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Güterverkehr: Lkw-Maut: Deutschland drohen Milliardenrückzahlungen

Güterverkehr

Lkw-Maut: Deutschland drohen Milliardenrückzahlungen

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    Durchgerauscht ist das deutsche Bundesverkehrsministerium beim obersten EU-Gericht: Die Lkw-Maut wurde zu hoch berechnet.
    Durchgerauscht ist das deutsche Bundesverkehrsministerium beim obersten EU-Gericht: Die Lkw-Maut wurde zu hoch berechnet. Foto: Marc Tirl, dpa

    Bis zu 7,5 Milliarden Euro spült die Lkw-Maut Jahr für Jahr in den Bundeshaushalt, rund 50 Millionen auch an die deutschen Kommunen. Bis jetzt. Denn der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat in einem Urteil am Mittwoch die Berechnung als überhöht zurückgewiesen. Mehr noch: Eine Erstattung zu viel gezahlter Abgaben an die betroffenen Spediteure lässt sich aus dem Richterspruch ableiten – womöglich bis ins Jahr 2005 zurück. Es ist eine weitere Schlappe für Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU).

    Auslöser des Verfahrens war ein polnisches Unternehmen, das zwischen Januar 2010 und Juli 2011 für seine Lastwagen insgesamt 12.420,53 Euro hatte berappen müssen. Dann rechnete man nach und stellte fest: Die Bundesrepublik hatte in die Berechnung der Mauthöhe neben den reinen Betriebskosten auch die Tätigkeit der Verkehrspolizei und teilweise auch den Erwerb von Grundstücken eingerechnet. Die Arbeit der Beamten auf den Autobahnen machte damals zwischen 3,8 und sechs Prozent der Kosten aus. Der EuGH sah darin am Mittwoch einen klaren Verstoß gegen europäisches Recht.

    Denn die offiziell als „Infrastrukturabgabe“ bezeichnete Lkw-Maut dürfe lediglich die Kosten für Bau, Betrieb, Instandhaltung und Ausbau der Straßen beinhalten. „Polizeiliche Tätigkeiten fallen aber in die Verantwortung des Staates, der dabei hoheitliche Befugnisse ausübt und nicht lediglich als Betreiber der Straßeninfrastruktur handelt“, heißt es in einer Zusammenfassung des Urteils. Die Ausgaben für die Verkehrspolizei dürften daher „nicht als Kosten für den Betrieb im Sinne der EU-Richtlinie angesehen werden“. Nach Auffassung der Richter verletze bereits eine geringfügige Überschreitung der Infrastrukturkosten bei den Mautgebühren das EU-Recht.

    Deutsche Lkw-Maut: Nun könnten viele Spediteure klagen

    Darüber hinaus lehnte es der EuGH ab, die Auswirkungen des Urteils zeitlich zu begrenzen. Dies eröffnet nach Auffassung von Experten weiteren Spediteuren die Möglichkeit, auf Erstattung zu viel gezahlter Maut seit dem Start des Systems 2005 zu pochen, also auch zu klagen. Um welche Summen es dabei geht, war am Mittwoch noch nicht wirklich abzusehen. Schätzungen zufolge sind Forderungen in Höhe von etlichen Milliarden möglich, die nun auf das verantwortliche Bundesverkehrsministerium zukommen könnten. Waren es anfangs rund 200 Millionen Euro, die für die Polizeistreifen auf den Autobahnen veranschlagt wurden, kletterte der Betrag stetig weiter. Für 2022 ist eine Milliarde Euro einkalkuliert.

    Der Bundesverkehrsminister muss damit zum zweiten Mal eine schwere Schlappe für die deutschen Mautpläne einstecken. 2019 hatte der Luxemburger Gerichtshof Scheuers Pläne für eine Pkw-Abgabe zurückgewiesen – mit der Folge, dass die Zukunft der Abgabe bis heute offen ist.

    Das gestrige Urteil trifft den CSU-Minister aus Passau zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Als Vertreter der deutschen EU-Ratspräsidentschaft muss Scheuer nämlich in den kommenden Wochen eine Reform der Eurovignetten-Richtlinie anstoßen, die sozusagen die Grundlage für die Berechnung der Mauthöhe in allen Mitgliedstaaten ist.

    Die Neufassung soll vor allem dafür sorgen, dass künftig Lastwagen, die mit Wasserstoff, Gas oder synthetischen Kraftstoffen fahren, von einer Straßenbenutzungsgebühr ausgenommen werden. Um die dadurch erwarteten Mindereinnahmen aufzufangen, plant Scheuer eine Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen Gesamtgewicht. Bisher gilt sie erst ab 7,5 Tonnen. Das Vorhaben ist umstritten.

    In Deutschland etwa drängen einige Bundesländer wie beispielsweise Bayern auf „dauerhafte Ausnahmen“ für Handwerker. Diese könnten dazu führen, dass der Bundesverkehrsminister die erwarteten Mindereinnahmen nicht auffangen kann – angesichts der drohenden Rückforderungen.

    Lesen Sie dazu auch: Bei Maut-Fehlverhalten: Fast alle Deutschen fordern Scheuer-Rücktritt

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