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Gersthofen: Wie Vater und Sohn das Anhänger-Imperium Humbaur aufbauten

Gersthofen

Wie Vater und Sohn das Anhänger-Imperium Humbaur aufbauten

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    Vater und Sohn: Anton und Ulrich Humbaur haben den Anhänger-Hersteller groß gemacht.
    Vater und Sohn: Anton und Ulrich Humbaur haben den Anhänger-Hersteller groß gemacht. Foto: Ulrich Wagner

    Anton Humbaur wollte Mechaniker werden. Doch 1947 fand er in seiner Heimatstadt Donauwörth keine Lehrstelle im Wunschberuf. Die Umwege begannen. Es sollten mehrere werden. Einer brachte ihm zunächst einen Ausbildungsplatz als Zimmermann ein. In einem Land mit immensem Baubedarf nach dem Krieg war das eigentlich eine gute Wahl. Eigentlich, aber Humbaur erinnert sich eher mit Schrecken an die Zeit: „Ich bin nämlich nicht schwindelfrei.“

    1957 gründete Humbaur sein erstes Unternehmen

    Irgendwie brachte der von einem Bauernhof stammende, zielstrebige Mann die Lehre zu Ende, entschied sich dann jedoch für eine Tätigkeit, bei der er nicht auf Leitern steigen musste. Bei dem zweiten Umweg des Anton Humbaur auf dem Weg zum erfolgreichen Unternehmertum arbeitete er als Vertreter für landwirtschaftliche Anhänger und gründete 1957 in Donauwörth dafür einen entsprechenden Betrieb.

    Doch im Zuge der Industrialisierung der Landwirtschaft wurde der Markt Ende der 70er Jahre kleiner, schließlich gaben viele Bauern den Hof auf. Anton Humbaur blieb in der Branche hängen. Denn im wohlhabenderen und mobileren Deutschland waren zunehmend Pkw-Anhänger gefragt. So beschließt er, neue Produkte in seinem Sortiment aufzunehmen. Das sollte für ihn die Wende seines Lebens, nämlich vom Vertreter zum Anhänger-Produzenten, bringen.

    Alko-Gründer motiviert Humbaur Anhänger herzustellen

    Bei diesem letzten Umweg zum Ziel all seiner Anstrengungen traten zwei Motivationshelfer in Erscheinung: Einerseits spürte Humbaur die deutlich gestiegene Nachfrage nach Pkw-Anhängern. Was gibt es Verlockenderes für einen Unternehmer als ein großes Reservoir an kaufwilligen Kunden? Andererseits animierte ihn der schwäbische Unternehmer Kurt Kober, ein Sohn des Gründers der Firma Alko, durchaus eigennützig, solche Anhänger selbst zu bauen, damit er ihm dafür Achsen liefern kann. Heute würde man von einer Win-win-Situation sprechen, die beiden schwäbischen Unternehmer-Legenden witterten einfach ein gutes Geschäft. So zog die Firma Humbaur 1981 von Donauwörth nach Gersthofen bei Augsburg um. Drei Jahre später startete die Erfolgsgeschichte mit der Produktion eigener Fahrzeug-Anhänger. Nicht auszudenken, wenn Anton Humbaur schwindelfrei gewesen wäre und ihn Alois Kober nicht zu Größerem angestiftet hätte.

    Der Unternehmer kommt mit seinem Sohn Ulrich zum Gespräch, der für die Expansion und Internationalisierung der Firma eine entscheidende Rolle spielen sollte. Anton Humbaur ist 85 Jahre alt, trägt zur Trachtenjacke Krawatte und Einstecktuch. Mit seinem grauen, vollen Haar sitzt er lächelnd neben dem Sohn. Die beiden müssen sich gut verstehen, so lange arbeiten sie bereits zusammen. Denn der 57-jährige Ulrich Humbaur stieg schon 1982 als fünfter Mitarbeiter in die Firma ein. Vater und Sohn haben die Firma gemeinsam groß gemacht. „Mein Papa ist nicht allzu streng zu mir und hat mir Freiräume gegeben“, sagt der Jüngere über den Älteren. Und: „Mein Papa ist ein genialer Verkäufer.“

    Anton Humbaur hat sich aus dem aktiven Geschäft zurückgezogen. „Ich schau aber oft noch vorbei“, sagt er und meint: „Dann guck ich, ob noch ein Geld da ist.“ Sein Sohn schaut den Vater liebevoll an. Anton Humbaur hatte vor elf Jahren einen Schlaganfall. Doch es geht ihm längst wieder gut.

    Der Erfolg von Humbaur ist auch eine Vater-und-Sohn-Geschichte

    Vater und Sohn sind ein eingespieltes Team. „Toi, toi, wir kommen prima zusammen aus. Des passt alles“, meint Anton Humbaur. Das mag auch daran liegen, dass Vater und Sohn von 1985 an je 50 Prozent der Firma gehörten, bis Ulrich Humbaur den Betrieb ganz übernahm. „Mein Vater war Prokurist und nie Geschäftsführer. Diesen Posten habe ich schon mit 24 Jahren übernommen“, sagt der Jüngere. Ulrich Humbaur beschreibt den Erfolg der Doppelspitze: „Ich war der forsche, junge Unternehmer, der nach vorne stürmt. Geht nicht, gibt es nicht für mich.“ Jetzt schaltet sich der Vater ein und sagt: „Ich war die Bremse.“ Beide lächeln. Beide haben Humor, auch für Unternehmer ein wichtiges Betriebsmittel.

    Die Humbaur-Arbeitsteilung muss gut funktionieren. Vater und Sohn betonen: „Wir haben immer Geld verdient, immer eine positive Bilanz gehabt und mit Eigenkapital ohne Banken die Expansion finanziert.“ So wuchs die Zahl der Mitarbeiter auf heute über 500. Der Umsatz stieg von zwei Millionen im Jahr 1985 auf gut 130 Millionen Euro.

    Irgendwann im Jahr 2019, so hat es Ulrich Humbaur berechnet, werden sie den einmillionsten Anhänger ausliefern. „Wir haben investiert, was wir zahlen konnten“, sagt der Senior, und der Junior ergänzt: „Mir ging es nie darum, möglichst viel Geld zu verdienen. Ich wollte nach vorne stürmen und etwas Neues machen. Wir haben gut Geld verdient. So konnten wir Gas geben.“

    Ulrich Humbaur, der zum Anzug keine Krawatte trägt, ist ein Typ, der den Fuß nicht vom Gaspedal der Firma nimmt. Wer mit Mitarbeitern spricht, hört immer wieder: „Dem Chef fällt immer was Neues ein.“ So ist die Firma mit Erfolg in den Markt für Aufbauten kleinerer Lieferwagen eingestiegen, mit denen etwa Amazon, DHL oder Rewe in Städten auf der letzten Meile Waren zum Kunden bringen. „Koffer“ heißen die Aufbauten in der Fachsprache. Humbaur reagiert dabei auf die Wünsche der Kunden. Beim Gang durch das Werk fällt auf, an wie vielen unterschiedlichen Anhängern und Aufbauten die Beschäftigten arbeiten. Es gibt immens viele Modelle – und alle werden in Deutschland produziert.

    Neben dem Standort in Gersthofen gibt es noch ein Werk in Ostdeutschland, aus dem leichte Kunststoffteile zugeliefert werden. Diese kommen gerade bei Pferdeanhängern zum Einsatz, auch so ein Markt, den die beiden Nicht-Reiter neben der Baubranche, der Landwirtschaft, Gärtnereien, dem Speditionsgewerbe, der Viehzucht und vielen anderen Wirtschaftszweigen erobert haben. „Wir waren frech und haben uns was getraut. Das war eine geile Zeit“, erinnert sich Ulrich Humbaur. Der Chef hat einen Blick für Details und arbeitet sich mit seinem Team in neue Bereiche wie die Reiterei ein. So können die edlen Tiere in den komfortabel gefederten Anhängern nach dem Einstieg durch ein getöntes Panorama-Fenster schauen. Das reduziert Stress. An die meist weiblichen Besitzerinnen eines solchen „Mercedes unter den Pferdeanhängern“ haben die Humbaurs auch gedacht. Im vorderen Teil des Transportgefährts kann die Reiterin über eine Extratür in die Sattelkammer gehen. Dort findet sie auch einen Schminkspiegel vor.

    Ursprünglich sollte Humbaur auf Lechfeld nach Graben ziehen

    In einem Unternehmerleben kommt es auf beides an: den Blick für Kleinigkeiten und für das große Ganze. An Letzteres muss Ulrich Humbaur gedacht haben, als er 2009, noch zu Zeiten der Finanzkrise, den Sattelanhänger-Hersteller Kögel aus der Insolvenz heraus gekauft und saniert hat. Damals zählte der Betrieb 443 Mitarbeiter, heute arbeiten in Burtenbach im Kreis Günzburg 888 Frauen und Männer für Kögel. Der Unternehmer setzte sich hier gegen chinesische Mitbieter durch. Ihm ist es zu verdanken, dass die Firma in deutschen Händen blieb. So offen Ulrich Humbaur auch ist, den Kaufpreis für Kögel verrät er nicht. Ursprünglich wollte der Unternehmer das Geschäft mit Sattelanhängern für größere Lkw unter der Marke „Big One“ selbst machen. Doch die weit fortgeschrittenen Pläne gab er auf und setzte auf die Firma Kögel, die unabhängig von Humbaur als Marke und Unternehmen von Managern geführt wird. Was interessant ist: Die Big-One-Fabrik sollte dort auf den Lechwiesen bei Augsburg stehen, wo heute das Amazon-Logistik-Zentrum angesiedelt ist. Humbaur ließ das Areal erschließen.

    Trotz aller Umwege lief also vieles glatt im Leben der Anhängerbauer. Natürlich gab es Rückschläge. So scheiterten die Unternehmer mit dem Versuch, Anhänger für Boote zu bauen. Ulrich Humbaur sagt: „Bei uns hatte einfach keiner Ahnung von Schiffen. Das haben wir abgehakt und gingen voran.“

    In dem so an Geschichten reichen Leben des Unternehmer-Duos bleibt eine besonders in Erinnerung: Anton Humbaur, der sich ja selbst scherzhaft „Bremser“ nennt, gesteht, „Bauchweh“ gehabt zu haben, als der Sohn Kögel gekauft hat. Doch das Bauchweh ist längst weg.

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