Thomas Gürlebeck hat für die Gewerkschaft Verdi das Schicksal des Buchhandels-Konzerns Weltbild seit der ersten Insolvenz 2014 eng begleitet. Heute hat er jegliches Vertrauen in den Investor verloren – den Düsseldorfer Unternehmensberater Walter Droege. Derzeit versuche man in der Logistik „für lau Menschen an die Luft zu setzen“, kritisiert Gürlebeck, der Rest solle „für einen Hungerlohn arbeiten“. Mittlerweile ist es aus seiner Sicht unsicher, „ob überhaupt der Standort erhalten werden soll“. Denn bisher liegt nur ein Kürzungsplan auf dem Tisch, aber kein langfristiges Bekenntnis zu diesem.
Was ist der Hintergrund? Ende Juli 2015 hat die frühere Weltbild-Logistik abermals Insolvenz angemeldet. Heute gehört sie zum Logistikspezialisten Also, der mehrheitlich ebenfalls zur Droege-Firmengruppe zählt. Am Standort arbeiten rund 500 Menschen. Bis Ende September muss feststehen, wie es weitergeht. Dann läuft das Insolvenzgeld für die Beschäftigten aus. Die Uhr tickt also. Formal ist die Logistik eine eigene Firma, tatsächlich führt sie die meisten Aufträge noch immer für Weltbild aus – für Filialen, Katalog und Online-Plattform. Bei Weltbild selbst laufen die Geschäfte anscheinend besser.
Gewerkschaft spricht von Kahlschlag
Vergangene Woche skizzierte die Geschäftsführung ihren Sanierungsplan für die Logistik: 300 Stellen weniger, niedrigere Löhne nach dem Logistik-Tarifvertrag, Einsatz von Leiharbeit. Im Gegenzug stehen 15 Millionen Euro Investitionen in Aussicht. 150 Stellen könnten erhalten bleiben. „Es müssen nur alle mitspielen, der Ball liegt beim Betriebsrat“, sagte ein Sprecher.
Aus Gewerkschaftssicht ist das ein Kahlschlag. Für Verdi-Mann Gürlebeck ist das Vorgehen des Investors nicht seriös. „Droeges Methode ist es, auf Kosten der Allgemeinheit Profit zu machen“, schimpft er. Denn das Insolvenzgeld kommt von der Arbeitsagentur, ebenso mögliches Kurzarbeitergeld. „Das ist das Verhalten von Bankräubern, nur dass es hier nicht um Banken geht, sondern um Menschen.“
Betriebsrat Timm Boßmann beziffert die Einbußen für die Logistik-Beschäftigten auf 30 bis 35 Prozent. Er vermutet, dass der Investor Gewerkschaft und Betriebsrat am liebsten loswerden will. „Man versucht, die gesetzliche Interessenvertretung auszuhebeln.“ Diese ist für ihn wichtiger denn je: Zum Beispiel sollten Logistik-Fachkräfte kürzlich mit scharfen Putzmitteln und ohne ausreichenden Schutz die Halle reinigen, sagt Boßmann. Betriebsratschef Peter Fitz kritisiert, dass es auf Fragen an die Geschäftsführung keine Antworten gebe. „Das ist kein Kaufmannsgebaren“, sagt er. Aus Sicht von Verdi-Sekretär Gürlebeck war die ganze Insolvenz der Also-Logistik „konstruiert“.
Nach Informationen unserer Zeitung hatte der Logistik-Standort am Tag der Insolvenzanmeldung rund 690000 Euro flüssige Mittel. Dem standen offene Rechnungen von 117000 Euro gegenüber. Ende Juli wären nochmals 810000 Euro zu bezahlen gewesen. Die Lücke wäre aber überbrückbar gewesen, meinen Insider. Die Geschäftsführung macht dagegen geltend, dass seit Anfang 2015 vier Millionen Euro Verlust aufgelaufen waren. Die Muttergesellschaft – die Also Holding – habe deshalb die Finanzierung eingestellt.
Betriebsrat befürchtet Krise von Weltbild selbst
Betriebsrat Boßmann befürchtet, dass die Krise der Logistik zum Problem von Weltbild selbst werden kann. Das sei fatal, gerade jetzt, wenn das wichtige Weihnachtsgeschäft vor der Tür steht. „Wir haben Leute, die seit 35 Jahren für Weltbild arbeiten, aber irgendwann reicht es auch denen“, sagt er.
Pikant erscheint da eines: Nach Informationen aus informierten Kreisen arbeitet der Logistikspezialist Also auch für den Weltbild-Konkurrenten Amazon – wenn auch nicht vom Augsburger Standort aus.