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Gleichberechtigung: Verbindliche Frauenquote? So stehen Unternehmerinnen aus der Region dazu

Gleichberechtigung

Verbindliche Frauenquote? So stehen Unternehmerinnen aus der Region dazu

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    Vor wenigen Tagen hat sich die große Koalition grundsätzlich auf eine verbindliche Frauenquote für Vorstände geeinigt.
    Vor wenigen Tagen hat sich die große Koalition grundsätzlich auf eine verbindliche Frauenquote für Vorstände geeinigt. Foto: Daniel Naupold, dpa (Symbolbild)

    Es ist ein kurzer Satz, der in Artikel 3 unseres Grundgesetzes steht: Männer und Frauen sind gleichberechtigt. In der Theorie klingt das ziemlich gut. In der Praxis zeigt sich aber, dass wir vom Idealzustand – nämlich denselben Chancen für Männer und Frauen – noch weit entfernt sind. Besonders zeigt sich das im Berufsleben: Je höher die Position, desto weniger Frauen finden sich (natürlich bestätigen auch in diesem Falle Ausnahmen die Regel).

    GroKo einigt sich auf verbindliche Frauenquote für Vorstände

    Um die Diskrepanz zu verringern, hat die Politik lange Zeit auf Appelle und Selbstverantwortung gesetzt. Gebracht hat das wenig. Ende November hat sich die große Koalition deshalb grundsätzlich auf eine verbindliche Frauenquote für Vorstände geeinigt. Die Meinungen zu diesem Schritt sind gespalten.

    Wir haben uns bei Unternehmerinnen und Managerinnen aus der Region umgehört, wie sie zu einer verbindlichen Frauenquote stehen –  und welche Alternativen es gibt auf dem Weg zu mehr Geschlechtergerechtigkeit.

    Stephanie Schmid, Chefin der Brauerei Ustersbacher

    "Ich persönlich wollte nie eine Quotenfrau sein, das will wahrscheinlich keine. Ich muss aber eingestehen, dass eine Frauenquote sinnvoll ist. Anders ist Gleichberechtigung noch nicht möglich. Eine solche Quote öffnet Frauen eine Tür, ermöglicht ihnen den Zugang zu Führungspositionen – ob eine Frau diese Möglichkeit dann annimmt, muss jede selbst entscheiden. Ich habe lange Zeit gesagt: 'Das muss man als Frau selbst schaffen.' Jetzt weiß ich, dass das nicht so einfach ist. Es gibt noch immer so viele Vorbehalte, so viele Weichenstellungen, die es Frauen schwer machen.

    Stephanie Schmid ist Chefin der Brauereei Ustersbacher.
    Stephanie Schmid ist Chefin der Brauereei Ustersbacher. Foto: Stephanie Schmid

    Gäbe es eine verbindliche Frauenquote, würde es in der Arbeitswelt oft menschlicher zugehen. Ich denke, dass Diskussionen dann eher lösungs- statt problemorientiert geführt werden würden. Wenn ich mit Frauen spreche, haben diese oft Ideen, wie wir ein Problem angehen können. Männer erklären mir erstmal, was alles nicht geht und warum nicht. Frauen haben da oft eine andere, zielführende Herangehensweise.

    Eine Hürde für Frauen ist immer noch die Biologie, ganz klar. Will ein Arbeitgeber eine Position besetzen, auf der er Kontinuität erwartet, entscheidet er sich vielleicht eher für einen Mann als für eine Frau, die mit der Ausbildung fertig ist und möglicherweise in absehbarer Zeit Kinder bekommt. Elternzeit hin oder her –  es ist nun mal hauptsächlich die Mutter, die sich um den Nachwuchs kümmert. Vielleicht hat die Corona-Krise da aber auch einen positiven Effekt: Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass es gut funktionieren kann, von zu Hause aus zu arbeiten. Da sehe ich schon Potenzial. Frauen müssen jetzt nicht mehr von neun bis fünf im Büro sitzen, wenn am Schluss nur das Ergebnis zählt."

    Sabine Herold, Geschäftsführerin beim Klebstoffhersteller Delo (Landsberg am Lech)

    "Frauen müssten sich mehr zutrauen und auch laut 'hier' rufen, wenn Führungsposten zu besetzen sind – so machen sie auch ohne Quote Karriere. Ich als Frau empfinde eine solche Quote als diskriminierend. Es schwingt immer mit, dass frau eine Position nur hat, weil sie eine Frau ist und nicht, weil sie etwas kann. In technischen Studienfächern gibt es nur wenige Prozent Frauen. Die sollen aber später mindestens 30 Prozent der Top-Positionen besetzen – das ist schon komisch. Dazu kommt: Bei vielen Frauen verschieben sich mit ihren Kindern verständlicherweise die Prioritäten. Bei Delo kommen über 95 Prozent nur in Teilzeit zurück. Technisch geprägte Industrieunternehmen in Deutschland brauchen aber Führungspersonal mit technischem Hintergrund. Und als Vorstand eines Großkonzerns ist man tagsüber, abends und häufig am Wochenende für das Unternehmen unterwegs – da herrschen andere Spielregeln, das geht nicht in Teilzeit. Bei einer solchen Position müssen sich Frauen wie Männer einfach zwischen Karriere und Familie entscheiden.

    Sabine Herold ist beim Landsberger Unternehmen Delo zuständig für Engineering, Marketing sowie Personalwesen.
    Sabine Herold ist beim Landsberger Unternehmen Delo zuständig für Engineering, Marketing sowie Personalwesen. Foto: Delo

    Viel wichtiger als eine Quote wären andere Maßnahmen: Modellbaukästen statt Puppenwägen für Mädchen, mehr männliche Erzieher und Grundschullehrer, spannende und praxisnahe Lehrpläne für den MINT-Unterricht und eine wirklich flexible Kinderbetreuung für Berufstätige. Denn klar ist doch: Diversität ist super."

    Magdalena Rogl, Communications Manager Digital Channels bei Microsoft (München)

    "Noch vor einigen Jahren war ich klar gegen die Quote, weil ich sie nicht für nötig gehalten habe und der Meinung war, Frauen können genauso viel erreichen wie Männer. Zudem war für mich damals unvorstellbar, eventuell selbst eine Quotenfrau zu sein. Mit jedem weiteren Jahr an Lebens- und Berufserfahrung wurde mir aber mehr und mehr klar, dass es ohne Quoten nicht funktionieren wird. Ich bin nach wie vor kein Fan der Quote. Ich glaube aber, dass sie ein notwendiges Vehikel ist, um für Gerechtigkeit und Chancengleichheit zu sorgen. Es gibt verschiedene Studien dazu, wie viele Jahre es ohne Quote dauern würde, bis wir Parität erreichen – 200 Jahre wären hier durchaus realistisch. So lange können wir nicht warten. Ich wünsche mir, dass unsere Töchter und Enkeltöchter die gleichen Chancen haben, wie unsere Söhne und Enkelsöhne. Und vor allem wünsche ich mir, dass wir als Gesellschaft unser volles Potenzial ausschöpfen.

    Magdalena Rogl arbeitet als Communications Manager Digital Channels bei Microsoft.
    Magdalena Rogl arbeitet als Communications Manager Digital Channels bei Microsoft. Foto: Thomas Dashuber

    Dass freiwillige Quoten nicht zielführend sind, haben uns die letzten Jahre eindrücklich bewiesen. Eine verbindliche Frauenquote würde dafür sorgen, dass Frauen stärker gefördert werden und Unternehmen gezielt nach Frauen für Führungspositionen suchen. Und ja: Zunächst wird die Quote vielleicht dazu führen, dass Frauen bevorzugt werden. Da bisher aber hunderte Jahre Männer bevorzugt wurden, halte ich das nur für fair.

    Jüngere Frauen werden immer noch oft als 'Gefahr' gesehen, weil sie potentiell schwanger werden könnten. Danach werden die Kinder als 'Belastung' oder 'Ausfallgefahr' gesehen. Dabei bin ich davon überzeugt, dass Mütter so viele zusätzliche Kompetenzen bieten können. Erschreckend hierbei ist auch zu sehen, dass Männer, die Väter werden, davon profitieren –  finanziell und auch auf mögliche Beförderungen bezogen.

    Viele Unternehmen erwarten gerade in Führungspositionen Klarheit, Durchsetzungswillen oder Führungsstärke – und schreiben diese Kompetenzen unterbewusst Männern zu. Das ist falsch und überholt. Zudem brauchen Führungskräfte gerade heutzutage Empathie, Resilienz und Selbstreflexion."

    Kathrin Dahnke, CFO der OSRAM Licht AG (München):

    "Grundsätzlich war ich immer eine Gegnerin der Frauenquote, weil ich der Meinung bin, dass qualifizierte Frauen sie nicht brauchen, um ihren beruflichen Weg zu gehen. Allerdings habe ich meine Haltung geändert, als sich gezeigt hat, dass ohne eine Quote bei der Besetzung von Aufsichtsräten nichts passiert wäre. Heute ist dort die Akzeptanz für weibliche Gremienmitglieder ganz selbstverständlich gegeben. Ich befürchte, wir brauchen für die Vorstände genau das Gleiche, denn da hat sich seit Jahren trotz der Appelle nichts getan. Es braucht dieses Signal, obwohl es am Ende nur wenige Managerinnen betreffen wird.

    Kathrin Dahnke ist CFO bei Osram.
    Kathrin Dahnke ist CFO bei Osram. Foto: Osram

    Durch die Corona-Krise hat sich generell gezeigt, dass Arbeit flexibler geworden ist. Es gibt sowohl mehr Akzeptanz für flexiblere Arbeitszeiten als auch für das Arbeiten aus dem Homeoffice, hinzu kommt eine bessere technische Ausstattung. Ich erwarte auch, dass in Zukunft wohl deutlich weniger dienstlich gereist wird. Beides hilft, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. Das dürfte zu den positiven Nachwirkungen von Covid-19 gehören. So gesehen könnte sich für die, die im Wesentlichen die Erziehungsarbeit leisten – und das sind oft die Frauen –, einiges verbessern. Das wird vielen Frauen die Verfolgung ihres beruflichen Wegs auch in der Familienphase sehr erleichtern."

    Anne Kavanagh, CIO beim Immobilienunternehmen Patrizia (Augsburg):

    "Ich glaube, dass wir immer nach den besten Talenten für jede Position suchen müssen, unabhängig von ihrem kulturellen Hintergrund, ihrem Geschlecht, ihrer religiösen Überzeugung oder ihrer sexuellen Orientierung. In der Vergangenheit habe ich mich gegen verpflichtende Frauenquoten im Management gewehrt. Doch mittlerweile kann ich verstehen, warum einige Regierungen damit begonnen haben, sie einzuführen: Es gab bisher kaum Fortschritte. Wir müssen weibliche Talente in ihrer beruflichen Entwicklung auf vielfältige Weise unterstützen. Vielfalt bereichert unsere Belegschaft und Arbeitskultur und führt zu besserer Teamarbeit, besseren Entscheidungen, besserer Leistung und vor allem zu besseren Dienstleistungen und Ergebnissen für unsere Kunden.

    Geschlechtergerechtigkeit ist aber ein viel komplexeres Thema als die bloße Einführung einer Quote für Frauen in Führungspositionen. Um dieses Ziel zu erreichen, brauchen wir eine umfassende Transformation der Gesellschaft. In der Unternehmenswelt müssen wir diesen Prozess unterstützen. Es fängt in unseren Familien an, wie wir kleinen Kindern in der Schule Geschlechterrollen beibringen. Es geht weiter in der Gesellschaft, in der Art, wie sie Vielfalt stärkt und Frauen in ihrer Karriere unterstützt, damit sie ihre Arbeit mit dem Familienleben vereinbaren können. Geschlechtergerechtigkeit muss auch Teil der Talentmanagement-Politik eines jeden Unternehmens sein, um Frauen mehr und bessere berufliche Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten. Das wäre meiner Meinung nach der bessere und nachhaltigere Ansatz als eine verbindliche Frauenquote.

    Anne Kavanagh ist CIO bei Patrizia.
    Anne Kavanagh ist CIO bei Patrizia. Foto: Patrizia

    Verbindliche Quoten würden die Geschlechterdurchmischung in der Führungsebene sicherlich beschleunigen. Norwegen ist dafür ein gutes Beispiel. Allerdings kann solch ein von oben auferlegter Quotenansatz auch zu Herausforderungen in einer Organisation führen –  zum Beispiel dann, wenn Geschlechtergerechtigkeit und die Auswahl der besten Talente für den Job nicht Hand in Hand gehen.

    In meiner Karriere war ich die erste Frau in zwei europäischen Unternehmensvorständen, was dort hoffentlich zu einer anderen Dynamik geführt hat. Heute sehe ich –  im Gegensatz zu der Zeit, in der ich begonnen habe –  viele junge Frauen, die als Absolventinnen in die Immobilienbranche einsteigen. Und dieser viel breitere weibliche Talentpool wird in Zukunft zu mehr Frauen in Führungspositionen führen."

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