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Interview: Andreas Scherer: "Die Zeitung bleibt eine Erfolgsstory"

Interview

Andreas Scherer: "Die Zeitung bleibt eine Erfolgsstory"

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    Andreas Scherer ist erster Vorsitzender des Verbandes Bayerischer Zeitungsverleger.
    Andreas Scherer ist erster Vorsitzender des Verbandes Bayerischer Zeitungsverleger. Foto: Marcus Merk

    Die Zeitungsbranche befindet sich im Umbruch. Informationen werden zunehmend online und mobil über Smartphones nachgefragt. Heute kommen Spitzenvertreter der Branche zur Jahrestagung des Verbandes Bayerischer Zeitungsverleger (VBZV) in Augsburg zusammen. Über die Zukunft des Wirtschaftszweigs sprachen wir mit Andreas Scherer, dem ersten Vorsitzenden des VBZV. Scherer ist Vorsitzender der Geschäftsführung der Mediengruppe Pressedruck, in der auch die Augsburger Allgemeine erscheint. Der Unternehmer tritt für zwei weitere Jahre zur Wahl als VBZV-Chef an.

    Herr Scherer, wie starten Sie medial in den Tag?

    Scherer: Mein Tag im Büro fängt mit der Lektüre von Printprodukten an. Natürlich greife ich zunächst zur Augsburger Allgemeinen. Dann folgen die anderen mit unserer Mediengruppe verbundenen Zeitungen wie Mainpost, Südkurier und Nordkurier. Und schließlich schaue ich auch die Münchner Zeitungen und überregionale Blätter an.

    Der Tag beginnt mit Papier. Und wann gehen Sie online?

    Scherer: Wenn ich unterwegs bin, ist unser e-Paper meine erste Wahl. Im Büro klicke ich mich mittags durch die  Online-Dienste durch.  Neben unserem eigenen Auftritt augsburger-allgemeine.de gehören auch Angebote wie Spiegel Online dazu. Natürlich ist auch unsere FCA-App, die alles rund um den FC Augsburg bringt, für mich interessant. Via Smartphone kann man sich hier informieren. Nach meiner Definition ist Zeitung Print, Online und Mobil.

    In welcher Verfassung befinden sich die bayerischen Zeitungsverlage?

    Scherer: Wir verzeichnen Rückgänge bei den Werbeumsätzen. Das ist der derzeitigen konjunkturellen Lage geschuldet. Daraus resultiert eine gewisse Verunsicherung. Wir hoffen aber, dass es 2014 wieder aufwärtsgeht. Alle Verlage müssen jedoch darauf bedacht sein, ihre Kosten im Griff zu behalten. Im Gegensatz zu anderen hoch automatisierten Branchen macht bei uns knapp die Hälfte der Kosten der Personalbereich aus. Hinzu kommt, dass in unserem Wirtschaftszweig immer wieder hohe Summen investiert werden müssen, vor allem im Druck- und Versandbereich. Alle zwölf bis 15 Jahre müssen die Anlagen erneuert werden.

    "Regionalzeitungen sind stabile Unternehmen"

    Nach dem Aus der „Financial Times Deutschland“ wird das Thema Zeitung in Deutschland oft problemorientiert diskutiert. Viele sprechen von einer Krise. Sie haben Ihren Optimismus für die Branche stets beibehalten. Woraus schöpfen Sie Zuversicht?

    Scherer: Wir haben Grund, selbstbewusst zu sein. Gerade Regionalzeitungen sind stabile Unternehmen, auch dank des hohen Anteils an Abonnenten, der über 90 Prozent liegt. Und bald wird die Augsburger Allgemeine den zehntausendsten e-Paper-Abonnenten begrüßen. Was das e-Paper betrifft, haben die deutschen Zeitungen im ersten Quartal dieses Jahres einen Zuwachs gegenüber dem Vorjahresquartal von über 90 Prozent erzielt. Die Zeitung bleibt eine Erfolgsstory. Jetzt müssen die Verlage die digitale Transformation bewältigen. Das bietet enorme Chancen.

    Worin bestehen diese Chancen?

    Scherer: Heute sind auch regionale Tageszeitungen weltweit via e-Paper online verfügbar. Das ist eine großartige Entwicklung. Jetzt müssen wir auf dieser Basis Geschäftsmodelle entwickeln, also Einnahmequellen erschließen, die Zeitungshäusern eine positive Zukunft geben.

    Wird das e-Paper zum Hoffnungsträger der deutschen Verlage?

    Scherer: Mein Optimismus stützt sich eben auf das große Interesse unserer Leser an e-Paper-Angeboten. Die e-Paper-Auflage aller Zeitungen in Deutschland konnte innerhalb eines Jahres auf rund 344 200 nahezu verdoppelt werden. Auch bei dieser Entwicklung profitieren wir von der Zeitung als Leitmedium.

    Was heißt das?

    Scherer: Die Werte der gedruckten Zeitung, also das hohe Vertrauen, das Leser dem Produkt entgegenbringen, übertragen sich auf die digitalen Produkte.

    Wie zeigt sich das in Bayern?

    Scherer: Hier gibt es eine sehr positive Entwicklung. Die Zahlen sind ermutigend: In Bayern erreichen die Zeitungshäuser des Freistaats die Bürger – Print, Online und Mobil zusammengerechnet – zu über 80 Prozent. So kommen rund elf von etwa 13 Millionen Menschen in Bayern mit unseren Produkten in Berührung. Das sind Erfolgszahlen, die wir in der Debatte über die Zukunft der Zeitung in den Vordergrund rücken sollten. So bleiben wir auch für die Werbewirtschaft interessant.

    Müssen journalistische Angebote im Internet nicht zunehmend kostenpflichtig werden?

    Scherer: Das ist richtig. Immer mehr deutsche Verlage setzen auf „Paid Content“, also bezahlte Inhalte im Netz. Je einfacher diese Modelle sind, desto leichter sind sie am Markt durchzusetzen.

    Keine Alternative zu "Paid Content"

    Werden die Verlage mit der Bezahl-Strategie Erfolg haben?

    Scherer: Hier gibt es noch keinen Königsweg. Zu „Paid Content“ gibt es aber keine Alternative. Warum sollten wir Inhalte, die wir auf Papier für einen angemessenen Preis verkaufen, digital verschenken? Zeitungsverleger verkaufen ja kein Papier, sondern Inhalte – und die sind digital nicht weniger wert als gedruckt. Und es ist nicht nachvollziehbar, warum wir unsere Inhalte auf Papier mit sieben Prozent und digital mit 19 Prozent versteuern müssen. Der Satz für digitale Produkte muss gesenkt werden.

    Erhalten die Verlage auch Rückendeckung durch die Politik?

    Scherer: Die Politik hat schon richtige Entscheidungen getroffen, wie die Zustimmung des Bundesrates zum Leistungsschutzrecht zeigt. Wir können von Betreibern von Internet-Suchmaschinen künftig für die Verwendung von längeren Presseartikeln angemessene Entgelte verlangen.

    Und wo brauchen Sie noch politische Schützenhilfe?

    Scherer: Generell leiden wir unter einem übertriebenen Regulierungssystem. So werden falsche Akzente gesetzt. Während die digitale Welt von Goliaths wie Google und Facebook beherrscht wird, konzentrieren die Politik und die Kartellbehörden ihre Regulierungsenergie auf die Davids, die regionalen Verlage.

    Wie wirkt sich das aus?

    Scherer: Das zeigt sich etwa bei der Pressefusionskontrolle. Es geht dabei vor allem um die Möglichkeit für kleinere Verlage, mit anderen in ihrer Nachbarschaft zu kooperieren oder zu fusionieren, um in Zeiten hoher Investitionen wirtschaftlicher arbeiten zu können. Dieses für uns so zentrale Thema hat zwar den Bundestag passiert, hängt jetzt aber im Bundesrat fest, weil es Teil einer größeren Reform des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ist, zu dem auch Veränderungen im Krankenkassenbereich gehören. Und hier zanken sich die Parteien nach wie vor, sodass für uns nichts vorangeht. Wir fordern, den unter den Parteien unstreitigen Teil des Pressefusionsrechts vom Gesamtpaket abzukoppeln und über diesen Punkt einzeln abzustimmen.

    Wo stehen die regionalen bayerischen Zeitungsverlage in zehn Jahren?

    Scherer: Auch in gedruckter Form werden uns Zeitungen dann noch viel Freude bereiten. Ich bin überzeugt davon, weil viele Menschen dieses Produkt gerne zur Hand nehmen. Sie vertrauen den Inhalten. Sie schätzen die Mischung aus Information und Unterhaltung. In zehn Jahren wird es für viele Menschen aber selbstverständlicher als heute sein, von einem Medium zum anderen, eben von Print zu Internet und mobilen Diensten, zu wechseln. Wir wollen dem Kunden nicht vorschreiben, auf welchem Kanal er unsere Dienste in Anspruch nimmt. Unser Job ist es, ihm optimale und einfach zu nutzende Angebote zu machen.

    Das Interview führte Stefan Stahl

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