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Ingolstadt: Razzien bei dem Autobauer: Darin liegt die Audi-Tragik

Ingolstadt

Razzien bei dem Autobauer: Darin liegt die Audi-Tragik

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    Schon wieder hat es eine Razzia bei Audi gegeben. Der Ingolstädter Autobauer scheint in eine Dauerkrise zu geraten.
    Schon wieder hat es eine Razzia bei Audi gegeben. Der Ingolstädter Autobauer scheint in eine Dauerkrise zu geraten. Foto: Frank Rumpenhorst, dpa

    Dass die Staatsanwaltschaft München bei Audi nicht nachgibt, lässt sich in dem komplizierten Verfahren einfach erklären: Nachdem am 15. März 2017 – und das parallel zur Jahrespressekonferenz des Autoherstellers – Büroräume des Unternehmens durchsucht und Unterlagen beschlagnahmt wurden, konnten reichlich Schriftstücke und Datenträger ausgewertet werden. So sind die Ermittler immer tiefer in die Materie um manipulierte Abgaswerte von Dieselmotoren eingedrungen. Infolgedessen hat sich die Zahl der Beschuldigten von einst vier auf nunmehr 13 erhöht.

    So kam es am Mittwoch zu neuen Razzien. Es wurden Wohnungen von sechs früheren und heutigen Audi-Motorentechnikern durchsucht. Darauf verwies am Donnerstag Karin Jung, stellvertretende Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft München II, gegenüber unserer Zeitung. Die Staatsanwälte ermitteln im Fall Audi wegen Betrugsverdachts und unlauterer Werbung. Managern wird vorgeworfen, bewusst Motoren so manipuliert zu haben, dass sie auf dem Prüfstand einen geringeren Ausstoß an gesundheitsgefährlichen Stickoxiden aufweisen als im Normalbetrieb auf der Straße.

    Audi-Chef Stadler scheint nach wie vor fest im Sattel zu sitzen.
    Audi-Chef Stadler scheint nach wie vor fest im Sattel zu sitzen. Foto: Ulrich Wagner

    Letztlich will die Staatsanwaltschaft natürlich wie in anderen spektakulären Münchner Wirtschaftsverfahren (Siemens, MAN, Hypo Real Estate) prüfen, ob Vorstände in die Machenschaften verwickelt waren, ja die Abgasmanipulationen sogar von ihnen ausgingen. Dafür gibt es im Fall Audi bislang noch keine Beweise. Angesichts des enormen Umfangs des bei den Razzien sichergestellten Materials ist es nach wie vor ungewiss, wann die Münchner Staatsanwälte ihre Ermittlungen beenden werden.

    Rupert Stadler sitzt bei Audi weiter fest im Sattel

    Ulrich Weiß, Ex-Leiter der Audi-Diesel-Motorenentwicklung in Neckarsulm, hat den einstigen Vorstand des Autobauers belastet. Audi-Chef Rupert Stadler sitzt nach Informationen unserer Zeitung aber weiter fest im Sattel. Die VW-Großaktionärs-Familien Porsche und Piëch stehen demnach unverändert zu ihm, auf alle Fälle solange die Justiz den Bayern nicht schwer belastet. An der Treue der Mitinhaber des Audi-Mutterkonzerns rüttelt auch nicht der Umstand, dass unlängst das Handelsblatt titelte, der Autobauer sei unter Druck, weil nicht nur das wichtige Modell A4, sondern auch andere Fahrzeugtypen schlechter als geplant liefen.

    Doch zwei renommierte, von unserer Zeitung befragte deutsche Automobil-Experten, sind zunehmend besorgt über die Verfassung der vom Diesel-Skandal betroffenen heimischen Fahrzeughersteller. So sagt Professor Stefan Bratzel auch zum Verhalten führender Volkswagen- und Audi-Manager: „Darin liegt eine gewisse Tragik.“ Den Branchenkenner stört, dass die Unternehmenslenker keinen Mut hätten, „einen Strich unter die alte Zeit zu ziehen“. Ihm missfällt also die mangelnde Bereitschaft, die Diesel-Affäre aufzuklären.

    Audi ist eine Stadt in der Stadt Ingolstadt. Wenn es Audi gut geht, geht es dem Drumherum in aller Regel auch gut. Doch derzeit prägen Skandale das Image des Autobauers.
    Audi ist eine Stadt in der Stadt Ingolstadt. Wenn es Audi gut geht, geht es dem Drumherum in aller Regel auch gut. Doch derzeit prägen Skandale das Image des Autobauers. Foto: Foto: dpa

    „Hier läuft etwas schief“, beklagt Bratzel. Ohne Transparenz, also Offenheit, würden die Konzerne nicht den Weg aus der Dauerkrise finden. Für das zurückhaltende Verhalten der Unternehmen, das zu immer neuen Durchsuchungsaktionen führe, hat der Experte eine Erklärung: „Sie fürchten, dass sie sonst weiteren Schadenersatzzahlungen ausgesetzt sind.“

    Daher seien immer wieder neue negative Nachrichten wie jetzt durch die Razzia bei Audi programmiert. „Dabei müssten die Hersteller nach vorne schauen und eine rationale Diskussion über den Antrieb der Zukunft führen“, fordert Bratzel. Hier sollte auch der Diesel neben Elektromotoren nach wie vor eine wichtige Rolle spielen.

    Auch Professor Ferdinand Dudenhöffer geht der „Affenzirkus“ in der Automobilindustrie auf den Geist. In Richtung Audi & Co sagt er: „Wir müssen endlich überlegen, wie wir die durch Diesel-Abgase hervorgerufene Stickoxidbelastung verringern.“ Doch auch die Bundesregierung mache keinen Druck.

    Auto-Experte regt sich über „Affentheater“ auf

    Derweil müssten tausende Menschen unter den hohen Schadstoffwerten leiden. Hier finde täglich ein Versuch an Frauen und Männern statt, meint Dudenhöffer zur Empörung über das Schicksal der Affen, die im Auftrag der Autoindustrie Abgase einatmen mussten. In Bezug auf die Ermittlungen der Münchner Staatsanwaltschaft spricht er von einer „Razzia der Hilflosigkeit“.

    Damit meint der Professor, dass die Ermittler gegen Stadler nicht genug in der Hand hätten. Dudenhöffer: „Das Eis unter dem Audi-Chef wird von Monat zu Monat dicker.“ Die Zeit heile doch manchmal Wunden. Für den bekannten Auto-Experten gibt es keine Anzeichen, dass Stadler seinen Posten räumen müsse.

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