordnung.

    Was muss die Politik tun?

    Feiger: Die Verantwortlichen müssen für intensivere Kontrollen der Unterbringungs- und Arbeitsbedingungen für Erntehelfer sorgen. Und wir fordern die Landwirte auf, ihrer Verantwortung gerecht zu werden.

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