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Hauptversammlung: Siemens stemmt sich gegen die Krisen der Welt

Hauptversammlung

Siemens stemmt sich gegen die Krisen der Welt

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    "Ingenuity for life" lautet der neue Siemens-Slogan. Der Vorstandsvorsitzende der Siemens AG, Joe Kaeser (rechts) und Finanzvorstand Ralf P. Thomas hoben ihre Gewinnprognose an.
    "Ingenuity for life" lautet der neue Siemens-Slogan. Der Vorstandsvorsitzende der Siemens AG, Joe Kaeser (rechts) und Finanzvorstand Ralf P. Thomas hoben ihre Gewinnprognose an. Foto: Tobias Hase, dpa

    Siemens ist seine letzte Machtbastion und er verteidigt sie geschickt. Was musste Gerhard Cromme alles an Prügeln der Aktionäre einstecken, weil er an seinem Amt als Aufsichtsratsvorsitzender des Konzerns klebe – und das, obwohl das Renteneintrittsalter längst überschritten sei. „Teflon-Cromme“ wurde er genannt. Umso befriedigender muss es für den 72-Jährigen sein, an diesem Dienstag von den Siemens-Aktionären in der Münchner Olympiahalle einmal nicht gescholten zu werden. Cromme hat sich Respekt zurückerobert.

    Der schlanke, große Mann mit dem rosigen Gesicht scheint in den vergangenen Jahren kaum gealtert zu sein. Er wirkt, wie es Boris Becker sagen würde, mental frisch im Kopf. Der am längsten amtierende Siemens-Aufsichtsrat hat das Thema des Tages als Erster erkannt und es medienwirksam aufbereitet.

    Als Siemens-Chef Joe Kaeser mit seiner Rede fertig ist, lächelt Cromme dieses saftig-selbstbewusste Cromme-Lächeln und sagt genussvoll: „Ich konnte es nicht lassen, auf den Börsenkurs zu schauen.“ Während des Vortrags des Vorstandschefs sei der Aktienkurs um sieben Prozent gestiegen, während der Dax ein Minus von einem Prozent erlitt.

    Der Siemens-Konzern legt im Gegensatz zum Dax zu

    Cromme hat alles durchgerechnet: „Das sind acht Prozent besser als der Dax.“ Und weil es sich für den Ältesten schickt, Weisheit auszustrahlen, mahnt der Aufsichtsratsboss die Aktionäre: „Jetzt nicht übermütig werden.“ Ein nachvollziehbarer Appell, bekommen die Anteilseigner des Konzerns doch für das Jahr 2015 eine Dividende von 3,50 gegenüber zuletzt 3,30 Euro. Das entspreche derzeit einer Rendite von über vier Prozent, was gut ist für einen Dax-Wert. Crommes Demuts-Appell mag auch passend sein, weil Siemens – beflügelt durch prima Geschäftszahlen – die Gewinn-Prognose für das Geschäftsjahr erhöht hat. Kaeser verspricht den Anteilseignern einen Nettogewinn je Aktie zwischen sechs und 6,40 Euro. Ursprünglich lag die wichtige Kennziffer zwischen 5,90 und 6,20 Euro.

    Solche Verheißungen lieben Aktionäre. Daher legt der Siemens-Wert gegen den Trend an diesem Tag kräftig zu, als gäbe es all die Konjunkturrisiken nicht, als würden Börsianer kein Ungemach aus China und von den ins Uferlose fallenden Rohstoffmärkten erwarten.

    Kaeser kann trotz der Warnung Crommes der Versuchung nicht widerstehen, seiner Freude über den Aktienkurs Ausdruck zu geben. „Unsere Aktie hat zuletzt 7,8 Prozent zugelegt und der Dax ist bei null.“ Damit meint der 58-jährige Niederbayer, dass der Deutsche Aktienindex auf der Stelle tritt. Kaeser strahlt in dem Moment geballtes Selbstbewusstsein aus. Er sieht den Konzern auf dem richtigen Kurs. Der Siemens-Chef traut sich nach einer langen und schmerzlichen Umbauzeit des Unternehmens eine Menge zu.

    Siemens kauft für 970 Millionen Dollar einen US-Industriesoftware-Anbieter, mit dessen Produkten sich Strömungen, denen Flugzeuge und Autos ausgesetzt sind, simulieren und analysieren lassen. Kaeser macht Siemens immer mehr zu einem Software-Konzern, für den fast 17500 von 347000 Mitarbeitern auf dem Gebiet arbeiten. Der Siemens-Chef würde sich nicht wundern, wenn in zehn Jahren doppelt so viele Software-Entwickler auf der Gehaltsliste stehen.

    Konzern-Lenker Joe Kaeser verkündet Rekord-Auftragsbestand

    Was macht den Konzern-Lenker derart selbstbewusst? Kaeser kann auf einen industriellen Rekord-Auftragsbestand von 114 Milliarden Euro bauen, auch weil die Geschäfte mit der Automatisierung von Fabriken, selbst mit Zügen und auch mit Medizintechnik-Produkten glänzend laufen. Das schmeckt Aktionären, gerade wenn ihnen der Siemens-Chef berichtet, dass der größte Auftrag der Firmengeschichte verbucht wurde: Ägypten setzt bei der Modernisierung des Energiesystems auf Siemens. In den kommenden Jahren werden die Deutschen dort die drei größten Gaskraftwerke der Welt und Windparks bauen.

    Kaeser hat also auch Glück. Mit einem Gewinn von 7,4 Milliarden Euro (plus 34 Prozent) und bei einem um sechs Prozent auf 75,6 Milliarden Euro gestiegenen Umsatz lässt es sich großzügig sein. So gratuliert er dem früheren Siemens-Chef Heinrich von Pierer, der am Tag der Hauptversammlung seinen 75. Geburtstag feiert. Das ist ein hochpolitischer Akt, schließlich musste der Manager im Zuge der Korruptionsaffäre gehen. Von Pierer hat noch viele Fans im Unternehmen. Kaeser ruft jedenfalls: „Happy Birthday.“

    Von Pierer habe dem Unternehmen gedient und es nach vorne gebracht, auch wenn in einigen Fällen nicht alles so lief, wie es hätte laufen müssen. Die Aktionäre freuen sich hörbar, dass das Geburtstagskind erwähnt wird. Sie spenden von Pierer Richtung Erlangen Applaus. Auch der mit sich und der Welt ziemlich im Reinen wirkende Cromme erhebt keinen Einspruch.

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