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Hannover Messe: Indonesien: Ein fernöstliches Wachstumsversprechen

Hannover Messe

Indonesien: Ein fernöstliches Wachstumsversprechen

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    Eine neues Werbebanner muss in Jakarta aufgezogen werden.
    Eine neues Werbebanner muss in Jakarta aufgezogen werden. Foto: Bagus Indahon, dpa

    Das Bonn-Berlin-Gesetz hat zunächst mal nichts mit Indonesien zu tun. Und überhaupt verhält sich das rheinische Ex-Regierungssitzchen der alten Bundesrepublik zu Jakarta so in etwa wie der Lange Eugen zum Gama Tower. Das Mini-Hochhaus mit Blick auf das Siebengebirge zum derzeit noch höchsten fertigen Gebäude der südostasiatischen Metropole, der gerne mal die Monsunwolken kratzt. Hier ein paar erloschene Vulkane, wo die Riesen – der Sage nach – beim Ausheben des Rheinbettes die Brocken vom Spaten geklopft haben. Da der 17.000-Inseln-Staat auf dem pazifischen Feuerring mit dutzenden aktiven Lava-Produzenten.

    Um es kurz zu machen: Es gibt noch kein indonesisches Bonn-Berlin-Gesetz, aber auch Indonesien will den Regierungssitz verlegen. Weg von Jakarta, das auf Java liegt, hin nach Kalimantan, den weniger von Erdbeben gefährdeten, indonesischen Teil von Borneo. Es ist das wohl wichtigste Infrastrukturprojekt des aufstrebenden Landes. Man könnte auch sagen: Indonesien hat was vor.

    Das Partnerland der Hannover Messe, die drittgrößte Demokratie der Erde, hat noch einiges vor. Das 271-Millionen-Einwohner-Land kann dieses Jahr die Weltleitmesse der Industrie als Bühne nutzen, zwar nur digital, aber dennoch bedeutet das viel Aufmerksamkeit. Indonesien ist die mit Abstand größte Volkswirtschaft im Verband des südostasiatischen Staatenbundes (ASEAN) und einziger G20-Staat in der Region. Mit der Initiative „Making Indonesia 4.0“ soll die Produktion durch die Einführung von Industrie-4.0-Konzepten „revitalisiert“ werden. Gesucht sind, natürlich, Geschäftspartner und Investoren.

    Bis 2030 will Indonesien zu den zehn größten Wirtschaftsmächten aufgeschlossen haben

    Wie der Botschafter Indonesiens in Deutschland, Arif Havas Oegroseno, im Gespräch mit unserer Redaktion sagte, habe der Handel mit Deutschland im vergangenen Jahr zwar Einbußen gehabt, allerdings seien diese nicht sehr groß gewesen. Nun soll es weiter aufwärtsgehen. „Wir möchten mehr tun.“

    Und gemeint ist damit nicht unbedingt, dass Indonesien seine bereits sehr hohe Importquote für Gitarren steigern möchte. Gemeint sind Märkte mit mehr Volumen als das Instrumentengeschäft, so schön es ist. Es soll zum Beispiel mehr um Maschinenbau, um die Autoindustrie oder um Batterie-Entwicklung gehen. Die Investitionen sollen steigen, deutsche Unternehmen angelockt werden, sich in besonders günstig konditionierten Wirtschaftszonen, mit erneuerbarer Energieversorgung ausgestatteten Industrieparks, anzusiedeln. Indonesien hat außerdem, nur ein weiteres Beispiel, reiche Nickel-Vorkommen, die für Kathoden von E-Batterien gebraucht werden können. Auch hier hat sich das Land positioniert. Bis 2030 will man zu den zehn größten Wirtschaftsmächten der Welt aufgeschlossen haben.

    Deutsche Unternehmen wie Siemens sind längst in Indonesien tätig

    Europäische und deutsche Unternehmen sind schon lange vor Ort. Laut Germany Trade & Invest sind es rund 400. Ganz große Player wie VW oder Bayer. Aber auch Pepperl+Fuchs zum Beispiel. Der Mannheimer Spezialist für industrielle Sensorik und Explosionsschutz lässt auf der Insel Bintan produzieren. Siemens-Systeme sind zum Beispiel bei PT Indolakto im Einsatz. Das Unternehmen gehört zu Salim Group und ist einer der größten Milchproduzenten Indonesiens.

    Wer die blau-weiß gestrichene Industrie-4.0-Fabrik in Purwosari besucht, kann dort während eines längeren Spaziergangs durch riesige Hallen beobachten, wie „Indo-Milch“ hoch automatisiert abgepackt und transportfähig gemacht wird. Für Märkte in Bangladesch, Afrika oder dem Mittleren Osten. Die Fabrik gilt als Leuchtturmprojekt im Land. Auch der schwedisch-schweizerische Energie- und Automatisierungstechnikkonzern ABB ist in Indonesien präsent. Bereits seit 1988. Unternehmenssitz ist im Word Trade Center III von Jakarta. ABB engagiert sich in Indonesien unter anderem im Bereich Smart Cities. Und vor dem Word Trade Center III steht eine der ersten Ladestationen für Elektroautos des Landes. Bis der Smog aus Jakarta verschwunden ist, werden viele weitere folgen müssen.

    Fragt man Klaus-Jürgen Gern, Experte für Weltkonjunktur am Institut für Weltwirtschaft in Kiel, wie die wirtschaftliche Perspektive Indonesiens ist, sagt er: „Indonesien ist das bevölkerungsreichste Land Südostasiens und absolut gesehen die mit Abstand größte Volkswirtschaft der Region. Vom Entwicklungsstand liegt es allerdings deutlich hinter den Nachbarländern Thailand und Malaysia zurück. Rohstoffreichtum und eine junge Bevölkerung sind günstige Voraussetzungen dafür, dass sich das Wirtschaftswachstum, das vor Corona relativ stabil bei fünf Prozent pro Jahr lag, nach der Krise fortsetzen kann.“

    Von der Corona-Krise sei auch Indonesien schwer getroffen worden. Die Wirtschaft schrumpfte zum ersten Mal seit mehr als 20 Jahren um rund Prozent. Zwar gebe es durch den aktuellen Aufschwung in der globalen Industrieproduktion und die dadurch wieder höheren Rohstoffpreise derzeit wirtschaftlichen Rückenwind. Die auch in Indonesien wieder angestiegenen Infektionsraten hemmten aber eine Erholung der Inlandsnachfrage, zumal der Staat die wirtschaftlichen Kosten der Pandemie für Kleinunternehmen und Arbeitnehmer – wie in den meisten Schwellenländern und anders als in reichen Industrieländern wie Deutschland – nur bedingt abfedern könne. Schlecht sei ferner, dass die Touristen weiterhin „fast völlig“ fehlten.

    Klaus-Jürgen Gern vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel: Indonesiens Mittelstand wächst rasch

    Risiken für die wirtschaftliche Dynamik jenseits der Pandemie sieht Ökonom Gern unter anderem in der Bürokratie und durch Infrastrukturengpässe. Korruption sei ebenfalls ein Problem. Auch das Bildungssystem sei im regionalen Vergleich „relativ schwach“, weshalb trotz der großen und jungen Bevölkerung (Durchschnittsalter: 30 Jahre) gut ausgebildete Arbeitskräfte knapp seien. Ferner habe Indonesien eine hohe Auslandsverschuldung, was das Land „zum Kandidaten für eine Finanzkrise“ mache, sollten nach Corona die Zinsen wieder steigen. Gern analysiert: „Indonesien verspricht in den nächsten Jahren angesichts eines rasch wachsenden Mittelstandes ein großes Wachstum des Inlandsmarkts für Konsumgüter und für Maschinen, die helfen, die Konsumnachfrage zu bedienen.“ Insofern dürfte der indonesische Markt für deutsche Unternehmen zunehmend wichtiger werden.

    Ob er aber auch als Produktionsstandort an Bedeutung gewinne, hängt daran,ob die Regierung des Vielvölkerstaates, in dem über 250 Sprachen gesprochen werden und der sich über drei Zeitzonen erstreckt, die notwendigen Neuerungen umsetzt. Ein großes Reformpaket, das im überwiegend muslimisch geprägten Indonesien unter dem Namen „Omnibusgesetz“ firmiert, wurde vor ein paar Monaten auf den Weg gebracht. Es soll Firmengründungen erleichtern, den Arbeitsmarkt flexibilisieren. Es gab und gibt Widerstände im Land und auch Amnesty International kritisiert das Gesetz, weil damit wichtige soziale und arbeitsrechtliche Standards gefährdet würden, so der Vorwurf. Botschafter Oegroseno weist diesen zurück und verweist auf die Möglichkeiten jedes Indonesiers, sich vor dem Verfassungsgericht des Landes zu beschweren. Das Gesetzpaket solle vielmehr gegen Korruption vorgehen, deregulieren und Transparenz herstellen.

    Indonesien will aus dem langen Schatten Chinas heraustreten

    Dass Indonesien eine Menge Probleme hat, sieht gleich, wer durch die Slums von Jakarta fährt. Und Naturkatastrophen, wie sie in den letzten Tagen wieder Schlagzeilen machten, werden auch künftig in der Region nicht ausbleiben. Zugleich aber ist das Schaufenster Hannover Messe eine Chance für wirtschaftliche Entwicklung und damit Wachstum im langen Schatten Chinas.

    Dieses Wachstum soll weiter befördert werden. Aus dem Auswärtigen Amt heißt es, dass Deutschland sich derzeit dafür einsetzt, dass die Gespräche zwischen EU und Indonesien zum Abschluss eines Freihandelsabkommens zügig vorangebracht werden. Mit einem Freihandelsabkommen könnten bestehende Handelsbeschränkungen abgebaut und auch der deutsch-indonesische Handel ausgebaut werden. Gemeinsam, so heißt es aus dem Außenamt weiter, befürworten Deutschland und Indonesien, dass perspektivisch auch ein „region to region“-Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem ASEAN-Staatenbund abgeschlossen wird. Wie gesagt: Man hat noch einiges vor.

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