Von unserem Redaktionsmitglied Klaus Köhler, Rain
Bei Dehner in Rain am Lech beherrscht man auch diese Kunst. Selbst in den schwierigen Monaten nach dem 11. September hat der Pflanzenkonzern sein Wachstumstempo beibehalten und das Ziel, um fünf Prozent zuzulegen, im zweiten Halbjahr 2001 mit gut sechs Prozent sogar leicht übertroffen. Von selbst wachsen derartige Erfolge auch in schweren Zeiten nicht. Sie sind das Ergebnis kluger, vorausschauender Entscheidungen und harter Arbeit. Dahinter stecken Menschen, die auch neue Wege gehen ohne darüber ihre alten Kunden zu vernachlässigen.
Der wohl wichtigste Erfolgsfaktor im Hause Dehner aber sind die Mitarbeiter, "und da ist jeder der mittlerweile mehr als 4800 für uns wichtig", sagt Sissi Wersing, Tochter des Firmengründers Georg Weber und im Konzern für Werbung und Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich. Sie ist Mitbesitzerin des Unternehmens, in dem ihr Bruder Albert seit dem Tod des Vaters als geschäftsführender Gesellschafter den Ton angibt. Seit vielen Jahren gehört auch Sissi Wersings Ehemann Georg der Führungsebene an. Ein reiner Familienbetrieb also, trotz der inzwischen stattlichen Größe?
Nicht ganz, denn in den vergangenen Jahren wurden mit Hans-Jürgen Kendziora und Hansjörg Flassak auch Nicht-Familienangehörige in die Geschäftsführung berufen und die Aufgaben im Führungskreis auf mehr Schultern als zuvor verteilt. Angesichts der Größe und der vielfältigen Aktivitäten des Pflanzenkonzerns, der Jahr für Jahr drei bis fünf neue Filialen eröffnet, ist das auch nötig. Ziel ist, "ohne Eile und Hektik", so Albert Weber, ganz Deutschland mit Gartencentern zu überziehen. Und noch eine weitere Vision hat er vor einem Jahr formuliert, als Dehner gerade die Umsatzmilliarde in D-Mark erreicht hatte: "Eine Milliarde Umsatz in Euro noch in diesem Jahrzehnt."
Schon heute gilt der Konzern als Marktführer in Europa. Keimzelle des Erfolgs war die kleine Samenzucht- und -großhandlung Dehner & Co, die Georg Weber 1947 in Rain gründete, nachdem er die Tochter des Lebensmittelgroßhändlers Albert Dehner geheiratet hatte. Auf gepachteten Flächen züchtete er Samen, die, in kleine Tüten verpackt, an Ständern in Lebensmittelgeschäften angeboten wurden. Doch diese Form des Vertriebs warf nicht sehr viel ab, so dass sich Georg Weber direkt dem Endverbraucher zuwandte und mit einem ersten Schwarzweißkatalog in den Versandhandel einstieg. Bald richtete er in seiner Heimatstadt Augsburg den ersten Laden ein, dem inzwischen viele andere folgten.
Heute gibt es weit mehr als 80 Dehner-Filialen in Deutschland und Österreich, und laufend werden es mehr. "Fast sensationell war die Gründung eines Gartencenters in der Weltstadt München, wo wir dann erstmalig erkannten, was alles in einem solchen Handel möglich ist", wie sich der jetzige Konzernchef Albert Weber erinnert. Das Sortiment wird beständig erweitert, "wobei wir uns aber treu bleiben wollen, indem wir nur Dinge verkaufen, die uns auch zuzurechnen sind", so Weber. Pflanzen bestimmen deshalb auch weiterhin das Geschäft des Konzerns, der die Ware aber kaum noch selbst produziert.
Die Pflanzen stammen dennoch zu einem Großteil aus Rain, wo heute viele Lieferanten ihre Gewächshäuser und Freiflächen haben. Gärtnersiedlung nennt sich das vor zwei Jahren gestartete Projekt. "Wie in der Autoindustrie arbeiten unsere Lieferanten just in time", sagt Prokurist Wolfgang Graeser, der vor 30 Jahren als Lehrling bei Dehner begonnen hat und heute für die gesamte Logistik zuständig ist. Die Idee, die hinter der Gärtnersiedlung steckt: Die Lieferanten bauen auf günstigen Flächen mit ausreichend Platz für Erweiterungen "Pflanzenfabriken"auf neuestem Stand. Dazu gehört auch nachhaltiges Wirtschaften, beispielsweise mit geschlossenen Wasserkreisläufen. Ihrem Hauptkunden Dehner bringt das vor allem eine bessere Qualität der Pflanzen und größere Flexibilität bei der Belieferung der Filialen. Flexibilität wird auch von den Mitarbeitern erwartet, denn das Geschäft ist stark saisonabhängig.
"In den Monaten März, April und Mai machen wir 60 Prozent unseres Umsatzes", sagt Wolfgang Graeser. Gefordert ist die Mannschaft am Stammsitz in Rain besonders an Samstagen, wenn die Filialen ihren Bedarf für die kommende Woche melden. Am Montag steht schon wieder ausreichend frische Ware in den Regalen. Auch das ist ein Punkt, in dem die Pflanzenhändler aus Rain manchem Konkurrenten voraus sind. Der Name Dehner steht aber nicht nur für Gartencenter. Die Sparte Agrar versorgt rund 50000 landwirtschaftliche Betriebe "mit hochwertigem Saatgut, Düngemitteln und zeitgemäßem Pflanzenschutz".
Eine enge Zusammenarbeit besteht zudem mit der Fachhochschule Weihenstephan, der Dehner eine Professur für Bioinformatik gestiftet hat. Erwähnt werden müssen schließlich auch die gastronomischen Aktivitäten des Konzerns. Mehr als 400 Essen am Tag werden im Blumencafé in Rain ausgereicht, das gerade erweitert wird, und bald sogar das Tafeln unter Palmen möglich sein wird. Erfolgreich gestartet ist auch das Blumenhotel, dessen 69 Betten demnächst kräftig aufgestockt werden. Und dann ist da noch der Blumenpark mit großem Schaugelände, der gerade erweitert wird. Die erste Ausbaustufe wurde im Oktober eröffnet. Im Juni folgt der zweite Teil mit einem Palmenhaus als Eingangsbereich.
Vollends zur Blumenstadt soll Rain am Lech mit der Landesgartenschau im Jahr 2009 werden. Vor wenigen Tagen erfolgte der Zuschlag. Erstmalig ist neben dem Land und der austragenden Stadt mit Dehner auch ein privater Veranstalter eingebunden. Noch steht die Planung nicht, doch eines ist sicher: Der Pflanzenkonzern und seine Mitarbeiter werden ihre Chance nutzen. "Wir wollen neue Akzente setzen", sagt Wolfgang Graeser. Bei Dehner hat man sich vorgenommen, für die Landesgartenschau "etwas Nachhaltiges zu schaffen". Sissi Wersing: "Es soll für Rain etwas Bleibendes entstehen."