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Handel: Schleckers Zukunfts-Problem

Handel

Schleckers Zukunfts-Problem

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    „For You. Vor Ort“: Mit diesem zweifelhaften Werbeslogan versuchte Schlecker zuletzt, Kunden zu gewinnen.
    „For You. Vor Ort“: Mit diesem zweifelhaften Werbeslogan versuchte Schlecker zuletzt, Kunden zu gewinnen. Foto: dpa

    Kassel Prozentual fällt es kaum ins Gewicht. Aber irgendwie ist es doch ein kleiner Erfolg, den die Betriebsrätinnen und Verdi-Vertreter am Wochenende in Kassel ausgehandelt haben. So sollen 200 Filialen weniger geschlossen werden als zunächst geplant. Statt 2400 ist nun die Rede von 2200 Läden, die dichtgemacht werden. Nach Angaben von Verdi sollen darüber hinaus keine 12000, sondern weniger als 11750 Stellen gestrichen werden. Aber reicht das aus?

    Auch Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz hat immer wieder darauf verwiesen, dass Schlecker auch nach der von ihm initiierten Schließungswelle weiterhin mehr Filialen in Deutschland haben werde als die Wettbewerber zusammen vorweisen. Rund 1300 sind es bei dm, circa 1600 bei Rossmann. Und sind sie überhaupt vergleichbar? Die dm-Durchschnittsfiliale misst über 550 Quadratmeter – viele Schlecker-Filialen sind gerade mal rund 200 Quadratmeter groß.

    Hinzu kommt, wie Geiwitz selbst am Wochenende in einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung eingestand, dass weiterhin Lücken in den Regalen klaffen. Verständlicherweise ist es nicht einfach, innerhalb weniger Wochen nicht nur das Vertrauen der Lieferanten zurückzugewinnen, sondern auch deren Warenlieferungen sicherzustellen. Doch der 42-Jährige braucht nicht nur das Vertrauen von Firmen wie der Einkaufsgemeinschaft Markant oder des Konzerns Unilever.

    Schlecker braucht vor allem seine Stammkunden. Viele von ihnen dürften der Drogeriekette aber den Rücken kehren – sollte ihr Markt unter den rund 2200 sein, die dichtgemacht werden. „Schlecker muss ein Nachbarschaftsladen bleiben“, mahnt Handelsexperte Wolfgang Adlwarth vom Marktforschungsunternehmen GfK bereits Ende Januar. Was der Kette also einerseits zum Verhängnis wurde, weil es so viele unrentable Filialen gab, ist andererseits beinahe ihr einziges Alleinstellungsmerkmal.

    Die Kunden wanderten bereits in den vergangenen Jahren in Scharen ab. Will man sie zurückgewinnen, muss sich auch das Sortiment grundlegend verändern. Das hat Geiwitz vor zweieinhalb Wochen in seinem Konzept für den „Schlecker 2.0“ vorgeschlagen. Dazu gehöre eine klarere Preisspanne und eine Konzentration auf Produkte, die in der Nachbarschaft gefragt sind. Ähnliche Ansätze hatte Schlecker bereits verfolgt – doch Geiwitz sieht nun den Zeitpunkt, diese ebenso wie den weiteren Ladenumbau schnell umzusetzen.

    Branchenexperten wie Adlwarth verweisen darauf, dass der deutsche Drogeriemarkt insgesamt weiter Wachstumsraten aufweist – was dm, Rossmann, aber auch Müller ebenso unter Beweis stellen wie immer mehr Drogerieartikel in Supermärkten wie Lidl oder Rewe.

    Das neue Konzept kann jedoch nur funktionieren, wenn Geiwitz und das Schlecker-Management mittelfristig Geldgeber finden. Dabei geht es nicht nur um die Finanzierung einer Transfergesellschaft, die teure Kündigungsklagen abwenden könnte. Für rund 10000 Beschäftigte soll es mehrere Transfergesellschaften geben, wie vereinbart wurde. Der Plan stehe allerdings noch unter dem Vorbehalt einer Finanzierungszusage der Politik. Darüber hinaus braucht Schlecker auch frisches Kapital, um das verbleibende Netz von rund 3200 Filialen auf Vordermann zu bringen.

    Immer wieder hat das alte Schlecker-Management darauf verwiesen, dass bereits umgebaute Filialen zweistellige Umsatzzuwächse verzeichneten. Doch wie ist deren Lage jetzt? Alle Seiten sind sich bewusst, dass ein neues Schlecker-Image her muss. Denn nur in diesem Fall sieht Geiwitz eine Zukunft, wie er mehrmals unterstrichen hat – und sich dabei auch mit Beratungsunternehmen wie McKinsey abgestimmt hat. Konkrete Pläne können allerdings erst dann umgesetzt werden, wenn die Kurzfrist-Radikalkur umgesetzt, das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Investor an Bord ist. Johannes Wagemann, dpa

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