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Hintergrund: Wussten Politiker frühzeitig über den Abgas-Betrug Bescheid?

Hintergrund

Wussten Politiker frühzeitig über den Abgas-Betrug Bescheid?

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    Wussten Politiker frühzeitig über den Abgas-Betrug Bescheid?
    Wussten Politiker frühzeitig über den Abgas-Betrug Bescheid?

    Es steht ein schwerer Vorwurf im Raum. Im Kern geht es um die Behauptung, Autoindustrie und Mitglieder der Bundesregierung seien in schönster Kumpanei vereint. Und das zeige sich auch im Abgas-Skandal, bei dem der Volkswagen-Konzern im Mittelpunkt steht.

    So sagt der Fraktions-Vize der Grünen im Bundestag, Oliver Krischer, unserer Zeitung: „Es verdichten sich Hinweise, dass das Kanzleramt und die Bundeskanzlerin mit dem Thema Stickoxide schon weit früher beschäftigt waren als 2015.“ Als Beleg zieht der Oppositionspolitiker Vorgänge aus dem Jahr 2010 heran und verweist auf ihm vorliegende Akten, ohne bezüglich seiner Quellen konkreter zu werden. Aber Krischer sagt, Angela Merkel habe sich bereits 2010 mit dem einstigen kalifornischen Gouverneur Arnold Schwarzenegger über das Stickoxid-Thema ausgetauscht. Das geht, wie die Süddeutsche Zeitung schreibt, aus einem Vorbereitungszettel mit fünf Punkten hervor, den Merkel von Mitarbeitern für das Arbeitsfrühstück mit Schwarzenegger serviert bekam. Die Kanzlerin habe betont, dass die deutsche Autoindustrie den „Zielwert im derzeitigen kalifornischen Entwurf für Dieselfahrzeuge für nicht realisierbar“ halte. Das führe de facto zum Marktausschluss deutscher Anbieter in Kalifornien.

    Was passierte beim Treffen zwischen Angela Merkel und Arnold Schwarzenegger?

    Aufgebracht hatte das Thema die Wirtschaftswoche. Nach einem Bericht des Magazins wurde Schwarzenegger bei dem Besuch Merkels von Mary Nichols, Chefin der kalifornischen Umweltbehörde CARB, begleitet. Diese Organisation brachte durch Messungen an Volkswagen-Autos den Skandal über manipulierte Abgaswerte mit ins Rollen. Damals, so Nichols, habe Schwarzenegger mit der Kanzlerin über den Klimawandel reden wollen. Doch Merkels „erster Kommentar, nachdem die Türen geschlossen worden waren, war eine Beschwerde an mich“, wird die CARB-Chefin zitiert. Die CDU-Politikerin habe Nichols demnach bei dem Gespräch folgendermaßen attackiert: „Kalifornien mit seinen sehr strengen Stickoxid-Grenzwerten schadet den deutschen Autoherstellern.“ Für Nichols kam es überraschend, dass Merkel überhaupt etwas über die spezifischen Stickoxid-Probleme deutscher Hersteller wusste.

    All diese Berichte beziehen sich jedoch nicht auf Abgas-Manipulationen, wie sie später offenbar wurden. Trotzdem hat Grünen-Politiker Krischer dem Abgas-Untersuchungsausschuss des Bundestages vorgeschlagen, Merkel vorzuladen. „Wir brauchen endlich Transparenz bei der Kumpanei zwischen Bundesregierung und Autoindustrie“, begründete er den Schritt. Krischer, der Mitglied des Ausschusses ist, will auch die Rolle des Kanzleramtes bei der EU-Gesetzgebung zu Autoabgasen aufklären, habe sich doch der in Deutschland so wichtige Wirtschaftszweig auf europäischer Ebene mit laxen Vorgaben durchsetzen können. Von der Kanzlerin erhofft er sich die Aufklärung, „die der zuständige Minister Alexander Dobrindt und der Rest der Bundesregierung bisher nicht liefern konnte“. Nach Informationen unserer Zeitung könnte Merkel im Februar oder März vor dem Abgas-Ausschuss aussagen, also zu einem Zeitpunkt, zu dem der Bundestagswahlkampf bereits an Fahrt gewinnt.

    Auch Sigmar Gabriel soll vor den Ausschuss

    Zunächst einmal kommen jedoch andere prominente Minister dran. Wie der CSU-Politiker Ulrich Lange, Obmann der Union im Abgas-Untersuchungsausschuss, auf Anfrage bestätigte, sollen am 15. Dezember Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) und Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) befragt werden. Verkehrsminister Dobrindt (CSU) werde wohl im Februar drankommen.

    Lange, CSU-Kreisvorsitzender im Donau-Ries und verkehrspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, warnte vor voreiligen Schlüssen: „Wir müssen uns zunächst ein Gesamtbild machen, bevor man eine Bewertung vornimmt.“ Bisher sei durch die Befragung der Experten deutlich geworden, dass die Autohersteller reichlich Interpretationsspielraum hätten, weil europäische Abgas-Vorschriften unbestimmt seien. Lange sprach sich gegen Sammelklagen nach US-Vorbild für Deutschland aus: „Wir wollen nicht nur wegen VW einen solchen Rechtsanspruch begründen.“ Der CSU-Politiker verwies darauf, dass das deutsche, auf dem Bürgerlichen Gesetzbuch beruhende Recht auf individuellen Ansprüchen fußt. Sammelklagen nach US-Beispiel lehnt die Bundestagsfraktion der Union ab. VW-Kunden, die sich geschädigt fühlen, müssen also einzeln vor Gericht ziehen. Ein mühsames Unterfangen, gehen doch VW-Anwälte, wenn sie verlieren, in Berufung. Letztlich könnte der Streit um die Frage, wie groß die Wertminderung der Dieselfahrzeuge ist, vor dem Bundesgerichtshof ausgetragen werden.

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