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Innenstädte: Schub für die Wirtschaft? Was die Mehrwertsteuersenkung gebracht hat

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Schub für die Wirtschaft? Was die Mehrwertsteuersenkung gebracht hat

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    Seit Anfang Juli zahlen Kunden in Deutschland einen verminderten Mehrwertsteuersatz. Je nach Branche wirkt sich dies unterschiedlich aus.
    Seit Anfang Juli zahlen Kunden in Deutschland einen verminderten Mehrwertsteuersatz. Je nach Branche wirkt sich dies unterschiedlich aus. Foto: Jens Büttner, dpa (Symbol)

    20 Milliarden Euro sind auch für den deutschen Staatshaushalt eine relevante Summe. Fast so viel, nämlich geschätzt 19,6 Milliarden Euro, kostet die befristete Senkung der Mehrwertsteuer laut Finanzminister Olaf Scholz (SPD). Statt 19 sind bis Jahresende nur noch 16 Prozent Umsatzsteuer fällig, der ermäßigte Satz beträgt so lange nur noch fünf statt sieben Prozent. Seit gut einem Monat ist die Regelung in Kraft. Die Frage ist: Erfüllt sie ihren Zweck?

    Die Verbraucherstimmung erholt sich langsam von der Krise

    Laut dem jüngsten Konsumbarometer des Handelsverband Deutschland (HDE) erholt sich die Verbraucherstimmung tatsächlich. Aber: Das Tempo der Erholung verlangsamt sich. Und nicht alle Teile des Handels profitieren gleichermaßen von der steigenden Einkaufsbereitschaft. Der Lebensmitteleinzelhandel kam schon mit Rückenwind aus der Krise. Die kurzfristige Steuersenkung hat hier nur zu einer deutlichen Verschärfung des Preiswettbewerbs geführt.

    Anders ist die Lage bei langlebigen Gebrauchsgütern wie Möbel, Technik und Uhren/Schmuck. In diesen Bereichen zeige die Steuersenkung durchaus Effekte. Ein wirklicher Schub für den privaten Konsum ist von der Mehrwertsteuersenkung laut HDE aber nicht zu erwarten. Das zeigt auch eine aktuelle Umfrage des Verbands: Nur 13 der NonFood-Unternehmen bewerten die Steuersenkung dahingehend positiv. Als negativ werden vor allem Umstellungskosten gesehen.

    Die Textilbranche leidet unter den Homeoffice-Regelungen

    Das deckt sich mit den Einschätzungen von Andreas Gärtner, dem schwäbischen Bezirksgeschäftsführer des Verbandes: „Vor allem im Textilbereich haben diese Maßnahmen so gut wie keine Auswirkung gezeigt. Bei einem T-Shirt für 19,99 Euro spürt der Verbraucher die drei Prozent Ersparnis kaum.“

    Hinzu komme, dass Kleidung oft anlassbezogen gekauft werde. Größere Familienfeiern oder ähnliche Veranstaltungen fänden aber immer noch nur sehr zögerlich statt. Zudem hätten weitreichende Homeoffice-Regelungen in vielen Betrieben dazu geführt, dass keine Nachfrage nach Businesskleidung wie Anzügen und Krawatten mehr da sei.

    Einen Lichtblick, auch für den Textilbereich hat Gärtner dennoch: „Je südlicher, desto touristischer geprägt ist unsere Region und desto besser – über alle Bereiche hinweg – steht der Handel wieder da“, erklärt der HDE-Experte.

    Auch das Marktforschungsinstitut EHI sieht kaum Auswirkungen der Mehrwertsteuersenkung auf die Textilbranche. Jahreszeitlich bedingt seien Rabatte von 30 Prozent und mehr die Regel. Die Lager seien voll, die Ware müsse raus und die Händler ließen die temporäre Steuersenkung einfach in ihren Rabattaktionen aufgehen, erklärt eine Sprecherin auf Anfrage.

    Anstieg der Arbeitslosenzahlen: Die Rettungspakete müssen wirken

    Auf das Gesamtjahr gerechnet geht der HDE für den Nicht-Lebensmittelhandel von einem Umsatzverlust von rund 40 Milliarden Euro aus – vorausgesetzt es kommt nicht zu der gefürchteten zweiten Welle.

    Die Zahlen beruhen auf der Annahme, dass die Kurzarbeit und die Rettungspakete bei den Unternehmen Wirkung zeigen, es also nicht zu einem rasanten Anstieg der Arbeitslosenzahlen kommt. Zudem legen die HDE-Experten ihrer Prognose zugrunde, dass die Lockerungen aufrecht erhalten werden.

    Vor einer zweiten Welle schützt nur die Disziplin der Verbraucher

    Entscheidend dafür dürfte auch die Disziplin der Bürger sein. Das bekräftigt auch HDE-Vertreter Gärtner: „Wir bitten die Verbraucher ausdrücklich, vorsichtig zu bleiben und die Vorgaben der Bayerischen Staatsregierung einzuhalten. Eine schwere zweite Welle, die ähnliche Maßnahmen erforderlich machen würde wie im März und April, würden viele Geschäfte nicht überstehen.“

    Viele Betriebe seien erst im Juli wieder in den Zahlungsbetrieb eingestiegen, nachdem zuvor Mieten, Sozialversicherungsleistungen und Lieferantenrechnungen gestundet wurden. Ausfälle drohten nicht nur aufgrund von Insolvenzen, sondern auch, weil etwa die Übernahme durch die nächste Generation nicht mehr attraktiv erscheine. Entscheidend werde das vierte Quartal, das im Handel wegen des Weihnachtsgeschäfts immer sehr wichtig ist.

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