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Interview: Bauindustrie-Präsident Hübner: „Der Bauboom geht ins elfte Jahr“

Interview

Bauindustrie-Präsident Hübner: „Der Bauboom geht ins elfte Jahr“

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    Peter Hübner kann erklären, warum Bauen so teuer und weshalb der Berliner Flughafen ein Desaster ist.
    Peter Hübner kann erklären, warum Bauen so teuer und weshalb der Berliner Flughafen ein Desaster ist. Foto: Jörg Carstensen, dpa

    Herr Hübner, geht der Bauboom nach zehn fetten Jahren zu Ende?

    Peter Hübner: Der Bauboom geht nicht zu Ende. Natürlich wird es die Steigerungsraten der vergangenen Jahre nicht mehr geben. Der Zenit des Baubooms ist noch nicht erreicht oder überschritten. Wir blicken nach einem extrem erfolgreichen Jahr 2019 mit großem Optimismus auf 2020. Der Bauboom geht also ins elfte Jahr. 2019 hat unsere Branche in Deutschland mehrere Rekorde gebrochen. So gehen wir mit gut gefüllten Auftragsbüchern in das neue Jahr. Der Auftragsbestand befindet sich auf Rekordniveau. Er ist bei weitem höher als während des Wiedervereinigungsbooms. Wir rechnen mit zwei weiteren guten Jahren für den Bau.

    Wird die Bauwirtschaft durch den Facharbeitermangel gebremst?

    Hübner: Anders als im Handwerk ist das in der Bauwirtschaft noch nicht der Fall. Wir haben es geschafft, die Zahl der Auszubildenden deutlich zu erhöhen. Wir bekommen genug Lehrlinge. Wir haben verstanden, dass das ständige Jammern, das Bauunternehmer gut beherrschen, uns nicht weiterbringt.

    Wird die deutsche Bauindustrie die Zahl der derzeit 857.000 Beschäftigten weiter erhöhen?

    Hübner: Wir werden auch in 2020 definitiv mehr Arbeitsplätze schaffen. Das funktioniert maßgeblich nur über verstärkte Ausbildung. Der Aufbau erfolgt moderat und nicht in großen Schritten wie während des Wiedervereinigungsbooms, nach dessen Ende wir hunderttausende Arbeitsplätze schmerzlich abbauen mussten. So etwas darf sich nicht mehr wiederholen.

    Gelingt es auch, Migranten stärker in die Bauwirtschaft zu integrieren?

    Hübner: Ja. Das ist längst mehr als ein zartes Pflänzchen. Die Integration läuft am Bau nur, wenn die Flüchtlinge über Deutschkenntnisse verfügen. Am Bau musst du einfach Deutsch können. Doch wir verzeichnen tolle Erfolge bei der Integration von Flüchtlingen. In unseren Ausbildungsklassen lernen Migranten schon innerhalb eines halben Jahres, vernünftig Deutsch zu sprechen. Inzwischen gibt es die ersten Gesellen unter den Flüchtlingen.

    Warum ist Bauen in Ballungsgebieten wie München so extrem teuer?

    Hübner: Was Bauen in den Ballungsräumen vor allem so teuer macht, sind die extrem gestiegenen Grundstückspreise. Dieser Kostenblock belastet von vorneherein den Quadratmeterpreis für eine Wohnung. Preissteigernd wirken sich zudem all die Auflagen aus, also wenn die Wohnungen barrierefrei sein müssen, das Haus einen Aufzug haben muss. Natürlich treibt auch die Energieeinsparverordnung die Kosten in die Höhe. Unser Dämmwahn macht das Bauen wie auch die hochelektronische Ausrüstung von Gebäuden teuer. Hinzu kommen die je nach Bundesland unterschiedlichen Baugesetze.

    Viele junge Familien können sich in Städten kaum noch Wohneigentum leisten. Wie kann die Politik der Preisexplosion entgegenwirken?

    Hübner: Die gesetzlichen Vorgaben sollten entschlackt werden. Müssen wirklich alle neuen Wohnungen und Häuser barrierefrei gebaut werden? Bauen wird noch teurer werden, wenn wir im Zuge von mehr Klimaschutz von Öl- und Gasheizungen Abstand nehmen müssen.

    Wie durchbricht man am effektivsten die Preisspirale nach oben?

    Hübner: Indem die Kommunen uns günstiges Bauland zur Verfügung stellen. Doch oft verkaufen sie Industriebrachen teuer an Projektentwickler, um ihre kommunalen Betriebe zu sanieren. Im Nachhinein beschweren sich dann genau diese Kommunen, dass nur noch Luxuswohnungen gebaut werden. Man kann wirklich auch in Ballungsräumen preiswerter bauen. Es geht hier auch für rund 2000 Euro pro Quadratmeter.

    Auch im Straßen- und Tiefbau sind enorme Kostensteigerungen zu verzeichnen. Woran liegt das?

    Hübner: Einer der Kostentreiber ist die Entsorgung, ein Block, der bei jedem großen Infrastrukturprojekt rund 20 Prozent der Kosten ausmacht. Etwa im Stuttgarter Raum, also bei Bauprojekten wie Stuttgart 21, haben wir es mit Böden zu tun, die geogen belastet sind.

    Was ist das denn?

    Hübner: Solche Bodenmassen müssen kostentreibend auf einer zertifizierten Deponie entsorgt werden. Geogen heißt, dass die Böden allein durch ihre Erdentstehungsgeschichte belastet sind, ohne dass ein Mensch eingegriffen hat. Das Material überschreitet irgendeinen Grenzwert. So entstehen die großen Halden links und rechts der A8 Richtung Stuttgart. Das Material muss weite Wege zurücklegen, ehe es entsorgt werden kann.

    Warum schafft es die Politik trotz aller Beteuerungen nicht, Bauen endlich günstiger zu machen?

    Hübner: Mein Eindruck ist, dass die für das Bauen zuständigen Ministerien untereinander zu wenig vernetzt sind. Das Haus von Bauminister Seehofer will natürlich, dass günstiger gebaut wird. Doch dann sträubt sich das Umweltministerium gegen Vereinfachungen, die das Bauen günstiger machen würden.

    Können Sie ein Beispiel nennen?

    Hübner: Wenn teerhaltiger Asphalt, der krebserregend ist, ausgebaut werden muss, fahren wir in Deutschland rund 80 Prozent des Materials in die Niederlande. Dort wird der teerhaltige Asphalt für 45 Euro pro Tonne verbrannt. Früher wurde das Material in Deutschland mit Zement umhüllt, sodass es völlig unschädlich ist. Es konnte wieder im Straßenbau eingesetzt werden, da der teerhaltige Asphalt so die Umwelt nicht schädigen konnte.

    Preissteigernd wirken auch die umfangreichen Beteiligungsrechte.

    Hübner: Uns fehlt hier die Möglichkeit eines Schlussstrichs: Heute können auch nach zwei Jahren, wenn die Planungsphase abgeschlossen ist, Umwelteinwände vorgetragen werden. Das zieht Bauprojekte enorm in die Länge. Jetzt versucht der Gesetzgeber, einen Punkt zu definieren, ab dem keine Einsprüche mehr möglich sind. Das wäre ein eminent wichtiger Schritt, um Bauen günstiger zu machen. So könnten wir uns gerade bei Infrastrukturprojekten Jahre an Verzögerungen ersparen.

    Das erklärt noch nicht das Desaster des Berliner Flughafens. Was sind die Gründe für die Verspätungsorgie?

    Hübner (lacht): Das ist natürlich eine gemeine Frage. Hier liegt ein besonderes Problem vor: Zunächst wollte man einen Generalunternehmer für das gesamte Projekt beauftragen, dann reichten die Budgets hierfür nicht aus. So wurden einzelne Gewerke gesondert vergeben und geplant. Dies macht im Hochbau kein Projektentwickler, der ein mehrgeschossiges Haus bauen will. Da kann man nur scheitern. Zu allem Überfluss hat die Politik noch permanent Einfluss auf das Projekt genommen und Änderungswünsche angemeldet. So wurde der Flughafen an die Wand gefahren. Es lag also bei weitem nicht nur an den mangelnden Brandschutzanlagen. Ich hoffe, dass man aus dem Fall gelernt hat. Der Berliner Flughafen ist einfach der Horror.

    Was kann man denn aus dem Fall lernen?

    Hübner: Dass ein Bauherr, anders als dies in Berlin der Fall war, eigene Baukompetenz braucht. Am Frankfurter oder Münchner Flughafen laufen solche Erweiterungsprojekte besser, weil die Airports über hoch qualifizierte Bauabteilungen verfügen. In Berlin sollte das nur mit eingekauftem Personal funktionieren, im Glauben, diese Kräfte würden die Baukompetenz ausüben. Hinzu kam der nur politisch besetzte Aufsichtsrat. So funktioniert das nicht. Bauherren brauchen eben Baukompetenz. Aber es rächt sich überall in Deutschland, dass man in den vergangenen Jahren in Bauplanungsämtern Stellen abgebaut hat.

    Ist dieser Personalmangel der Hauptgrund dafür, dass genehmigte Mittel nicht verbaut werden können?

    Hübner: Ja, der Mangel an Fachkräften in den Bauämtern macht uns zu schaffen. Hinzu kommt das komplizierte Verfahren, bei Bauprojekten jeden Teil einzeln auszuschreiben, statt mit Unternehmen pauschale Verträge zu schließen. Um es ironisch zusagen: Man muss nicht jede Fliese einzeln ausschreiben, wenn man ein Bad haben will. Das haben leider viele Bauverwaltungen nicht verstanden, sonst könnten sie auch mit reduzierter Mannschaft mehr Bauvolumen an den Markt bringen. Wenn wir der Bauwirtschaft aber mehr Freiheit geben und Bürokratie abbauen, wird Bauen wieder billiger.

    Lesen Sie dazu auch: Bauindustrie kündigt neue Arbeitsplätze dank anhaltendem Boom an

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