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Insolvenz: Neben Lufthansa: Auch Condor und Wöhrl buhlen um Air Berlin

Insolvenz

Neben Lufthansa: Auch Condor und Wöhrl buhlen um Air Berlin

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    Das Buhlen um die insolvente Fluggesellschaft Air Berlin geht weiter: Neben Lufthansa melden vor allem auch Condor und Unternehmer Wöhrl Interesse an.
    Das Buhlen um die insolvente Fluggesellschaft Air Berlin geht weiter: Neben Lufthansa melden vor allem auch Condor und Unternehmer Wöhrl Interesse an. Foto: Christoph Schmidt/dpa

    Im Poker um Flugzeuge und Personal aus der Insolvenzmasse der Air Berlin bekommt die Lufthansa ernsthafte Konkurrenz. Der zum Thomas-Cook-Konzern zählende Ferienflieger Condor bereitet ein Angebot für Jets in deutlich zweistelliger Zahl vor, wie eine mit den Verhandlungen vertraute Person der Deutschen Presse-Agentur sagte.

    Gespräche über Air Berlin soll es nun auch mit dem Nürnberger Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl geben. Man sei für diesen Mittwoch (30. August) zu "Sondierungsgesprächen" bei Air Berlin eingeladen, teilte Wöhrls Intro-Verwaltungsgesellschaft am Donnerstag mit. Ein Sprecher der Airline wollte sich zu einzelnen Interessenten nicht äußern. "Es handelt sich um ein offenes und neutrales Verfahren, in dem qualifizierte Angebote willkommen sind", sagte er nur.

    Der Generalbevollmächtigte der Air Berlin, Frank Kebekus, machte inzwischen klar, dass er einen schnellen Verkauf anstrebt. "Es besteht die Gefahr, dass unser Geschäft wegbricht, falls der Verkauf zu lange dauert", sagte Kebekus der Wirtschaftswoche. Die kurzfristigen Buchungen seien um sechs bis sieben Prozent zurückgegangen, bei Flügen in ein paar Monaten seien die Kunden zurückhaltender.

    Gläubiger wollen Air Berlin wohl als Ganzes fortführen

    Kunden, die ihre Bonusmeilen beim Vielfliegerprogramm Topbonus noch nicht eingelöst haben, gehen nach Kebekus' Angaben leer aus. "Das Programm wurde gestoppt." Bei Topbonus zeichne sich ebenfalls eine Insolvenz ab. Auch wer für eine Verspätung entschädigt werden will, hat demnach schlechte Karten. Air Berlin könne diese nicht auszahlen, Passagiere müssten ihre Ansprüche als

    Die Chronologie von Air Berlin

    1978: Gründung als Chartergesellschaft durch den Ex-Pan-Am-Piloten Kim Lundgren. Erstflug am 28. April 1979 von Berlin-Tegel nach Mallorca. Die Flotte umfasst zwei Maschinen.

    1991: Im April kauft der LTU-Manager Joachim Hunold die Mehrheit der Anteile. Es gibt kurz darauf 15 Flüge pro Tag.

    1998: Mit dem Mallorca Shuttle Einstieg ins Linienfluggeschäft

    2004: Einstieg bei der Fluggesellschaft Niki des früheren Rennfahrers Niki Lauda

    2006: Börsengang und Kauf der Fluggesellschaft dba

    2007: Kauf des Ferienfliegers LTU, damit auch Interkontinentalflüge

    2008: Air Berlin rutscht in die roten Zahlen, ein erstes Sparprogramm folgt. Die Übernahme des Ferienfliegers Condor scheitert.

    2011: Hunold wirft das Handtuch, Hartmut Mehdorn übernimmt. Ein weiteres Sparprogramm kommt. 18 der 170 Maschinen werden verkauft.

    2012: Die arabische Staatsairline Etihad erhöht ihren Anteil von knapp 3 auf 29,2 Prozent und stützt die Fluglinie mit Millionen. Ein neues Sparprogramm beginnt.

    2013: Wolfgang Prock-Schauer wird Vorstandschef und verschärft das Sparprogramm. Jeder zehnte Arbeitsplatz fällt weg, die Flotte schrumpft auf 142 Maschinen.

    2015: Im Februar löst Stefan Pichler den glücklosen Prock-Schauer ab. Air Berlin macht 447 Millionen Euro Verlust - so viel wie nie.

    2016: Nach einem juristischen Tauziehen kann Air Berlin den größten Teil der wichtigen Gemeinschaftsflüge mit Etihad weiter anbieten. Die Zahlen bessern sich nicht. Gespräche mit Lufthansa über einen Verkauf von Geschäftsteilen beginnen. Mit einem tiefgreifenden Umbau und der Streichung von bis zu 1200 Arbeitsplätzen will Air Berlin seine Krise überwinden. 

    2017: Air Berlin bekommt einen neuen Chef. Der Lufthansa-Manager und früheren Germanwings-Chef Thomas Winkelmann wird Vorstandschef. Air Berlin führt ihren Flugbetrieb in zwei getrennten Geschäftsfeldern weiter: Langstreckenflüge und Städteverbindungen in Europa werden zusammengefasst, Urlaubsflüge unter der Marke Niki geführt. Lufthansa erklärt sich bereit, Air Berlin zu übernehmen, wenn der Großaktionär Etihad zuvor die Schulden übernähme.

    15. August 2017: Air Berlin meldet Insolvenz an. Zuvor hatte Etihad seine finanzielle Unterstützung eingestellt.

    27. Oktober 2017: Der letzte Flieger von Air Berlin landet in Berlin.

    Condor hatte bereits früher seine Bereitschaft erklärt, bei der Air-Berlin-Insolvenz eine aktive Rolle zu spielen. Schon aus Kostengründen dürfte sich das Interesse bei der Mittelstrecke vor allem auf die nicht insolvente Air-Berlin-Tochter Niki aus Österreich konzentrieren, für die Lufthansa bereits ein konkretes Angebot abgegeben hat. Die Maschinen vom Typ Airbus A320 passen in die Condor-Flotte und wurden wie die des Ferienfliegers vor allem zu touristischen Zielen eingesetzt. Als weitere Interessenten bei Air Berlin gilt die britische Easyjet.

    Die Lufthansa-Tochter Eurowings sucht bereits intensiv nach Piloten, Co-Piloten sowie Flugbegleiter für zusätzliche Flugzeuge. Die gesuchte Personalstärke reicht für etwa 20 zusätzliche Flugzeuge, über deren Herkunft

    Die Gläubiger hatten in ihrer ersten Sitzung am Mittwoch zunächst beschlossen, den Betrieb als Ganzes weiterzuführen. "Wir bewerten es positiv, dass der Gläubigerausschuss zunächst alle Angebote für Air Berlin sichten will, bevor Entscheidungen getroffen werden", sagte Verdi-Vorstandsmitglied Christine Behle. "Unsere erste Priorität liegt nicht beim Übertragen des Blechs, sondern beim Erhalt der Arbeitsplätze und bei den zukünftigen Arbeitsbedingungen der Beschäftigten."

    Air Berlin: Wöhrl beklagt Bevorzugung von Lufthansa

    Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) forderte im RBB, "dass gute Arbeitsplätze mit guten Begingungen für die Arbeitnehmer und guten Löhnen, von denen man leben kann, erhalten bleiben". Er werde in der nächsten Woche mit Arbeitnehmern sprechen.

    Wöhrl hatte mitgeteilt, die Fluggesellschaft als Ganzes kaufen zu wollen. Er warf der Fluggesellschaft in den vergangenen Tagen vor, die Lufthansa zu bevorzugen. Nach der Gläubigerversammlung sprach Wöhrl von einer Trendwende und kündigte ein qualifiziertes Angebot an. Der Gläubigerausschuss tagt Anfang September wieder.

    Wer um Air Berlins Zukunft ringt

    Nach dem Insolvenzantrag von Air Berlin zeichnet sich ab, dass die Fluggesellschaft von mehreren Konkurrenten übernommen wird. Ganz vorn dabei ist der deutsche Marktführer Lufthansa. Zu den Akteuren gehört ein Leiter des Insolvenzverfahrens und indirekt auch die Bundesregierung. Ein Überblick:

    LUFTHANSA 

    Der umsatzstärkste Luftverkehrskonzern Europas treibt die Übernahme der Air Berlin bereits seit Monaten in Gesprächen mit der Politik und dem Großaktionär Etihad voran. Ein erster Erfolg war die im Januar genehmigte Anmietung und faktische Übernahme von 38 Mittelstrecken-Maschinen, rund ein Viertel der Air-Berlin-Flotte. Lufthansa-Chef Carsten Spohr will nun mindestens ein weiteres Viertel für seine Billigflieger-Gruppe Eurowings sichern, die zusätzliche Maschinen und Slots für die Mittel- und die Langstrecke sucht. Für sein Ziel, den Billigflieger Ryanair von den größeren deutschen Flughäfen so weit es geht fernzuhalten, muss Spohr aus Wettbewerbsgründen größere Marktanteile anderer Anbieter wie der Easyjet in Kauf nehmen.

    DIE ANDEREN INTERESSENTEN

    Außer der Lufthansa sind nach Angaben von Air Berlin noch zwei weitere Interessenten im Geschäft. Nach dpa-Informationen sind Gespräche mit Easyjet und Tuifly geplant. Der Reiseveranstalter Thomas Cook mit seiner Ferienflugtochter Condor bekundete Interesse an einer "aktiven Beteiligung an der Zukunft von Air Berlin". Ein Teil der Thomas-Cook-Feriengäste kommt mit Air Berlin ans Ziel.

    ETIHAD

    Der Staatskonzern aus Abu Dhabi ist seit 2012 Großaktionär von Air Berlin mit einem Anteil von 29,2 Prozent. Wenige Tage, nachdem Etihad die Unterstützung entzogen hatte, sah sich Air Berlin zur Insolvenzanmeldung gezwungen. Ein Großteil der Schulden von Air Berlin in Höhe von 1,5 Milliarden Euro dürfte am Partner hängenblieben, der mehrere Kredite gegeben hat. Etihad wehrt sich gegen den Eindruck, Air Berlin im Stich gelassen zu haben. Das Unternehmen habe im April nochmals 250 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Angesichts der "sich rapide verschlechternden Geschäftsergebnisse und Liquidität" wollte Etihad aber nicht noch mehr Geld in Air Berlin pumpen.

    RYANAIR

    Der Passagier-Europameister Ryanair hat bereits mehr als 300 Flugzeuge und bekommt grob gesagt jedes Jahr 50 neue hinzu, für die in ganz Europa Punkt-zu-Punkt-Strecken gesucht werden. Derzeit gilt das größte Interesse der Iren Deutschland und Italien, wo mit Alitalia und Air Berlin jeweils eine verkehrsreiche Airline in die Insolvenz gegangen ist. Deren Verbindungen würde Ryanair-Chef Michael O'Leary liebend gern übernehmen, die Flugzeuge und teils teuren Crews eher nicht. In Italien gehört Ryanair zum Bieterkreis für das Alitalia-Erbe, in Deutschland fühlen sich die Iren durch den Lufthansa-Deal ausgebootet und haben kartellrechtliche Schritte angekündigt. In der politischen Auseinandersetzung macht ihnen ihr schlechtes Sozial-Image als Arbeitgeber zu schaffen.

    DIE INSOLVENZEXPERTEN

    Gleich zwei Top-Sanierungsexperten des Landes sind in die Rettungsbemühungen involviert. Der Düsseldorfer Jurist Frank Kebekus sitzt als Generalbevollmächtigter an der Seite von Air-Berlin-Vorstandschef Thomas Winkelmann im Cockpit. Sein Credo: So viel "business as usual" hinbekommen. Das Duo Kebekus/Winkelmann leitet die Verkaufsverhandlungen.

    Der zweite Insolvenzexperte, Lucas Flöther, überwacht als vorläufiger Sachwalter im Auftrag der Gläubiger alle Vorgänge. Beide Rechtsanwälte kennen einander seit Jahren vom Gravenbrucher Kreis. In diesem Verband sind die 30 führenden Insolvenzverwalter organisiert.

    Kebekus war zuletzt unter anderem als Insolvenzverwalter beim Modekonzern Steilmann gefragt. Flöther wurde bereits zwei Mal mit der Rettung des Fahrradherstellers Mifa betraut und beschäftigte sich mit der Pleite des Leipziger Internetunternehmens Unister.

    DIE BUNDESREGIERUNG

    Die Bundesregierung hat es durch schnelles Handeln ermöglicht, dass über die Zukunft Air Berlins in halbwegs geordneten Bahnen geredet werden kann. Ohne den Brückenkredit von 150 Millionen Euro hätte die Fluggesellschaft sofort den Betrieb einstellen müssen, Zehntausende Passagiere wären an ausländischen Flughäfen gestrandet. Nun hält es Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) für dringend geboten, dass Lufthansa wesentliche Teile der insolventen Airline übernimmt. Allerdings sitzt die Regierung nach eigenen Angaben nicht mit am Verhandlungstisch.

    DIE WETTBEWERBSBEHÖRDEN

    Das Bundeskartellamt und vor allem die EU-Kartellwächter werden überprüfen müssen, ob durch die Übernahme von Air Berlin nicht eine beherrschende Stellung in Teilbereichen des Luftverkehrsmarktes besteht. Das könnte auf einigen europäischen Strecken so sein, wenn sie Lufthansa zufallen. Ryanair hat bereits bei beiden Behörden Beschwerde eingelegt. Die Insolvenz sei künstlich herbeigeführt worden, es gebe ein "Komplott" von deutscher Regierung, Lufthansa und Air Berlin gegen die Konkurrenz.

    "Es wäre schön, wenn wir mit unseren Partnern den besten Vorschlag anbieten könnten", sagte Wöhrl. "Doch wenn in einem solchen, offenen und fairen Verfahren ein besseres Angebot zum Zuge kommt, dann werden wir das klaglos akzeptieren."

    Das Insolvenzverfahren als solches wird aber auch nach einem Verkauf noch Jahre dauern, wie Sachwalter Lucas Flöther in der Wirtschaftswoche deutlich machte. "Bei einer Insolvenz dieser Größenordnung reden wir von einem Zeitraum von sieben, acht Jahren, vielleicht auch mehr." Er geht nicht davon aus, dass die Aktionäre und Anleihezeichner von Air Berlin Geld aus der Insolvenzmasse erhalten. dpa

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