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Hintergrund: Warum der Siemens-Chef viele Jobs abbaut

Hintergrund

Warum der Siemens-Chef viele Jobs abbaut

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    Siemens-Chef Joe Kaeser wird wohl tausende Arbeitsplätze abbauen. Gerade in der Energie-Sparte häufen sich immer mehr Probleme an.
    Siemens-Chef Joe Kaeser wird wohl tausende Arbeitsplätze abbauen. Gerade in der Energie-Sparte häufen sich immer mehr Probleme an. Foto: Peter Kneffel, dpa (Archiv)

    Vom Heilsbringer zum Krisenminister – das geht bei Siemens ganz schnell. Konzern-Chefs wie Heinrich von Pierer und Peter Löscher mussten das schmerzhaft erleben. Jetzt hat es Joe Kaeser erwischt. Vor wenigen Monaten noch schien es für den Niederbayern an der Konzern-Spitze bestens zu laufen. Ob bei den Mächtigen in Berlin, Peking oder Moskau: Seine Meinung zählt.

    Als die deutschen Auto-Bosse durch die Diesel-Affäre einen Image-Totalschaden erlitten haben, war der Rat des skandalfreien und erfolgreichen Kaesers umso gefragter. Der 60-Jährige genoss seinen Ruhm und mischte sich als einer der wenigen Manager eines deutschen Dax-Konzerns in die Politik ein. Auch wegen des Wahlerfolgs der AfD macht sich der Siemens-Chef Sorgen um Deutschland. Der drahtige und kantige Mann hatte einen Lauf. Der wurde jäh beendet.

    Denn Kaeser brachte die Arbeitnehmervertreter im Haus in einer Weise gegen sich auf, wie es das im Siemens-Reich lange nicht mehr gegeben hat. Es war durchgesickert, dass der Konzern tausende Jobs vor allem in der Energiesparte abbauen will. Gar von der drohenden Schließung mehrerer Werke ist die Rede.

    Die Gewerkschafter sind geschockt vom geplanten Jobabbau bei Siemens

    Und was Gewerkschaftern wie Jürgen Kerner besonders zu schaffen macht: Von diesen Einschnitten wären besonders Standorte in Ostdeutschland und dem Ruhrgebiet betroffen, also weniger blühende Industrie-Regionen in Deutschland. So sagte das IG-Metall-Vorstandsmitglied im Interview mit unserer Zeitung: "Was mich als Siemens-Aufsichtsrat ärgert, ist der Umstand, dass die Mitarbeiter von diesen Plänen wieder einmal aus den Medien erfahren." So gehe das nicht. Werksschließungen seien für die IG Metall eine rote Linie.

    Der Zorn der Betriebsräte und Gewerkschafter ist seitdem eher noch größer geworden. Kein Wunder: In Deutschland sollen in der Siemens-Kraftwerkssparte 3000 bis 4000 Arbeitsplätze gestrichen werden, verlautet immer wieder aus Branchenkreisen. Diese offiziell "Power and Gas" genannte Division beschäftigt weltweit rund 30.000 Mitarbeiter, darunter etwa 12.000 in Deutschland.

    Dabei sieht sich der Siemens-Chef in Zugzwang, weil die Nachfrage nach großen Gaskraftwerken, wie sie der deutsche Konzern baut, zurückgegangen ist. Die Prognosen für diesen Markt werden nicht besser. Wie das Beispiel des Gaskraftwerkes in Irsching bei Ingolstadt zeigt, rechnen sich diese Anlagen schon länger nicht mehr.

    Gaskraftwerke rechnen sich trotz effizienter Siemens-Technik nicht mehr

    Und das trotz Technik von Siemens, die einen hohen Wirkungsgrad aufweist und es erlaubt, das Gaskraftwerk schnell rauf- und runterzufahren. Doch Kohle ist vergleichsweise billig. So ist es deutlich rentabler, Kohlekraftwerke zu betreiben. Dumm nur, dass diese Energieerzeugungsanlagen erheblich mehr des Klimakillers CO2 ausstoßen als Gaskraftwerke.

    Deswegen hofft Kaeser, dass die Grünen bei den Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition einen möglichst raschen Kohleausstieg durchsetzen. Doch das dürfte angesichts des Widerstands gerade von Seite der FDP schwer werden. So muss der Manager handeln, zumal der Markt für Gaskraftwerke dank Wettbewerbern wie General Electric (USA) und Mitsubishi (Japan) hart umkämpft ist, was auf Preise und Margen drückt.

    Offiziell schweigt Kaeser noch zu seinen Abbau-Plänen. Doch der Druck von Politik und Gewerkschaften scheint Wirkung zu zeigen. Aus Münchner Quellen verlautet, Siemens könnte auch Arbeit von den alten Bundesländern mit größeren Standorten in kleinere ostdeutsche Werke wie Görlitz verlagern, um diese nicht schließen zu müssen. In Siemens-Kreisen heißt es: Im Zweifel müsse man mal auf den letzten Prozentpunkt Marge verzichten. Das klingt nach einem Kompromiss.

    Rigoroser Arbeitsplatzabbau bei Siemens Gamesa

    Kompromisslos gibt sich der Konzern hingegen, was die Krise des deutsch-spanischen Windenergie-Unternehmens Siemens Gamesa betrifft. Hier werden weitere bis zu 5250 Arbeitsplätze abgebaut.

    Auf der Internetseite rühmt sich die Firma noch, rund 27.000 leidenschaftliche Mitarbeiter zu haben. Doch nun stehen harte Einschnitte bevor. Davon betroffen sind vor allem Beschäftigte in Dänemark und Spanien. Deutschland kommt glimpflicher weg. Die neue Windkraftanlagen-Fabrik in Cuxhaven soll nicht angetastet werden.

    Dort werden einmal bis zu 1000 Frauen und Männer arbeiten. Aber warum muss Siemens ausgerechnet im boomenden Windenergie-Bereich derart brutal vorgehen? Weil die Fusion mit dem spanischen Anbieter Gamesa zum weltgrößten Windkraftanlagen-Produzenten einen "eklatanten Fehlstart" verzeichnet hat, wie die Frankfurter Allgemeine kritisiert. Es gibt viele Überschneidungen zwischen Siemens und Gamesa. Solche Doppelfunktionen werden nun abgebaut und Synergien gehoben. Das kostet Jobs.

    Dies allein erklärt nicht die Masse der wegfallenden Arbeitsplätze. Erschwerend kommt hinzu, dass es auf dem für das Unternehmen wichtigen indischen Markt nicht wie geplant läuft und sich in Deutschland wichtige Projekte verzögern.

    So pfeift Kaeser der Wind kräftig um die Ohren. Wie sehr ihn das alles mitnimmt, wird sich am Donnerstag zeigen, wenn der Manager in München bei der Bilanzvorlage den Journalisten Rede und Antwort steht.

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