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Ingolstadt: VW-Dieselskandal reißt Loch in Ingolstadts Stadtsäckel

Ingolstadt

VW-Dieselskandal reißt Loch in Ingolstadts Stadtsäckel

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    Der VW-Abgasskandal beeinflusst viele VW-Standorte in Deutschland. Wegen massiv einbrechender Gewerbesteuer-Einnahmen erhöhen die Städte ihre Gebühren.
    Der VW-Abgasskandal beeinflusst viele VW-Standorte in Deutschland. Wegen massiv einbrechender Gewerbesteuer-Einnahmen erhöhen die Städte ihre Gebühren. Foto: Maurizio Gambarini dpa/Archiv

    Der Dieselskandal bei VW und Audi bedeutet für die Stadt Ingolstadt das Ende der fetten Jahre - jetzt heißt es, den Gürtel etwas enger schnallen. "Wir gehen davon aus, dass wir bis 2020 weniger Gewerbesteuer bekommen", sagte der Leiter der Kämmerei, Franz Fleckinger, der Deutschen Presse-Agentur: In den nächsten Jahren rechne er nur noch mit 60 Prozent des langjährigen Durchschnitts. "Aber wir kommen mit 60, 70 Millionen Euro nicht hin". Deshalb werde die fast schuldenfreie Stadt wohl bald ihr inzwischen fast 300 Millionen Euro dickes Finanzpolster angreifen müssen.

    Weniger sind die Auswirkungen in Augsburg, Nürnberg und München zu spüren, wo der zu VW gehörende Lastwagen- und Maschinenbauer MAN 17 000 Mitarbeiter beschäftigt. Anders als in Ingolstadt gibt es in den drei größten bayerischen Städten keine Haushaltssperre - sie rechnen dieses Jahr mit mehr Gewerbesteuern als 2015.

    Die Gewerbesteuer für Audi und MAN wird vom VW-Konzern in Wolfsburg überwiesen, dessen Gewinn wegen des Dieselskandals eingebrochen ist. Die Vorauszahlungen habe VW schon Ende 2015 auf Null gestellt, sagte der Ingolstädter Stadtrat Hans-Joachim Werner. Audi beschäftigt in der 133 000 Einwohner zählenden Stadt rund 44 000 Menschen.

    Volkswagen: Die Geschichte der Abgasaffäre

    Volkswagen ist seit dem 18. September 2015 offiziell in einen Abgasskandal verstrickt. Der Skandal wird auch VW-Abgasaffäre oder Dieselgate genannt.

    Was hinter der Affäre steckt? VW hatte illegal eine Abschalteinrichtung in die Motorsteuerung aller Diesel-Fahrzeuge eingebaut. Mit der Software wollte man den Abgasnormen in den USA entgehen.

    Dieselgate wurde von der US-Umweltbehörde Environmental Protection Agency (EPA) mit aufgedeckt.

    Die Software wurde nach Angaben von Volkswagen in etwa elf Millionen Fahrzeugen mit der Motorenreihe VW EA189 weltweit eingebaut, in den USA ist demnach auch die Nachfolgereihe VW EA288 betroffen. Anderen Berichten zufolge wurde die Software allerdings für vier verschiedene Motorentypen angepasst.

    Der Skandal weitete sich auch auf Fahrzeuge von Porsche und Audi aus. Der Vorstandsvorsitzende der Volkwagen AG, Martin Winterkorn, zog die Konsequenzen aus dem Skandal und trat zurück. Sein Nachfolger wurde Matthias Müller, bislang Vorstandsvorsitzender der Porsche AG.

    Auch an Dieselfahrzeugen anderer Hersteller aus Deutschland und von internationalen Herstellern wurde nach Bekanntwerden der Abgasaffäre nachgeforscht. Häufig wurden ebenfalls überhöhte Schadstoffwerte festgestellt. Dieselgate von Volkswagen war Auslöser einer internationalen Krise der gesamten Automobilindustrie.

    Anfang 2016 soll die vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) angeordnete Rückrufaktion gestartet werden. In ganz Deutschland sollen bundesweit im Laufe des Jahres 2,4 Millionen Diesel-Autos in die Werkstatt. Der Start der Rückrufaktion verzögert sich.

    Die Amerikaner verklagen Volkswagen. In den USA sollen mehr als 600.000 Fahrzeuge von der Abgasaffäre betroffen sein.

    Außerdem bestätigt das Landgericht Braunschweig gegenüber dem NDR, dass 278 Aktionäre Volkswagen auf insgesamt 3,255 Milliarden Euro verklagent. Die Anleger fordern Schadenersatz als Ausgleich für die Kursverluste durch den Diesel-Skandal.

    Für Volkswagen wird allein die Aufarbeitung des Skandals in den USA immens teuer. Die Entschädigungen und Strafzahlungen sollen sich auf 14,7 Milliarden Dollar (13,3 Milliarden Euro) voraussichtlich belaufen. (AZ)

    Bayern hat als erstes Bundesland eine Klage gegen VW angekündigt. Voraussichtlich im September werde der bayerische Pensionsfonds Klage auf Schadensersatz wegen Pflichtverletzungen von Volkswagen einreichen, sagte eine Sprecherin des bayerischen Finanzministeriums. Die Vorbereitung der Klage laufe bereits. Bayern will sich mit der Klage einen sogenannten Kursdifferenzschaden zurück holen.

    Nach 111 Millionen Euro Gewerbesteuer im vergangenen Jahr habe Ingolstadt heuer mit nur noch 68 Millionen gerechnet, "aber wegen Nachzahlungen kommen wir auf 105 Millionen. Der Haushalt 2016 läuft."

    Vorsorglich hat die Stadt eine Haushaltssperre von 15 Prozent für bestimmte Ausgaben erlassen, Bauinvestitionen, Straßenbau, Personal- und Sachausgaben sind gedeckelt, einzelne Vorhaben werden verschoben. "Wo man echt spart, sind Schul-Ausbauten", beklagt SPD-Fraktionschef Werner. Aber die meisten Gebührenerhöhungen seien ohnehin fällig gewesen. Es gibt keinen Einstellungsstopp, das neue Kunstmuseum soll wie geplant gebaut werden, und das neue Hallenbad "ist eben neu eingeweiht. Wir jammern schon auf hohem Niveau", sagte Werner. Vorsichtshalber werde aber auch bei Kleinigkeiten gespart: Bei Stadtratssitzungen gibt's statt belegten Brötchen nur noch Brezen.

    Abgefedert wird der Einbruch der Gewerbesteuer in Ingolstadt durch die hohe Einkommenssteuer-Umlage. Neben 44 000 Audianern sind in Ingolstadt etwa 8000 Menschen bei Zulieferern beschäftigt, die Kaufkraft der Einwohner liegt über dem bayerischen Durchschnitt, die Arbeitslosigkeit mit gerade mal 2,0 Prozent darunter. "Natürlich verdanken wir Audi fette Jahre. Wenn Audi brummt, schwimmt die Stadt im Geld", sagte Werner.

    In einigen Jahren habe Ingolstadt mehr als 100 Millionen Euro Gewerbesteuer-Nachzahlung erhalten - mit einem gesetzlichen Zinszuschlag von 6 Prozent. In den nächsten Jahren sei aus Wolfsburg sicher weniger zu erwarten, sagte Werner, zeigte sich aber optimistischer als der Kämmerer: "Die Rücklagen sollen 2019 aufgebraucht sein. Aber ich gehe jede Wette ein, dass es länger reicht." dpa/lby

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