Am Tag nach der französischen Präsidentschaftswahl knackt der Dax eine neue Bestmarke. Am Ende des gestrigen Tages ging der Leitindex mit 12454,98 Zählern aus dem Handel, ein Anstieg von 3,37 Prozent – er erreichte damit gestern einen neuen Höchstwert.
Schon vor gut zwei Wochen hätte der Index der 30 stärksten deutschen Unternehmen fast einen neuen Rekordwert erreicht. Allerdings sank der Börsenindex, kurz bevor er eine neue Bestmarke erlangen konnte, wieder ab. Damals schätzten einige Experten, dass Anleger erst einmal den Ausgang der französischen Präsidentschaftswahlen abwarten wollten. So sieht es Ingo Schweitzer, Vorstandsmitglied der AnCeKa Vermögensberatung in Kaufbeuren, immer noch. „Das ist für mich eine absolute Erleichterungsrally wegen der Wahl in Frankreich“, sagt er. Denn direkt nachdem bekannt wurde, dass der linksliberale Emmanuel Macron und die Rechtspopulistin Marine Le Pen am 7. Mai in die Stichwahl um das französische Präsidentenamt einziehen werden, baten die anderen Kandidaten ihre Wähler, ihre Stimmen Macron zu geben. Für Anleger scheint die Wahl schon entschieden zu sein. „Macron steht für einen europafreundlichen Kurs. Er ist zwar für Frankreich first, aber er weiß, dass das nur mit der EU geht. Er weiß, dass das zarte Wirtschaftswachstum Frankreichs ohne die EU bald wieder zunichte wäre“, sagt Schweitzer. „Bei Le Pen wäre das ganz anders gewesen. Sie war gegen die EU“, so der Finanzexperte. Doch nicht nur das befeuert den Aufwärtstrend der Aktienmärkte. Dazu kommt, dass der Leitzins der Europäischen Zentralbank weiterhin bei null Prozent liegt und auch in absehbarer Zukunft nicht ansteigen wird. „Außerdem sind die Rohöl-Preise stabil und auch die Unternehmensgewinne stimmen“, sagt Schweitzer. Ähnlich sieht es der Finanzanalyst Robert Halver von der Baader-Bank: „Der gesamten Weltwirtschaft geht es gerade sehr gut.“
Schweitzer wie Halver sind sich einig, dass die Aktienmärkte in diesem Jahr weiter wachsen werden – obwohl keiner weiß, was von Donald Trump zu erwarten ist, was die Neuwahlen in Großbritannien bringen oder die Brexit-Verhandlungen. „Das sind alles politische Risiken“, sagt Schweitzer. Die würden am Aktienmarkt zwar eingepreist, aber letzten Endes zählten die wirtschaftlichen Kriterien. Der Experte will sich zwar nicht festlegen, aber er ist sich sicher, dass der Dax weiterwachsen wird, auch wenn Macron vor der Wahl noch gegen die deutschen Exportüberschüsse gewettert hatte. „Das hat er natürlich zum Stimmenfang getan. Und wir haben ihn gelassen, weil wir ja wollten, dass er gewinnt“, meint Schweitzer. Dass der Dax in diesem Jahr noch einige Bestmarken reißen wird, hält er für nicht ausgeschlossen.
Allerdings haben die beiden Experten auch Bedenken. „Dass der Dax an einem Tag so schnell gewachsen ist, gibt mir zu denken“, sagt Schweitzer. Denn solche Gewinne seien meist nicht besonders nachhaltig. Er schließt nicht aus, dass es vor weiteren Allzeithochs in diesem Jahr noch mal bergab geht.
Halver warnt, dass Macron nicht der Revolutionär und Heilsbringer sei, als der er auf den ersten Blick erscheine. Zwar habe er Wirtschaftsreformen angekündigt, es müsse sich aber erst zeigen, was er davon wirklich umsetzen kann. „Etwas Ähnliches wie die Agenda 2010, die Frankreich nötig hätte, wird Macron sicher nicht schaffen“, glaubt Halver.
Ein Präsident Macron hätte aus seiner Sicht den Nachteil, dass er im Parlament nur schwer Verbündete finden würde, weil er keiner Partei angehört. „Allerdings suchen die Anleger dann wieder verlässliche Aktienmärkte und landen wieder in Deutschland“, prophezeit Halver.