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Hintergrund: Versagte das Kraftfahrtbundesamt im Fall Audi?

Hintergrund

Versagte das Kraftfahrtbundesamt im Fall Audi?

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    Das Kraftfahrtbundesamt hat seinen Sitz in Flensburg. Hier werden auch die berüchtigten Punkte von Verkehrssündern abgespeichert.
    Das Kraftfahrtbundesamt hat seinen Sitz in Flensburg. Hier werden auch die berüchtigten Punkte von Verkehrssündern abgespeichert. Foto: Carsten Rehder, dpa (Archiv)

    Eigentlich ist die Szene so kurios, dass sie aus einem Satirefilm stammen müsste: Wenn stimmt, was dem BR zugespielt worden ist, dann waren illegale Abschaltvorrichtungen bereits im Jahr 2003 ein Thema bei Audi und veranlassten einen Entwickler, ein Gedicht zu verfassen. Eine Variante des „Erlkönigs“ von Johann Wolfgang von Goethe, die er dann per E-Mail an seine Kollegen geschickt haben soll. Darin heißt es: „Defeat device, komm her zu mir!/Gar schöne Spiele spiel ich mit dir;/ manch’ Schweinerei liegt auf der Hand,/ die will ich verdecken mit nem Hystereseband.“ Hysterese ist ein Begriff aus der Regelungstechnik. Das acht Strophen lange Gedicht hat der BR veröffentlicht.

    Das Ausmaß der Diesel-Affäre soll dem Sender zufolge bei Audi größer sein als bisher bekannt. Unter anderem weil nicht nur eine, sondern vier verschiedene Strategien eingesetzt worden seien, um auf dem Prüfstand bessere Abgaswerte zu erreichen als auf der Straße. Am Ende habe das Kraftfahrtbundesamt aber nur einen Software-Baustein als illegal eingestuft.

    Bei Audi hält man die Darstellung für zu einfach, wie ein Sprecher im Gespräch mit unserer Redaktion erklärte. Demnach gebe es in der Motorsteuerung weit mehr Software-Komponenten als vier, welche Funktionen an- und abschalten. Nicht alle diese „Abschalteinrichtungen“ seien aber verboten. Eine Komponente sei jedoch nach der Überprüfung durch das Kraftfahrtbundesamt als unrechtmäßig eingestuft worden. Bei den Rückrufen sei man inzwischen aber weit gekommen. Von acht vom Bundesamt freigegebenen Rückrufen sind vier in der Umsetzung. Von rund 151.000 betroffenen Fahrzeugen in Deutschland seien 80 Prozent bereits nachgerüstet. Bei vier weiteren Rückrufen warte man noch auf die Freigabe des Kraftfahrtbundesamtes. Aus Sicht des Autobauers kontrolliert das Amt durchaus hart.

    Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, teilt dagegen die Kritik: „Audi ist leider der Betrieb, der im Urknall des Diesel-Skandals weit vorne liegt.“ Audi sei wohl nicht alleine verantwortlich für die Manipulationen. „Viele Kreativleistungen bei den Manipulationen scheinen aber bei Audi erbracht worden zu sein und sind dann in andere Bereiche rübergeschwappt“, sagt er.

    Täuschte Audi das Kraftfahrtbundesamt auch nach Bekanntwerden des Skandals?

    Einem Bericht des Handelsblatts zufolge sei es Audi selbst nach Bekanntwerden der Diesel-Affäre noch gelungen, das Kraftfahrtbundesamt zu täuschen. Nur ein Beispiel: Ende November 2015 habe Audi der Staatsanwaltschaft Ingolstadt geschrieben, dass das Bundesamt Audi bestätigt habe, gegen keine europäischen Zulassungsvorschriften verstoßen zu haben, und somit keine unzulässige Vorrichtung vorliege.

    Dem Handelsblatt zufolge betonten Mitarbeiter des Bundesamts in einer Vernehmung der Staatsanwaltschaft München II später, dass das Amt Fahrzeuge nie auf Abschalteinrichtungen geprüft habe. Dazu sei man gar nicht in der Lage gewesen. Heute weiß man, das zahlreiche Motoren manipuliert waren. Das Bundesamt musste inzwischen Rückrufe anordnen.

    Umwelthilfe-Chef Resch wirft dem Kraftfahrtbundesamt vor, nicht hartnäckig genug zu kontrollieren: „Das Kraftfahrtbundesamt ist nicht ernsthaft interessiert, den Diesel-Abgasskandal aufzuarbeiten“, sagt er. „Man will versuchen, die Belastungen für die Autoindustrie zu vermindern“, meint Resch. „Die Kontakte zwischen den Betrieben und der Politik sind so intensiv, dass keine wirksamen Kontrollen stattfinden.“

    Jürgen Resch von der Umwelthilfe: Endlich reinen Tisch machen

    Dabei wäre der richtige Weg „auch für die Industrie, im Diesel-Skandal endlich reinen Tisch zu machen.“ Dazu gehöre es, einzugestehen, welche Abschalteinrichtungen es noch gebe, und gleichzeitig allen betroffenen Autofahrern den Anspruch auf eine kostenlose Reparatur der Abgasanlage zu gewähren. „Damit könnte man die Luft sauberer machen und die Menschen von Fahrverboten befreien“, sagt Resch.

    Der Umweltschützer hat beobachtet, dass vor allem die bayerischen Autohersteller im Bundesverkehrsministerium von CSU-Politiker Andreas Scheuer und früher unter Alexander Dobrindt „besonderen Schutz“ zu genießen scheinen. „Im Kraftfahrtbundesamt gibt es eher eine Schutzhaltung gegenüber der gesamten Autoindustrie“, fügt Resch an und nennt ein Beispiel: Als er 2011 in einem Gespräch Vertreter des Verkehrsministeriums auf Auffälligkeiten bei dem VW-Motor EA 189 aufmerksam machte, sei man dem nicht nachgegangen. Das Kraftfahrtbundesamt habe sich damals geweigert, Nachprüfungen vorzunehmen.

    Und Resch wirft dem Verkehrsministerium und dem Amt vor, Dokumente aus der Diesel–Affäre zurückzuhalten. „Obwohl die Bundesregierung und das Kraftfahrtbundesamt rechtskräftig verurteilt wurden, Akten zur Verfügung zu stellen, die hunderttausenden Autofahrern helfen würden, ihre Ansprüche durchzusetzen, weigert sich das Amt, dies zu tun“, kritisiert Resch. „Manchmal denkt man, man bewegt sich in einer Bananenrepublik.“ Für ihn ist das falsche Signal, Firmen zu schonen, die Milliarden-Gewinne machen: „Damit vernichtet man Arbeitsplätze und gefährdet die deutsche Autoindustrie.“

    CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer verteidigte dagegen das Bundesamt: „Wir haben nie etwas Illegales zugelassen.“ Das Kraftfahrtbundesamt habe alles überprüft, was die Abschalteinrichtungen betreffe. „Das lasse ich nicht zu, dass irgendwer sagt, man hätte sich nicht gekümmert bei einem Prozess, der mittlerweile schon mehrere Jahre dauert.“ (mit dpa)

    Lesen Sie auch unseren Kommentar: Das Kraftfahrtbundesamt hat im Diesel–Skandal versagt.

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