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Insolvenz: Air Berlin ist auf Lufthansa-Kurs

Insolvenz

Air Berlin ist auf Lufthansa-Kurs

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    Lufthansa treibt die Übernahme der Air Berlin bereits seit Monaten voran.
    Lufthansa treibt die Übernahme der Air Berlin bereits seit Monaten voran. Foto: Federico Gambarini, dpa

    Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann will die Übernahme der insolventen Fluggesellschaft innerhalb weniger Wochen abschließen. „Sonst schwindet das Vertrauen der Kunden in die Airline“, sagte er. Am Freitag gab auch Hans Rudolf Wöhrl ein Angebot für Air Berlin ab. Der Unternehmer aus der gleichnamigen fränkischen Bekleidungs-Dynastie hatte sich vor Jahren aus dieser Textilfirma zurückgezogen und das Feld seinem Bruder überlassen. Seitdem konzentriert sich der zu den reichsten Deutschen zählende Manager neben seiner Mehrheitsbeteiligung an der Münchner Ludwig Beck AG („Kaufhaus der Sinne“) vor allem auf Luftfahrt-Aktivitäten und die Immobilienbranche.

    Die Chronologie von Air Berlin

    1978: Gründung als Chartergesellschaft durch den Ex-Pan-Am-Piloten Kim Lundgren. Erstflug am 28. April 1979 von Berlin-Tegel nach Mallorca. Die Flotte umfasst zwei Maschinen.

    1991: Im April kauft der LTU-Manager Joachim Hunold die Mehrheit der Anteile. Es gibt kurz darauf 15 Flüge pro Tag.

    1998: Mit dem Mallorca Shuttle Einstieg ins Linienfluggeschäft

    2004: Einstieg bei der Fluggesellschaft Niki des früheren Rennfahrers Niki Lauda

    2006: Börsengang und Kauf der Fluggesellschaft dba

    2007: Kauf des Ferienfliegers LTU, damit auch Interkontinentalflüge

    2008: Air Berlin rutscht in die roten Zahlen, ein erstes Sparprogramm folgt. Die Übernahme des Ferienfliegers Condor scheitert.

    2011: Hunold wirft das Handtuch, Hartmut Mehdorn übernimmt. Ein weiteres Sparprogramm kommt. 18 der 170 Maschinen werden verkauft.

    2012: Die arabische Staatsairline Etihad erhöht ihren Anteil von knapp 3 auf 29,2 Prozent und stützt die Fluglinie mit Millionen. Ein neues Sparprogramm beginnt.

    2013: Wolfgang Prock-Schauer wird Vorstandschef und verschärft das Sparprogramm. Jeder zehnte Arbeitsplatz fällt weg, die Flotte schrumpft auf 142 Maschinen.

    2015: Im Februar löst Stefan Pichler den glücklosen Prock-Schauer ab. Air Berlin macht 447 Millionen Euro Verlust - so viel wie nie.

    2016: Nach einem juristischen Tauziehen kann Air Berlin den größten Teil der wichtigen Gemeinschaftsflüge mit Etihad weiter anbieten. Die Zahlen bessern sich nicht. Gespräche mit Lufthansa über einen Verkauf von Geschäftsteilen beginnen. Mit einem tiefgreifenden Umbau und der Streichung von bis zu 1200 Arbeitsplätzen will Air Berlin seine Krise überwinden. 

    2017: Air Berlin bekommt einen neuen Chef. Der Lufthansa-Manager und früheren Germanwings-Chef Thomas Winkelmann wird Vorstandschef. Air Berlin führt ihren Flugbetrieb in zwei getrennten Geschäftsfeldern weiter: Langstreckenflüge und Städteverbindungen in Europa werden zusammengefasst, Urlaubsflüge unter der Marke Niki geführt. Lufthansa erklärt sich bereit, Air Berlin zu übernehmen, wenn der Großaktionär Etihad zuvor die Schulden übernähme.

    15. August 2017: Air Berlin meldet Insolvenz an. Zuvor hatte Etihad seine finanzielle Unterstützung eingestellt.

    27. Oktober 2017: Der letzte Flieger von Air Berlin landet in Berlin.

    Wie berichtet, hatte das Bekleidungshaus Wöhrl am 1. Dezember 2016 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung gestellt. Ende April dieses Jahres wurde der Weg zur Übernahme von Wöhrl durch den Textil-Unternehmer Christian Greiner, der Vorstand bei der Ludwig Beck AG ist, freigemacht. Greiner ist ein Sohn von Hans Rudolf Wöhrl. Greiner trägt den Namen seiner Mutter und nicht des Vaters. Hans Rudolf Wöhrl wiederum hat Fluggesellschaften wie die Deutsche BA saniert und als „dba“ einst gewinnbringend an den Air-Berlin-Gründer Joachim Hunold weiterverkauft.

    Doch der mit der CSU-Politikerin Dagmar Wöhrl verheiratete Unternehmer blitzte mit seinem Angebot, Air Berlin komplett zu übernehmen, bei der Bundesregierung ab. „Das Modell Air Berlin als eine eigenständige Airline ist ja gescheitert“, sagte Wirtschaftsstaatssekretär Matthias Machnig dazu. Daraufhin hat sich Hans Rudolf Wöhrl wieder zu Wort gemeldet. Er warf der

    Lufthansa ist der Favorit im Poker um Air Berlin

    Längst gibt es in Berlin andere Favoriten für die Übernahme der Airline. So wurde Wöhrl von Air Berlin als „Trittbrettfahrer“ bezeichnet und sein Angebot als „PR-Gag“ kritisiert. Es scheint daher alles darauf hinauszulaufen, dass vor allem die Lufthansa bei Air Berlin zugreifen kann. Seit Freitag finden offiziell Verhandlungen mit der deutschen Nummer eins statt. Als Interessenten gelten zudem die britische Billigfluggesellschaft Easyjet, Tuifly sowie Condor.

    Bei den Konkurrenten der Lufthansa herrscht aber Unmut über die Besetzung des Gläubigerausschusses, der letztlich über den Verkauf entscheidet. Denn in dem Gremium sitzt auch ein Vertreter der Lufthansa-Billigtochter Eurowings. Das ist so, weil

    Nach Informationen aus Branchenkreisen sind die Bücher von Air Berlin für Interessenten – und dabei nicht nur für die Lufthansa – bereits seit Ende Mai einsehbar. Air-Berlin-Chef Winkelmann hatte Ende April davon gesprochen, das Unternehmen sei „offen für neue Partnerschaften und neue Kooperationen“.

    Winkelmann war übrigens lange für den Lufthansa-Konzern tätig. Klar ist mittlerweile, dass Air Berlin mit mehr als zehn Interessenten gesprochen hat. Darunter befinden sich mehrere Fluglinien. Winkelmann erwartet keine Komplett-Übernahme durch einen Bieter. „Es wird nicht einen, sondern zwei oder drei Käufer geben“, sagte er. Zumindest nach eigenen Angaben ist der Bund an den Verhandlungen nicht beteiligt und steuert sie auch nicht. Die Regierung hilft Air Berlin mit einem Kredit von 150 Millionen Euro. Das war unter anderem von Ryanair scharf kritisiert worden.

    Der Vorsitzende der für freien Wettbewerb kämpfenden Monopolkommission, Achim Wambach, warnte vor einer politisch motivierten Bevorzugung der Lufthansa bei der Zerschlagung von Air Berlin. Ein Ausbau der Lufthansa-Marktanteile in der internationalen Luftfahrt sei zwar grundsätzlich zu begrüßen. „Es überzeugt aber nicht, wenn dies dadurch erfolgen sollte, dass auf Wettbewerb auf deutschen Flugstrecken verzichtet würde“, warnte Wambach. In der Regel führe weniger Wettbewerb zu weniger Innovationen und zu unattraktiveren Produkten. sts, dpa

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