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Hintergrund: Warum immer mehr Regionalbanken fusionieren

Hintergrund

Warum immer mehr Regionalbanken fusionieren

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    Fachleute erwarten, dass sich noch mehr Regionalbanken zusammenschließen.
    Fachleute erwarten, dass sich noch mehr Regionalbanken zusammenschließen. Foto: Julian Stratenschulte, dpa

    Für viele Sparkassen-Kunden zwischen dem Landkreis Augsburg im Norden bis hinunter zum Bodensee ist bald nur noch eine Bank zuständig. Die geplante Fusion der Kreissparkasse Augsburg mit der Sparkasse Memmingen-Lindau- Mindelheim hat Wellen geschlagen. Ähnliche Zusammenschlüsse haben Genossenschaftsbanken erlebt, zum Beispiel als sich vor einigen Jahren die Augusta-Bank in Augsburg mit der VR-Bank Kaufbeuren-Ostallgäu zur VR-Bank Augsburg-Ostallgäu zusammenschloss.

    Aktuell planen die Raiffeisenbanken Kissing-Mering und Adelzhausen-Sielenbach eine Fusion. Fachleute rechnen damit, dass dieser Prozess längst nicht am Ende ist. Die Neuorganisationen betreffen vor allem die Angestellten. Aber auch für Kunden kann der Druck im Bankenwesen teuer werden.

    Immer mehr Sparkassen sowie Volksbanken fusionieren

    Das größte Problem für die Banken, sagt Regionalbanken-Experte Patrick Pertl, sind wegbrechende Einnahmen. Pertl arbeitet in München für die Beratungsgesellschaft zeb und ist dort vor allem für Genossenschaftsbanken zuständig. Von ihm stammt das Buch „Regionalbanken zwischen Digitalisierung, Regulierung und Niedrigzinsumfeld.“

    Vor allem die fehlenden Zinsen setzen die Banken unter Druck. „Haben die Banken an den Sichteinlagen der Kunden – zum Beispiel auf Tagesgeldkonten – früher verdient, werden heute teilweise Negativzinsen fällig“, erklärt er. Die Banken zahlen minus 0,5 Prozent Zins, wenn sie Geld bei der Europäischen Zentralbank zwischenparken.

    Auch eine Anlage der Kundengelder in Anleihen rentiere sich für die Banken kaum mehr. „Wer heute als Bank 100 Euro in eine Bundesanleihe steckt, bekommt in zehn Jahren bei einer dort vorherrschenden negativen Rendite weniger zurück als ursprünglich einbezahlt.“

    Noch ein Jahrzehnt Niedrigzinsen? - Das trifft auch die Banken

    Zudem fällt es den Banken schwerer, mit klassischen Produkten Geld zu verdienen. Eine günstige Baufinanzierung bekommt man heute teilweise für ein Prozent Zins, dementsprechend wenig ist für die Institute verdient. Die Niedrigzinsphase ist aber nicht heute auf morgen weg. Allianz-Chef Oliver Bäte rechnete unlängst mit einem weiteren Jahrzehnt Niedrigzinsen. Der Handlungsdruck ist also groß.

    Eine Lösung der Banken ist es, die Einnahmen zu steigern. Dies trifft die Kunden direkt. Strafzinsen, die die Banken bei der EZB zahlen, werden dann zum Beispiel an die Kunden weitergereicht. „Immer mehr Banken denken über Negativzinsen und Verwahrentgelte nach“, sagt Pertl. Das Verbraucherportal Verivox hatte Anfang April ermittelt, dass von 1300 deutschen Banken 300 Negativzinsen von den Kunden verlangen. Sie bewegen sich aber auch auf einem schmalen Grat, sagt Pertl: „Profitable Kunden will man ja nicht verschrecken.“ Dazu verlangen Banken für ihre Arbeit verstärkt Gebühren. Selbst private Institute wie die Commerzbank verabschieden sich schrittweise vom kostenlosen Girokonto.

    Die Banken, erklärt Pertl, könnten auch mehr Kredite vergeben, um so die Einnahmen zu erhöhen. Das Kreditvolumen der bayerischen Sparkassen hat 2020 erstmals die Marke von 150 Milliarden Euro überschritten, ein Plus von 5,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr. „Das Problem ist, dass die Banken die Kredite mit Eigenkapital hinterlegen müssen“, sagt Pertl. Das setzt der Expansion Grenzen. Die Institute bemühen sich deshalb, Einnahmen vermehrt auch aus dem Provisionsgeschäft zu erzielen. Es ist kein Zufall, dass die Banken stärker Wertpapiere, Fondssparpläne oder Versicherungen an die Kunden vermitteln wollen.

    Um Kosten zu sparen, stehen immer neue Fusionen an

    Der zweite große Ansatz ist es, an den Ausgaben zu arbeiten und die Kosten bei den Banken selbst zu senken. Hier kommt das Thema Fusionen ins Spiel. „Die Regionalbanken stehen unter Fusionsdruck. Dies hat die Volksbanken bereits hart getroffen, auch bei den Sparkassen ist es zunehmend ein Thema“, sagt Pertl. Gab es 2008 einst 440 Sparkassen in Deutschland, waren es Ende 2020 noch 379, die Zahl der Genossenschaftsbanken fiel von 1200 auf 812.

    Der Vorteil sind Einsparungen: „Stabsabteilungen muss man nach einer Fusion nur ein Mal vorhalten, man braucht nur eine Personalabteilung statt zwei, ein Marketing, ein Rechnungswesen und muss nur eine Bilanz erstellen.“ Das spart mittelfristig Geld, vor allem beim Personal.

    Es sei zwar selten, dass eine Bank aktiv Mitarbeiter entlässt, aber viele Ruheständler werden wohl nicht ersetzt werden. Die Sparkassen in Bayern zum Beispiel haben ihre Personalkosten 2020 um 29,5 Millionen Euro gesenkt. Mit Fusionen wirken die Banken auch dem Fachkräftemangel entgegen, sagt Pertl. „Hochqualifizierte Spezialisten finden sich am Markt nur wenige.“

    Pertl erwartet deshalb, dass sich die Fusionswelle fortsetzt: „Die Anzahl der Genossenschaftsbanken wird weiter heruntergehen und sich dem Niveau der Sparkassen annähern“, vermutet er zum Beispiel. „Es wird noch eine Konsolidierungswelle kommen. Die fusionierten Institute werden auch immer größer.“ Kleine Genossenschaftsbanken mit weniger als zehn Mitarbeitern hält er kaum für langfristig überlebensfähig.

    Zahl der Bank-Filialen schwindet, Kunden nutzen immer mehr Banking-Apps

    Neben der Zahl der Banken sinkt auch die Präsenz in der Fläche. Die Zahl der Filialen ist massiv gesunken. Dass sich der Trend fortsetzt, davon geht man bei der Beratungsgesellschaft Oliver Wyman aus. „Die Coronapandemie beschleunigt das Filialsterben – wir gehen nun von einer Reduktion auf circa 17500 Filialen bis Ende 2025 aus und damit fast vier Prozent weniger als in 2019“, sagte dort unlängst Experte Malte Gündling unserer Redaktion.

    Das Gebäude der Raiffeisenbank in Sielenbach.
    Das Gebäude der Raiffeisenbank in Sielenbach. Foto: Erich Echter

    Statt der Filiale wird die App zum Dienstleister für den Bankkunden – und die Kunden steigen darauf ein. Bayerns Sparkassen berichteten, dass sich die Zahl der Transaktionen über die Internet-Filialen oder die S-App in einem Jahr fast verzehnfacht habe. Das Thema „Robotics“ kehrt aber auch in die Banken selbst ein. Beispielsweise, um das erhöhte Kreditvolumen abzuarbeiten: „Statt eines Mitarbeiters nimmt ein Rechner die Klickstrecke vor“, sagt zeb-Experte Pertl.

    Strafzinsen und Gebühren hier, Fusionen und Digitalisierung dort – die Banken können auf die Herausforderungen des Negativzinsumfelds reagieren. Die Frage ist, ob sie dabei derart nah am Kunden sein können wie früher. „Die regionale Zuordnung aufrecht zu erhalten, wird nicht einfach sein“, sagt Pertl. Lösungsideen gibt es, zum Beispiel in Baden-Württemberg. Dort haben die Vereinigte Volksbank mit Sitz in Böblingen und die Volksbank Reutlingen fusioniert. Die Banken treten aber regional weiter unter eigenem Namen als Zweigniederlassungen mit Regionalvorständen auf.

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