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Insolvenz: Streit um Air Berlin: Germania geht gegen Staatshilfe vor

Insolvenz

Streit um Air Berlin: Germania geht gegen Staatshilfe vor

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    Der Widerstand gegen die Staatshilfe für die insolvente Fluggesellschaft Air Berlin wächst.
    Der Widerstand gegen die Staatshilfe für die insolvente Fluggesellschaft Air Berlin wächst. Foto: Sophia Kembowski, dpa (Symbolbild)

    Der Widerstand gegen die Staatshilfe für die insolvente Air Berlin wächst. Nach den Kartellbeschwerden des Konkurrenten Ryanair geht nun auch die Fluggesellschaft Germania gegen den 150-Millionen-Euro Kredit der Bundesregierung vor.

    So fallen zum 17. September und zum 1. Oktober die beiden täglichen Verbindungen von Berlin nach Abu Dhabi weg, dem Drehkreuz des Großaktionärs Etihad. Die arabische Fluggesellschaft gewährt Air

    "Wir streichen verlustreiche Strecken", sagte ein Sprecher. Zum 30. September fällt demnach auch die Verbindung Berlin-Chicago weg, die Flüge nach Los Angeles und San Francisco zum 1. Oktober - vier Wochen früher als eigentlich geplant. Das gilt auch für Düsseldorf-Boston. Berlin hat dann nur noch zwei Langstrecken: Miami und New York. Düsseldorf behält zwölf. Über die Langstrecken-Pläne hatte zuvor die Bild-Zeitung berichtet.

    Air Berlin: Wöhrl will Fluggesellschaft ganz übernehmen

    Air Berlin verhandelt nach eigenen Angaben mit der Lufthansa und drei weiteren Unternehmen über einen Verkauf. Als Interessenten für Teile der Fluggesellschaft gelten neben der

    Wer um Air Berlins Zukunft ringt

    Nach dem Insolvenzantrag von Air Berlin zeichnet sich ab, dass die Fluggesellschaft von mehreren Konkurrenten übernommen wird. Ganz vorn dabei ist der deutsche Marktführer Lufthansa. Zu den Akteuren gehört ein Leiter des Insolvenzverfahrens und indirekt auch die Bundesregierung. Ein Überblick:

    LUFTHANSA 

    Der umsatzstärkste Luftverkehrskonzern Europas treibt die Übernahme der Air Berlin bereits seit Monaten in Gesprächen mit der Politik und dem Großaktionär Etihad voran. Ein erster Erfolg war die im Januar genehmigte Anmietung und faktische Übernahme von 38 Mittelstrecken-Maschinen, rund ein Viertel der Air-Berlin-Flotte. Lufthansa-Chef Carsten Spohr will nun mindestens ein weiteres Viertel für seine Billigflieger-Gruppe Eurowings sichern, die zusätzliche Maschinen und Slots für die Mittel- und die Langstrecke sucht. Für sein Ziel, den Billigflieger Ryanair von den größeren deutschen Flughäfen so weit es geht fernzuhalten, muss Spohr aus Wettbewerbsgründen größere Marktanteile anderer Anbieter wie der Easyjet in Kauf nehmen.

    DIE ANDEREN INTERESSENTEN

    Außer der Lufthansa sind nach Angaben von Air Berlin noch zwei weitere Interessenten im Geschäft. Nach dpa-Informationen sind Gespräche mit Easyjet und Tuifly geplant. Der Reiseveranstalter Thomas Cook mit seiner Ferienflugtochter Condor bekundete Interesse an einer "aktiven Beteiligung an der Zukunft von Air Berlin". Ein Teil der Thomas-Cook-Feriengäste kommt mit Air Berlin ans Ziel.

    ETIHAD

    Der Staatskonzern aus Abu Dhabi ist seit 2012 Großaktionär von Air Berlin mit einem Anteil von 29,2 Prozent. Wenige Tage, nachdem Etihad die Unterstützung entzogen hatte, sah sich Air Berlin zur Insolvenzanmeldung gezwungen. Ein Großteil der Schulden von Air Berlin in Höhe von 1,5 Milliarden Euro dürfte am Partner hängenblieben, der mehrere Kredite gegeben hat. Etihad wehrt sich gegen den Eindruck, Air Berlin im Stich gelassen zu haben. Das Unternehmen habe im April nochmals 250 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Angesichts der "sich rapide verschlechternden Geschäftsergebnisse und Liquidität" wollte Etihad aber nicht noch mehr Geld in Air Berlin pumpen.

    RYANAIR

    Der Passagier-Europameister Ryanair hat bereits mehr als 300 Flugzeuge und bekommt grob gesagt jedes Jahr 50 neue hinzu, für die in ganz Europa Punkt-zu-Punkt-Strecken gesucht werden. Derzeit gilt das größte Interesse der Iren Deutschland und Italien, wo mit Alitalia und Air Berlin jeweils eine verkehrsreiche Airline in die Insolvenz gegangen ist. Deren Verbindungen würde Ryanair-Chef Michael O'Leary liebend gern übernehmen, die Flugzeuge und teils teuren Crews eher nicht. In Italien gehört Ryanair zum Bieterkreis für das Alitalia-Erbe, in Deutschland fühlen sich die Iren durch den Lufthansa-Deal ausgebootet und haben kartellrechtliche Schritte angekündigt. In der politischen Auseinandersetzung macht ihnen ihr schlechtes Sozial-Image als Arbeitgeber zu schaffen.

    DIE INSOLVENZEXPERTEN

    Gleich zwei Top-Sanierungsexperten des Landes sind in die Rettungsbemühungen involviert. Der Düsseldorfer Jurist Frank Kebekus sitzt als Generalbevollmächtigter an der Seite von Air-Berlin-Vorstandschef Thomas Winkelmann im Cockpit. Sein Credo: So viel "business as usual" hinbekommen. Das Duo Kebekus/Winkelmann leitet die Verkaufsverhandlungen.

    Der zweite Insolvenzexperte, Lucas Flöther, überwacht als vorläufiger Sachwalter im Auftrag der Gläubiger alle Vorgänge. Beide Rechtsanwälte kennen einander seit Jahren vom Gravenbrucher Kreis. In diesem Verband sind die 30 führenden Insolvenzverwalter organisiert.

    Kebekus war zuletzt unter anderem als Insolvenzverwalter beim Modekonzern Steilmann gefragt. Flöther wurde bereits zwei Mal mit der Rettung des Fahrradherstellers Mifa betraut und beschäftigte sich mit der Pleite des Leipziger Internetunternehmens Unister.

    DIE BUNDESREGIERUNG

    Die Bundesregierung hat es durch schnelles Handeln ermöglicht, dass über die Zukunft Air Berlins in halbwegs geordneten Bahnen geredet werden kann. Ohne den Brückenkredit von 150 Millionen Euro hätte die Fluggesellschaft sofort den Betrieb einstellen müssen, Zehntausende Passagiere wären an ausländischen Flughäfen gestrandet. Nun hält es Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) für dringend geboten, dass Lufthansa wesentliche Teile der insolventen Airline übernimmt. Allerdings sitzt die Regierung nach eigenen Angaben nicht mit am Verhandlungstisch.

    DIE WETTBEWERBSBEHÖRDEN

    Das Bundeskartellamt und vor allem die EU-Kartellwächter werden überprüfen müssen, ob durch die Übernahme von Air Berlin nicht eine beherrschende Stellung in Teilbereichen des Luftverkehrsmarktes besteht. Das könnte auf einigen europäischen Strecken so sein, wenn sie Lufthansa zufallen. Ryanair hat bereits bei beiden Behörden Beschwerde eingelegt. Die Insolvenz sei künstlich herbeigeführt worden, es gebe ein "Komplott" von deutscher Regierung, Lufthansa und Air Berlin gegen die Konkurrenz.

    Der 150-Millionen-Euro-Kredit durch die staatliche KfW-Bank soll sicherstellen, dass Air Berlin während der Verkaufsverhandlungen trotz Insolvenz weiterfliegen kann. Germania will dies verhindern, solange die EU-Kommission die Hilfe nicht genehmigt. Die Fluggesellschaft wirft dem Bund vor, die Lufthansa einseitig zu bevorzugen. Darüber soll am 15. September verhandelt werden.

    Ryanair hatte vor zwei Wochen Beschwerde beim Bundeskartellamt und der EU-Wettbewerbsbehörde eingelegt. Nach Regierungsangaben hat auch der irische Billigflieger Interesse, Air Berlin zu übernehmen. Vorstandschef Michael O'Leary will sich an diesem Mittwoch in Berlin äußern.

    Arbeitnehmervertreter, die Gewerkschaft Verdi und der Berliner Senat appellierten am Dienstag an mögliche Käufer, auch die Beschäftigten zu übernehmen. "Es geht nicht nur um das Fluggerät, um Slots, sondern auch um viele Tausend Beschäftigte", sagte Berlins Regierungschef Michael Müller (SPD) nach einem Treffen im Roten Rathaus.

    Air Berlin: Langstreckenflieger sollen nach Düsseldorf kommen

    Zuvor hatte Müller im Tagesspiegel  eine Übernahme durch Ryanair wegen der Arbeitsbedingungen bei der irischen Billigfluglinie abgelehnt und dafür geworben, der Lufthansa den Zuschlag zu geben.

    Der deutsche Marktführer ist vor allem an der Touristik-Tochter Niki interessiert und bietet auch für die Langstreckenflotte der Air Berlin. Die Lufthansa-Tochter Eurowings würde bei einem Zuschlag zwei Langstreckenflieger in der Hauptstadt stationieren und von dort Ziele an der Ostküste der USA anfliegen, hieß es am Dienstag in Unternehmenskreisen.

    Berlin gilt wegen der fehlenden Umsteiger als schwieriger Langstreckenmarkt. Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann hatte daher angekündigt, die letzten Langstreckenflieger von Berlin nach Düsseldorf zu verlagern. Dort will Eurowings dem Vernehmen nach bis zu zehn Übersee-Jets der Berliner weiter betreiben. Damit bietet die Lufthansa-Tochter offenbar nur für 12 der 17 Langstrecken-Flugzeuge der Air Berlin.

    Das Management von Air Berlin empfängt am 30. August in Berlin zum ersten Mal den Nürnberger Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl, der die insolvente Fluggesellschaft komplett übernehmen möchte. Wöhrl hat aber noch kein konkretes Kaufangebot vorlegt und die Bieterfrist endet am 15. September. Am Nachmittag will sich Ryanair-Chef Michael O'Leary bei einer Pressekonferenz in die Debatte um die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft einschalten. dpa

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