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Ingolstadt: So sehr verfolgt der Abgas-Skandal Audi noch immer

Ingolstadt

So sehr verfolgt der Abgas-Skandal Audi noch immer

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    Der Dieselskandal hat Audi in Schwierigkeiten gebracht und tut es weiter. Die Mitarbeiter sind immer noch erschüttert.
    Der Dieselskandal hat Audi in Schwierigkeiten gebracht und tut es weiter. Die Mitarbeiter sind immer noch erschüttert. Foto: Armin Weigel, dpa

    Wenn man beim Landgericht Ingolstadt nachfragt, inwieweit denn der VW-Abgas-Skandal aufgearbeitet sei, dann lautet die Antwort: noch lange nicht. Seit vergangenen Sommer haben sich die Zivilverfahren dort auf rund 2600 nahezu verdoppelt. Was zum überwiegenden Teil an der Diesel-Krise liege, wie eine Sprecherin mitteilt. Dieselfahrer haben Audi, VW, einzelne Händler oder andere Marken des Konzerns verklagt. Die Schriftsätze pro Fall haben nicht selten mehr als 100 Seiten und müssen an mehrere Parteien verschickt werden. An manchen Tagen, so erklärt die Sprecherin, schauten die Kollegen angesichts tausender Blätter kaum über ihren Schreibtisch. Um das alles bewältigen zu können, bräuchte das Landgericht eigentlich etwa zehn Richter mehr.

    Es gibt noch viel zu tun. Auch bei Audi. Seit 2015 hat man sich zum hausgemachten Abgas-Skandal zu verhalten. Und dazu kommen die Anforderungen, denen sich die Branche als Ganzes stellen muss: E-Mobilitäts-Offensive, Digitalisierung und die zweite Runde der WLTP-Umstellungen. Man befindet sich in einem schwierigen Jahr des Umbruchs mit bisher schlechten Absatz-Zahlen. „Herausfordernd“ sagt man bei Audi dazu. Am Donnerstag konnte die VW-Tochter zwar vermelden, dass erstmals in diesem Jahr mehr Autos verkauft wurden als im Vorjahresmonat. Insgesamt aber steht im ersten Halbjahr weiterhin ein dickes Minus bei den Auslieferungen in den Büchern – der Absatz sank um 4,5 Prozent auf 906.000 Fahrzeuge. Dass im Juni nun eine Trendwende gelang, stimme das Unternehmen „optimistisch“, heißt es in einer Mitteilung.

    Audi: Anklage gegen Stadler könnte noch im Sommer erhoben werden

    Bessere Zahlen und Nachrichten kann man jedenfalls brauchen. Denn die „Diesel-Thematik“, wie man bei Audi den Betrugsskandal gerne genannt hat, holt das Unternehmen immer wieder ein. In den vergangenen Wochen hatten Handelsblatt, BR und Spiegel berichtet, dass Audi seine Kunden umfassender und länger getäuscht haben soll, als bislang bekannt. Das Strafverfahren läuft ohnehin. Bei der Staatsanwaltschaft München II werden derzeit 27 Personen als Beschuldigte geführt. Ermittelt wird wegen des Verdachts auf Betrug, strafbare Werbung und mittelbare Falschbeurkundung.

    Auch der frühere Audi-Chef Rupert Stadler ist im Visier der Ermittler. Er soll nicht verhindert haben, dass Audi Diesel-Autos mit manipulierter Abgasreinigung verkauft hat. Die Staatsanwaltschaft München II macht keine Angaben dazu, ob und wann sie Anklage gegen den Ex-Top-Manager erheben will. Dem Vernehmen nach könnte es noch im Laufe des Sommers soweit sein. Der U-Haft-Befehl gegen Stadler war im Oktober 2018 gegen Auflagen vorübergehend außer Kraft gesetzt worden. Ob Stadler und die anderen Beschuldigten sich etwas haben zuschulden kommen lassen, steht noch nicht fest.

    Dennoch haben auch die jüngsten Enthüllungsberichte nicht gerade dazu beigetragen, verloren gegangenes Vertrauen bei den Audianern wiederherzustellen. Ein Sprecher des Audi-Betriebsrates sagte auf Anfrage: „Die Belegschaft hat der Diesel-Skandal bis ins Mark erschüttert. Das war alles für uns unvorstellbar.“

    Vertrauen wieder herstellen muss Stadlers Nachfolger an der Audi-Spitze Bram Schot. Der hat sich klar zur Sache positioniert. Bei der Jahrespressekonferenz im März sagte Schot etwa: „So etwas wie die Dieselkrise hätte niemals passieren dürfen. Und so etwas wird es hier nie mehr geben. Nie mehr.“

    Schot ist bei Audi der Mann des Aufbruchs in Zeiten von E-Mobilität und Digitalisierung. Der heute 58-Jährige krempelt die Audi AG seither gründlich um. Audi will bis 2022 15 Milliarden Euro an Kosten einsparen, Personal abbauen und viel elektrischer werden. Bis 2025 sollen 40 Prozent aller verkauften Autos Elektro- und Hybridfahrzeuge sein.

    Die Elektro-Offensive scheint bei Audi zu greifen

    Die ersten Folgen dieser Strategie sind schon ansatzweise spürbar. So arbeiteten am Ingolstädter Standort Ende Juni genau 44.342 Beschäftigte – 184 weniger als noch ein halbes Jahr zuvor. Dabei wird es nicht bleiben. Betriebsbedingten Kündigungen wird es in absehbarer Zeit allerdings nicht geben. Die zwischen Unternehmen und Betriebsrat ausgehandelte Beschäftigungsgarantie gilt noch bis 2025. Und auch die Elektro-Offensive scheint zu greifen.

    Das Unternehmen zeigt sich jedenfalls zuversichtlich hinsichtlich der Auslieferungszahlen für den E-tron, Audis erstes voll elektrifiziertes SUV. Rund 9400 wurden seit März ausgeliefert, „wir sind mit der Auftragslage für den E-tron sehr zufrieden“, betont eine Unternehmenssprecherin. Wenn auch da nicht alles glatt läuft: Wegen Engpässen bei den Batterielieferungen müssen die Kunden teils lange auf ihren Neuwagen warten, in Deutschland durchschnittlich sieben Monate. Zudem gab es bereits einen Rückruf in die Werkstätten. Der Grund: mögliche Brandgefahr.

    Betriebsrat fordert: E-Autos auch in Ingolstadt produzieren

    Heiß hergehen könnte es künftig auch bei den anstehenden Verhandlungen zwischen Vorstand und Arbeitnehmer-Vertretung, wenn es um das Produktportfolio und die Werkebelegung geht. Für den Audi-Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Peter Mosch geht dabei Gründlichkeit vor Geschwindigkeit. Schots Gesamtstrategie hat Mosch bereits als „von den Inhalten in sich schlüssig, realistisch und realisierbar“ bezeichnet.

    Für die Standorte inklusive Werksbelegung müsse das Unternehmen nun aber ein „ebenso klares und nachhaltiges Konzept“ vorlegen. Wichtige Forderungen der Arbeitnehmervertretung sind dabei: Zwei Stromer sollen jeweils in Ingolstadt und Neckarsulm produziert werden. Außerdem soll die Beschäftigungsgarantie für die Angestellten in Deutschland bis 2030 ausgeweitet werden. Bis zum Herbst, so glaubt Mosch, könne man die „Grundlage für eine Vereinbarung“ erreicht haben. (mit dpa)

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