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Hintergrund: Quartalszahlen: Wie Siemens der Krise trotzt

Hintergrund

Quartalszahlen: Wie Siemens der Krise trotzt

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    Joe Kaeser, Vorstandsvorsitzender von Siemens, im Februar bei einer Pressekonferenz im Rahmen der Siemens-Hauptversammlung. Nun präsentierte er die Quartalszahlen.
    Joe Kaeser, Vorstandsvorsitzender von Siemens, im Februar bei einer Pressekonferenz im Rahmen der Siemens-Hauptversammlung. Nun präsentierte er die Quartalszahlen. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Es schien zuletzt etwas ruhiger geworden zu sein um Joe Kaeser. Seit bekannt ist, dass der 63-Jährige mit der Hauptversammlung im Februar nächsten Jahres endgültig abtritt, steht er nicht mehr so sehr im Zentrum des deutschen Wirtschaftslebens wie früher. Doch der Niederbayer ist in den vergangenen Corona-Monaten nicht abgetaucht. Im Gegenteil: Kaeser mischt sich nach wie vor twitternd politisch ein und übergibt seinem Nachfolger Roland Busch, 55, einen Konzern, der sich, im Gegensatz zu Konkurrenten wie General Electric, in einer soliden Verfassung befindet.

    Ein gut laufendes Softwaregeschäft, Großaufträge wie von der Deutschen Bahn für 30 neue Züge und ein erfolgreiches Finanzmanagement mit freien Mitteln von über 2,1 Milliarden Euro allein im Industrie-Geschäft lassen aufhorchen. Kaeser tritt auf der Zielgeraden seiner Ära als Siemens-König entsprechend gelassen und selbstbewusst auf. "Wir halten erfolgreich Kurs und konnten eine überzeugende operative Performance abliefern", sagt er am Donnerstag bei der Präsentation der jüngsten Quartalszahlen. Siemens konnte im vergangenen Quartal immerhin noch 535 Millionen Euro Gewinn nach Steuern erwirtschaften, auch wenn im Vorjahreszeitraum stolze rund 1,14 Milliarden Euro zu Buche standen.

    Roland Busch wird neuer Vorstandschef des Industrie-Giganten Siemens.
    Roland Busch wird neuer Vorstandschef des Industrie-Giganten Siemens. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Quartalszahlen: Siemens trotzt der Krise und will den Energiebereich abspalten

    Kaeser sieht also die Chance, dass "Siemens dank der Innovationskraft des Konzerns gestärkt aus der Krise herauskommen kann". Da derlei zuversichtliche Gewissheit derzeit ein Randgruppen-Phänomen in der deutschen Wirtschaft ist, stechen die Botschaften des Siemens-Bosses umso mehr heraus. Der Manager hält etwa an seinem Plan fest, den Energiebereich, der immerhin für rund ein Drittel des Umsatzes der alten Siemens AG steht, abzuspalten und am 28. September an die Börse zu bringen. Aktionäre saugen die positiven Siemens-Nachrichten begierig auf und lassen den Wert des Konzerns wie auch am Donnerstag weiter spürbar steigen. Dabei hat die Siemens-Aktie schon jenes "V" vollzogen, von dem Konjunktur-Optimisten für die ganze deutsche Volkswirtschaft träumen.

    Denn zunächst sauste der Münchner Konzern an der Börse von Notierungen über 115 Euro mit dem Corona-Express auf bis zu knapp 60 Euro Mitte März nach unten. Dann setzte ein rasches Comeback ein: Die Siemens-Aktie bäumte sich vernehmlich auf und kehrte im Juli zu alter Stärke zurück. Dabei traut sich Siemens in Rezessionszeiten nicht nur den Börsengang des Energiebereichs zu, sondern geht auch auf Shoppingtour: Die bereits an den Aktienmarkt entlassene Medizintechniksparte kauft für 16,4 Milliarden Dollar das auf Krebsforschung und -therapie spezialisierte US-Unternehmen Varian – ein Mega-Deal, der in der Finanzbranche überwiegend positiv gesehen wird. Kaeser wiederum sieht sich durch solche Aktionen trotz Kritik darin bestätigt, großen Bereichen wie der Medizintechnik, also einer Sparte, die ja auch schon an die Börse gebracht wurde, mehr Handlungsspielraum zu gewähren. Für ihn ist die Zeit von Industrie-Konglomeraten vorbei. Sein Ziel ist es, den Tanker Siemens in Schnellboote zu zerlegen, die Tempo aufnehmen, wie die Übernahme in den USA zeigt.

    Joe Kaeser bleibt Siemens als Aufsichtsratschef der neuen Energiesparte verbunden

    Dabei scheint der Noch-Siemens-Lenker doch noch seinen Frieden damit gemacht zu haben, nicht zwei Jahre länger, wie mancher glaubte, Chef des Konzerns bleiben zu dürfen. Immerhin haben ihm die Aktionäre ohne großes Murren zugestanden, dass er als Aufsichtsratschef der neuen Energiesparte Siemens in mächtiger Funktion verbunden bleibt. Die Gefahr, Kaeser könne künftig medial untergehen, scheint ohnehin überschaubar zu sein. Nach wie vor lohnt es sich, seine Twitter-Aktivitäten zu studieren. Hier wettert er unverdrossen gegen "Hass, Ausgrenzung und Rassismus als Gift für die Zivilisation". Wer solche Dinge verharmlose, dulde oder gar fördere, mache sich mitschuldig. Derart klar reagierte Kaeser im Februar auf den Anschlag in Hanau.

    Dass er nach wie vor einer der politischsten Köpfe unter den Konzern-Vorständen ist, erwies sich wiederum im Mai. Kaesers Kampfeslust kam erneut zum Vorschein. Entgegen allen Empfehlungen, die Medienberater Managern gerne erteilen, legte sich der Siemens-Mann mit dem Bild-Imperium an. Die Schlagzeile "Exklusive Umfrage: Unzufriedenheit mit Merkel und Co. auf Rekordtief" kommentierte er: "Die Zeitung ist bekannt für große Schlagzeilen und flache Inhalte. Obwohl niemand perfekt ist, beneiden uns die meisten Länder um einen der größten politischen Führer der Welt. Die deutsche Führung hat im Umgang mit Covid-19 hervorragende Arbeit geleistet." Kaesers kecker Bild-Tweet fand Applaus. Eine Frau namens "Carmina Burana" schrieb: "Gut gebrüllt, Löwe!"

    Lesen Sie dazu auch den Kommentar Unternehmen zukaufen: Siemens muss wieder wachsen

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