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Interview: BMW-Chef Oliver Zipse: "Wir erhöhen deutlich die Elektro-Schlagzahl"

Interview

BMW-Chef Oliver Zipse: "Wir erhöhen deutlich die Elektro-Schlagzahl"

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    Oliver Zipse, Vorstandsvorsitzender der BMW AG.
    Oliver Zipse, Vorstandsvorsitzender der BMW AG. Foto: Matthias Balk, dpa

    Herr Zipse, Sie waren als junger Mann in Japan und sind mit einer Japanerin verheiratet. Was können wir von den Menschen des Landes lernen?

    Oliver Zipse: In Japan denkt man Dinge gerne zu Ende und bindet möglichst viele Menschen ein. Damit braucht man zwar etwas länger, um zu einer Entscheidung zu kommen. Doch dann werden Beschlüsse konsequent und schnell umgesetzt. Daraus habe ich gelernt, dass man als Führungskraft gut beraten ist, nicht einfach von oben nach unten durchzuregieren, sondern über die Einbindung der Mitarbeiter alle Aspekte zu berücksichtigen, um dann anschließend rasch zur Umsetzung zu kommen. Damit ist man robust aufgestellt. Die Japaner bezeichnen diese unaufgeregte Methode als das "Schneiden von Rosenwurzeln", Nemawashi.

    Der Manager wird also zum Gärtner.

    Zipse: Im Management kommt es darauf an, Positionen anderer zu verstehen und in den Entscheidungsprozess einzubeziehen. Diese Einsicht hat mich geprägt, wie auch die japanischen Prinzipien des Vermeidens von Verschwendung und der ständigen Verbesserung von Prozessen. Mich beeindruckt zudem die grundlegende japanische Erkenntnis, dass es niemals einen Zustand gibt, der fertig ist.

    Wir halten es dann deutsche Manager mit Werten?

    Zipse: In unserem Kulturkreis orientieren wir uns eher an Idealen. Wenn man Ideale mit dem japanischen Prinzip der permanenten Verbesserung verbindet, kann Großartiges entstehen. Wenn wir bildlich im Garten bleiben, dann ist ein Auto so etwas wie ein Blumenstrauß: Ein gelungener Strauß ist am Ende viel mehr als die Summe einzelner Blumen und Gräser. Die Pflanzen müssen gedüngt werden und wachsen, richtig geschnitten und am Ende sehr individuell zu einem Strauß zusammengefügt werden. Die Parallele zum Fahrzeug: Die einzelnen Komponenten können viele herstellen – aber erst das richtige Zusammenspiel, beim Auto nennen wir das Systemintegration, schafft ein einzigartiges Produkt. Das ist große Kunst.

    Apropos Rosen, Ideale und Moral: Weshalb ist BMW im Gegensatz zu VW, Audi und Daimler unfall-, also skandalfrei durch die Diesel-Krise gefahren, während die Konkurrenten in den Betrugsabgrund gerast sind?

    Zipse: Weil bei uns die nicht diskutierbare Grundüberzeugung vorherrscht, dass Sachverhalte nicht verfälscht werden dürfen. Ein gezieltes Vorgehen zur unzulässigen Manipulation von Abgasemissionen ist für uns nicht akzeptabel und wir haben uns schon vor über zehn Jahren dazu bekannt, unser Prinzip der "Freude am Fahren" eng mit dem Prinzip der Nachhaltigkeit zu verbinden. Wir nennen das noch heute "Efficient Dynamics".

    Was heißt das konkret?

    Zipse: Wir haben den Anspruch, bei gleicher Leistung immer den effizientesten Antrieb mit den geringsten Emissionen anzubieten. Deshalb setzen wir zum Beispiel schon seit Jahren auch beim Diesel auf modernste Technologien zur Emissionsreduzierung, die eine Menge Geld kosten – uns aber einen Wettbewerbsvorteil bringen: Unsere Dieselflotte stößt im Durchschnitt weniger Stickoxid aus als der Wettbewerb. Damit haben wir eine Marke in der Industrie gesetzt, weil wir eine aufwendigere und bessere Technik eingesetzt haben.

    Aber lag es nur an der teuren Technik, dass BMW das Schicksal als Diesel-Sünder erspart blieb? Welche Rolle spielte die Unternehmenskultur?

    Zipse: Dank der gelebten BMW-Kultur mit einer offenen Auseinandersetzung halte ich es für nahezu ausgeschlossen, heimlich, gezielt und bewusst Abgaswerte zu manipulieren.

    Wirklich?

    Zipse: Bei uns herrscht ein enger Austausch, um zu den besten Lösungen zu kommen. Es wäre nach meiner Einschätzung nicht möglich gewesen, vorsätzlich so etwas zu tun. Zu unseren Werten gehört auch Pflichtbewusstsein. Wir wollen stets die beste technische Lösung. Und um die beste technische Lösung wird bei uns eben auch leidenschaftlich gerungen. Unser Ansatz ist sozusagen ein bisschen japanisch, weil wir solche Diskussionen zulassen. Wir binden alle Beteiligten ein, das kann auch anstrengend sein. Aber es lohnt sich: Denn wir geben uns nicht aus Bequemlichkeit mit vermeintlich einfachen Lösungen zufrieden.

    Dürfen bei BMW Ingenieure dem Vorstandsvorsitzenden widersprechen?

    Zipse: Natürlich. Sie dürfen mir nicht nur widersprechen, sie sollen mir sogar mit guten Argumenten widersprechen. Ich fordere das offen ein. Da wäre Hierarchiedenken völlig fehl am Platze. Alle Argumente müssen auf den Tisch, um die beste Entscheidung fällen zu können. Am Ende muss natürlich auch entschieden werden – diesen Zeitpunkt darf man nicht verpassen.

    Sie haben sich jetzt entschieden, zumindest in die Filmbranche hinein zu schnuppern und treten neben dem deutsch-österreichischen Oskar-Preisträger Christoph Waltz in einem BWW-Spot für das neue Elektroauto iX auf. Was war das für eine Erfahrung für Sie?

    Zipse: Ich habe mich auf Anhieb mit Christoph Waltz sehr gut verstanden. Und er versteht übrigens auch, wie komplex unsere Industrie ist. Das ist ähnlich wie in der Filmindustrie. Die Haupterfahrung für mich war jedoch, wie lange es dauern kann, um eine fünfminütige Film-Sequenz aufzunehmen. Das können mehrere Stunden sein, bis die Aufnahme fertig ist. Christoph Waltz hatte mich schon vorgewarnt. Der Vorteil war: Wir beide hatten dadurch mehr Zeit für den gemeinsamen Austausch.

    Sie befinden Sich mitten in einem Film mit Überlänge, nämlich der Eroberung der Elektro-Mobilität. Sie selbst bezeichnen sich, was E-Autos betrifft, als "Überzeugungstäter". Wie geht es bei BMW hinter den Kulissen bei dem Film zu? Wie führen Sie Regie?

    Zipse: Die Regie führt der BMW-Vorstand, indem wir die Ausrichtung vorgeben und Ziele vereinbaren. In puncto Nachhaltigkeit ist die Basis das Pariser Klimaabkommen für 2050. Nun ist das ein sehr langer Zeitraum, keiner der heute Handelnden wird da noch im Amt sein. Die ersten Schritte müssen aber jetzt erfolgen. Schritt für Schritt. Deshalb haben wir uns bei BMW ganz konkrete Klimaziele schon bis 2030 gesetzt. Dann sind nämlich die Autos, die wir heute entwickeln, noch auf der Straße. Klimaschutz ist jetzt relevant und nicht erst übermorgen. Wir wollen unserer unternehmerischen Verantwortung für das Klima damit gerecht werden und haben dafür ja schon 2013 mit dem Elektroauto i3 einen Grundstein gelegt. Dieses Auto steht bei uns für langfristiges Denken.

    Bauen Sie den i3 weiter? Es kommen ja jetzt viele neue Elektroautos aus Ihrem Hause auf den Markt?

    Zipse: Richtig, 2023 werden wir bereits 25 elektrifizierte Modelle auf der Straße haben – die Hälfte davon vollelektrisch wie etwa den 7er, den 5er oder den X1 und den BMW iX sowie den i4. Auch MINI fährt bereits elektrisch. Der i3 ist und bleibt der Pionier für diese Offensive und wird jetzt im achten Jahr produziert. Solange ist bei uns noch nie ein Auto gelaufen. Und der i3 verkauft sich immer besser, auch wenn es in diesem Jahr Corona-bedingt natürlich leichte Einbußen gegenüber 2019 gab. Der i3 ist ein kompaktes Auto, das trotzdem viel Platz bietet – ideal für die Großstadt und sehr sparsam im Verbrauch: Bis heute ist der i3 eines der Elektroautos, die am wenigsten Strom auf 100 Kilometer benötigen.

    Bauen Sie den i3 also noch weiter? Er hat ja anfänglich nicht die Erwartungen erfüllt.

    Zipse: Der i3 ist noch nicht am Ende seines Lebenszyklus angekommen. Er wird uns noch weiter begleiten, solange die Kunden Interesse zeigen. Wir bauen ihn also weiter. Die Autoindustrie ist zwar staatlich reguliert, etwa die CO2-Emissionen unserer Fahrzeuge. Aber sie ist marktwirtschaftlich organisiert. Wir hängen also maßgeblich vom Kaufverhalten der Kunden ab. Doch jeder Kunde, der sich nun ein Auto mit modernster Technologie kauft, leistet einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz, selbst dann, wenn es kein Elektroauto ist.

    Klimaschutz und Diesel oder Benziner – wie passt das denn zusammen?

    Zipse: Wer sein altes Auto, das zehn bis 15 Jahre alt ist, gegen eine neues austauscht, leistet einen Beitrag zum Klimaschutz. Denn die Technologien in allen Antriebsformen sind so viel besser und umweltfreundlicher geworden. In jedem BMW steckt ein Klimaschutzbeitrag. Bei unserem neuen 1er haben wir etwa den CO2 Ausstoß um bis zu 15 Prozent senken können. Moderne Dieselantriebe stoßen dank Filtertechnologie so gut wie gar keinen Feinstaub mehr aus. Und bei Stickoxiden werden die Grenzwerte auch im Realbetrieb deutlich unterschritten. Hier schneiden moderne Diesel um mehr als den Faktor 50 besser als zehn Jahre alte Fahrzeuge ab.

    Dennoch wäre es für das Klima besser Elektroautos zu fahren, wenn sie mit Öko-Energie geladen werden.

    Zipse: Sicher, aber viele Menschen weltweit haben noch gar keinen Zugang zu Ladesäulen für Elektroautos. In diesem Fall können sie auch mit modernen Diesel- und Benzinautos einen Beitrag zum Klimaschutz leisten.

    Wie passen dann zum Teil riesige SUVs zu Ihren Klimaschutz-Versprechen?

    Zipse: Weil die meisten Menschen in Europa nur ein Auto besitzen, muss dieses Auto alles vereinen: Mit ihm geht es in den Urlaub, werden Transporte erledigt, ein Umzug durchgeführt und Kinder gefahren. Gleichzeitig soll das Auto dem Fahrer Freude bringen. Deswegen sind SUVs so begehrt. Diese Autos sind einfach sehr praktisch. Es geht nicht darum, mit diesen SUVs im Gelände zu fahren. Unsere Aufgabe ist es nun, für das Bedürfnis der Kunden nach einem Auto für alle Lebenslagen eine nachhaltige und umweltfreundliche Antwort zu geben, vom Mini bis hinauf zur Oberklasse.

    Sind dann in 20 Jahren die meisten Autofahrer mit riesigen Elektro-SUVs unterwegs?

    Zipse: Das wird sicherlich so nicht passieren. Richtig ist: Die Nachfrage nach Cabrios und Roadstern schrumpft seit Jahren. Dennoch schwören nach wie vor viele auf diese Autos. Unsere 3er- und 5er-Limousinen oder die Coupés der 4er- Baureihe sind sehr begehrt und bleiben der Kern der Marke.

    Doch ein Coupé, ja auch ein 3er-BMW ist doch viel schöner als ein SUV.

    Zipse: Beauty is in the eye of the beholder.

    Schönheit liegt also im Auge des Betrachters. Wirklich?

    Zipse: Ein BMW muss in jeder Klasse ästhetisch sein. Aber eines ist klar: Die flachen Fahrzeugkonzepte sind das Herz von BMW, auch wenn heute in der Summe fast die Hälfte unseres Absatzes SUVs sind. Dieses Herz wird nie verloren gehen. Unser künftiges Elektro-Auto i4 wird daher auch ein flaches Auto, ein wunderschönes Gran Coupé. BMW wird also kein reiner Hersteller von SUVs. Versprochen!

    Und was setzen Sie dem US-Herausforderer Tesla entgegen, der die deutschen Premiumanbieter gerne elektrisch links überholen möchte? Sind die heimischen Hersteller hier in die Defensive geraten?

    Zipse: Schauen wir nüchtern auf die Zahlen der ersten elf Monate dieses Jahres in Deutschland: Demnach haben 11,9 Prozent aller verkauften Fahrzeuge einen Stecker, sind also rein elektrische Fahrzeuge oder Plug-in-Hybride. Und von diesen 11,9 Prozent stammen 0,5 Prozentpunkte von Tesla. BMW liegt hier bei 1,1 Prozentpunkten – also mehr als doppelt so hoch. Und in Europa sieht es nicht viel anders aus.

    Hätten dennoch die deutschen Hersteller viel früher und entschiedener auf E-Autos setzen müssen?

    Zipse: Wir wissen schon seit vielen Jahren, dass es erst in diesem Jahr mit der Elektromobilität richtig losgeht. Das ist eine Folge der erst in diesem Jahr einsetzenden nächsten Stufe der EU-Flottengesetzgebung. Deswegen kommen jetzt die entsprechenden Fahrzeuge auf den Markt. Kein Hersteller kann es sich leisten, Autos in den Markt zu bringen, die zu Ladenhütern werden. Wir sind nicht zu spät dran mit E-Autos, wir starten genau zum richtigen Zeitpunkt durch. BMW hat also den Elektro-Trend keineswegs verschlafen, sondern wir haben unsere Werke so umgebaut, dass dort – je nach Kundennachfrage –auch Elektroautos gebaut werden können. Deswegen werden wir bereits 2022 in allen vier deutschen Automobilwerken reine Elektroautos fertigen. Sie sehen: Unser Umbau ist bereits bald abgeschlossen.

    Wie schätzen Sie die Tesla-Konkurrenz ein?

    Zipse: Tesla verzeichnet, von einem niedrigen Niveau aus kommend, große Steigerungsraten und gewinnt Marktanteile. Das ist eine beeindruckende unternehmerische Leistung. Gleichzeitig baut Tesla-Chef Elon Musk eine Autofabrik in Deutschland, weil er gerade hier von der Stärke und Kompetenz unseres Automobil-Standortes profitieren will. Autos sind extrem komplexe Produkte. Dazu braucht man hoch qualifizierte Mitarbeiter, die er hierzulande findet. Wir vergessen in Deutschland oft, wie erfolgreich wir als Autobauer sind: Im Premiumsegment haben die deutschen Hersteller einen Weltmarktanteil von rund 80 Prozent. Diese Führungsposition wollen wir verteidigen.

    Doch können die deutschen Premium-Hersteller die starke Stellung auch im Elektro-Zeitalter gegen immer besser werdende Konkurrenten verteidigen?

    Zipse: Wir erhöhen jetzt noch einmal deutlich die Elektro-Schlagzahl: In den Jahren 2021 bis 2023 werden wir zusätzlich eine viertel Million mehr Elektro-Autos bauen als ursprünglich geplant. Dabei waren unsere bisherigen Planungen alles andere als konservativ. Wir hatten bereits ambitionierte Wachstumspläne und wollten unsere Marktposition weiter ausbauen. Jetzt werden wir unseren Anteil elektrifizierter Fahrzeuge am Absatz sogar mehr als verdoppeln – von etwa acht Prozent in diesem Jahr auf rund 20 Prozent in 2023.

    Die E-Mobilität fordert auch sprachliches Umdenken. Wie heißt die Motorhaube eines Strom-Autos?

    Zipse: Fronthaube. Und die kann man nicht mehr öffnen, denn darunter befinden sich Hochvolt-Systeme. Und mit denen sollen unsere Kunden nicht direkt in Berührung kommen. Das wäre zu gefährlich. Deswegen kann man etwa beim BMW iX das Wischwasser durch einen Stutzen von außen unter dem BMW-Logo einfüllen.

    Werden Ihre ehrgeizigen Elektro-Pläne durch den zu langsamen Ausbau der Lade-Infrastruktur ausgebremst?

    Zipse: Sie sprechen da eine ganz zentrale Herausforderung an. Nur ein Beispiel: In Deutschland sollen 2030 rund sieben bis zehn Millionen elektrifizierte Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs sein. Weil jedes Auto geladen werden muss, bräuchte man insgesamt etwa acht bis elf Millionen Ladepunkte – davon eine Million öffentliche. Für diese Größenordnung müsste man ab heute jede Woche 15.000 private und etwa 1300 öffentliche Ladepunkte in Betrieb nehmen. Davon sind wir leider weit entfernt. Meine größte Sorge ist also in der Tat, dass unsere Elektroauto-Offensive durch den mangelnden Ausbau der Ladeinfrastruktur gebremst wird. Deshalb muss die nächste große Gemeinschaftsaktion in Europa darin bestehen, die Ladeinfrastruktur auszubauen.

    Doch noch lange steht Corona im Mittelpunkt der europäischen Politik. Wie wirkt sich die Krise auf BMW aus? Macht dem Unternehmen der zweite Lockdown zu schaffen?

    Zipse: Zunächst einmal macht mich die hohe Zahl an Toten sehr betroffen. Und ich hoffe sehr, dass sich die Situation mit der Verfügbarkeit von Impfstoffen wieder etwas entspannt. Wir werden aber weiter mit dem Virus leben müssen und bei BMW haben wir in den vergangenen neun Monaten Wege gefunden, wie wir als Unternehmen mit der Pandemie umgehen. Wir verzeichnen nahezu keine Ansteckungen in unseren Betrieben und Büros. Wo es möglich ist, gehen Mitarbeiter ins Homeoffice. Gleichzeitig hat BMW niemals ganz stillgestanden. Wir haben das Unternehmen nie komplett runtergefahren, selbst nicht während des ersten Lockdowns. Die Entwicklung lief weiter und wir haben auch Komponenten für China gefertigt, ging es dort mit der Produktion doch schon wieder aufwärts.

    Wie halten Sie es mit dem Homeoffice?

    Zipse: Die Mitarbeiter, die keinen fest zugewiesenen Arbeitsplatz wie etwa in der Produktion haben, können bei uns auch mobil arbeiten. Bei uns gibt es sehr viele individuelle Lösungen. Von den IT-Kapazitäten her könnten mehr als 70.000 Mitarbeiter gleichzeitig im Homeoffice arbeiten. Deshalb braucht es dazu auch keinen gesetzlichen Anspruch. Wenn die Schulen geschlossen sind, müssen sie natürlich Mitarbeitern die Möglichkeit geben, im Homeoffice zu arbeiten. Wer aber allein lebt oder keinen geeigneten Arbeitsplatz zu Hause hat und lieber ins Büro kommt, soll das auch tun können.

    Wo liegen die Tücken des Homeoffice?

    Zipse: Bei vielen Formen von innovativer und kreativer Arbeit zeigen sich irgendwann die Grenzen des Homeoffice. Das merkt ein Unternehmen nicht sofort, aber in zwei bis drei Jahren, wenn es der Firma an Innovationskraft fehlt. Für reine administrative Aufgaben und auch Teammeetings funktioniert Homeoffice natürlich. Bei kreativen Arbeiten, wo Menschen gemeinsam diskutieren und spontan sein müssen, funktioniert Homeoffice nicht dauerhaft wirklich gut. Und in diesem Zusammenhang habe ich auch eine klare Haltung zur Rolle des Managements.

    Und die wäre?

    Zipse: Das Hauptthema für Manager ist es, Konflikte zu lösen, die etwa zwischen dem Anspruch von Kunden und Kostenzwängen oder zwischen politischen Ansprüchen und Geschäftsmodellen bestehen. Und natürlich müssen auch andere Zielkonflikte in einer Firma gelöst werden. So etwas funktioniert virtuell nur begrenzt. Mein engstes Team und ich wollen deswegen auch direkt ansprechbar sein. Um das gewährleisten zu können, halten wir uns sehr konsequent an die Regeln zum Infektionsschutz.

    Fühlen Sie sich in Corona-Zeiten politisch gut aufgehoben?

    Zipse: Die Zusammenarbeit der Politik mit allen Bereichen der Gesellschaft funktioniert sehr gut. Ich hatte noch nie so viel Kontakt zu politischen Amtsträgern wie in dieser Zeit. Das ist ein sehr konstruktives Miteinander. Alle sind überzeugt: Wir müssen das gemeinsam schaffen. Politik und Wirtschaft sind enger zusammengerückt. Und das ist gut so.

    Wie hat BMW das Krisen-Jahr 2020 bewältigt?

    Zipse: Nach vorübergehend roten Zahlen im zweiten Quartal sind wir nun wieder im positiven Bereich. Unser Geschäftsmodell hat sogar in der Krise funktioniert. Natürlich mussten auch wir die Effizienz steigern und haben die Zahl der Mitarbeiter leicht angepasst. So sind in den ersten neun Monaten rund 2000 von insgesamt 126.000 Arbeitsplätzen über natürliche Fluktuation, also etwa über das altersbedingte Ausscheiden von Mitarbeitern oder Abfindungen weggefallen. Da haben wir mit Augenmaß und einvernehmlich mit der Arbeitnehmervertretung gehandelt.

    Halten Sie an der hohen Zahl der Ausbildungsplätze fest?

    Zipse: Ja, wir haben auch dieses Jahr rund 1200 Auszubildende eingestellt und werden das auch nächstes Jahr tun. An der Zukunftsfähigkeit von BMW wird nicht gerüttelt. Wir haben bei BMW eine sehr niedrige Fluktuation. Wer bei uns anfängt, bleibt oft sein ganzes Arbeitsleben.

    Manche BMW-Fans sind, wie ihre Kommentare in sozialen Medien zeigen, entsetzt über die riesige BMW-Niere, welche die Front von neuen Modellen ziert. Was ist von der neuen Münchner Üppigkeit zu halten?

    Zipse (lacht): Die BMW-Geschichte zeigt, dass unsere Niere sich immer weiterentwickelt hat. In den 50er-Jahren zum Beispiel war sie sehr senkrecht. Dann wurde sie wieder kleiner und flacher. Es ist gut, dass unsere Nieren in Bewegung sind. Denn die Niere ist ein Symbol von BMW. Wir freuen uns, wenn über die BMW-Nieren geschrieben wird. Das Schlimmste wäre doch, wenn keiner merkt, dass sich bei BMW etwas tut. Die neue Niere ist ein Hingucker, an den man sich gewöhnen muss, geht es hier doch auch um die Designsprache von BMW in der Zukunft. Wir bekommen für diese neue Designsprache übrigens viel Zuspruch.

    Zur Person: Oliver Zipse , 56, ist seit 2019  Vorstandsvorsitzender der BMW AG.

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