Schädlingsbefall in Bäckereien, bakteriell verseuchte Wurst, Salmonellen in Eiern. Lebensmittelskandale haben in den vergangenen Jahren in Bayern für Diskussionen gesorgt und Zweifel an der staatlichen Lebensmittelkontrolle geweckt. Wie kontrollieren die Ämter? Reichen die Kontrollen aus? Darüber tobt ein politischer Streit, wie unser Überblick zeigt.
Welche Betriebe werden kontrolliert?
Kontrolliert werden Betriebe, die Lebensmittel herstellen, Gaststätten, Imbisse, Kantinen, aber auch der Handel, Importeure und Wochenmärkte, berichtet das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL).
Wer kontrolliert in Bayern Betriebe, die Lebensmittel herstellen?
Zuständig sind die 71 Landratsämter und die 25 kreisfreien Städte. Vor allem sie schicken Lebensmittelkontrolleure und Tierärzte in die Betriebe. Unter anderem können auch Kontrolleure einer „Spezialeinheit“ des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit mitwirken, wie das Amt berichtet. Diese Spezialeinheit ist im Jahr 2006 kurz nach dem Gammelfleischskandal geschaffen worden. In den vergangenen Jahren war die „Spezialeinheit in 29 Kontrollen in 19 Großbäckereien eingebunden, berichtet das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz unter CSU-Politikerin Ulrike Scharf.
Wie oft finden dort Kontrollen statt?
Das schwankt. Wie häufig und wie gründlich kontrolliert wird, hänge von einer „für jeden Betrieb durchzuführenden Risikobewertung ab“, berichtet das Landesamt. Ein Beispiel: Für das jetzt in die Kritik geratene Unternehmen Ihle fanden dieses Jahr bisher drei Kontrollen statt, berichtet das Landratsamt Aichach-Friedberg auf Anfrage unserer Zeitung.
Wie läuft eine Kontrolle ab?
Das Wichtigste: Die Kontrollen finden ohne Ankündigung statt, heißt es beim Landesamt. Die Firma sollte also nicht vorgewarnt sein. Die Prüfer besichtigen dann Produktions-, Lager-, Kühl- und Verkaufsräume, aber auch das Arbeitsgerät, zum Beispiel Messer und Arbeitsplatten. Zudem werden Proben der Lebensmittel entnommen.
Welche Konsequenzen haben auffällige Betriebe zu fürchten?
Besteht Gefahr für die Verbraucher, können die Behörden den Rückruf eines Produkts anordnen. Genügt das nicht, können die Behörden den Betrieb schließen. Einen Produktionsstopp ordneten die Ämter zum Beispiel 2012 für den oberbayerischen Großbäcker „Müller Brot“ an. In der Praxis kommen Rückrufe und Schließungen aber „selten“ vor, berichtet das Landesamt. „Vielfach genüge es, den Gewerbetreibenden zu informieren oder zu belehren.“ In Extremfällen seien aber Bußgelder oder eine Strafanzeige möglich.
Was passiert mit den Ergebnissen der Kontrollen? Werden diese veröffentlicht?
Hier wird es politisch interessant. Denn nach dem Ehec-Skandal 2011 um einen Darmkeim und einem Skandal um dioxinverseuchtes Futter 2010/11 sind die Rechte der Verbraucher gestärkt worden. Damals wurde beschlossen, dass die Ergebnisse der Lebensmittelüberwachung im Internet veröffentlicht werden – auch wenn noch keine Gesundheitsgefahr besteht, aber gegen die Hygiene verstoßen wird. Die Betriebe standen mit ihrem Namen im Netz. Die Änderung des Lebensmittel- und Futtermittel-Gesetzbuchs kam unter Ex-Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner zustande. Am „Netz-Pranger“ standen Firmen, gegen die ein Bußgeld ab 350 Euro verhängt wurde. Eigentlich wäre also Transparenz garantiert. Das Problem: Mehrere Betriebe legten Klage ein und bekamen unter anderem vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof recht. Geklagt hatten zum Beispiel Restaurants in München. Im März 2013 beschloss Bayern, die Veröffentlichung auszusetzen. Seither ruht die Veröffentlichung.
Wie kann sich der Verbraucher noch Informationen über kritische Betriebe besorgen?
Bürger können über das Verbraucherinformationsgesetz Prüfergebnisse der Ämter anfordern. Dabei gibt es aber zwei Probleme, erklärt SPD-Fachmann Florian von Brunn. Zum einen werden die Betriebe informiert. Sie können die Auskunft verzögern. Zum anderen können die Behörden im Fall von Hygieneverstößen Kosten über 1000 Euro dem Fragesteller in Rechnung stellen. „Das Gesetz ist nicht verbraucher- und medienfreundlich“, sagt der Landtagsabgeordnete.
Wie lässt sich das System verschärfen?
Von Brunn fordert eine Veröffentlichung der Ergebnisse behördlicher Prüfungen. Dies sei das „scharfe Schwert“ des Verbraucherschutzes. „Für eine Gesetzesänderung gibt es eine politische Mehrheit“, ist er sich sicher. „Aus den Reihen der CSU und durch Landwirtschaftsminister Christian Schmidt wird dies aber blockiert.“ Der Fachpolitiker wirbt wie Foodwatch für Symbole an Restaurants und Geschäften, die über die Hygiene Auskunft geben – seien es Smileys oder ein Hygienebarometer. Er fordert zudem einen bundeseinheitlichen Bußgeldkatalog. In Bayern setzt Verbraucherschutzministern Ulrike Scharf dagegen auf mehr Kontrolle: Kurz vor Bekanntwerden der Foodwatch-Studie hat sie den Start eines Sonderkontrollprogramms für Großbäckereien angekündigt. Zudem wird ab 1. Januar 2018 die Prüfung großer Betriebe einer zentralen Lebensmittel-Kontrollbehörde übertragen.
Was spricht gegen eine Veröffentlichung?
Eine Veröffentlichung kann die Existenz der Betriebe gefährden. Darauf wies vor einiger Zeit zum Beispiel das Fleischerhandwerk hin. „Einen kleinen Handwerksbetrieb kann das schnell in den wirtschaftlichen Ruin treiben“, hieß es damals.
Lesen Sie auch:
Hygienemängel: Ihle gesteht Fehler in der Vergangenheit ein
Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Umfrageinstitut Civey zusammen. Was es mit den Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.