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Gendergerechte Sprache: Audi angeklagt: Diskriminierung durch Gendern?

Gendergerechte Sprache

Audi angeklagt: Diskriminierung durch Gendern?

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    Der Ingolstädter Autobauer wollte ein Zeichen für Geschlechtergerechtigkeit setzen. Nun muss er sich vor Gericht verteidigen.
    Der Ingolstädter Autobauer wollte ein Zeichen für Geschlechtergerechtigkeit setzen. Nun muss er sich vor Gericht verteidigen. Foto: Stefan Puchner, dpa (Symbolbild)

    Schwarz und weiß. Falsch und richtig. Mann und Frau. Es ist heutzutage alles nicht mehr so einfach. Das gilt auch in der Wirtschaft. Früher war Audi ein Unternehmen der Automobilindustrie. Heute ist Audi zumindest auch noch ein Vorbild in den großen sozialen Debatten unserer Zeit. So beschreibt es Audi zumindest in einem Dokument, das im Unternehmen bereits viele Diskussionen ausgelöst hat und nun sogar für juristischen Streit sorgt.

    Die Rede ist vom "Leitfaden für gendersensible Sprache bei Audi", mit dem das Unternehmen seine Mitarbeiter seit Anfang März dazu verpflichtet, in der internen und externen Kommunikation darauf zu achten, Menschen aller Geschlechter und geschlechtlicher Identitäten gleichberechtigt und wertschätzend anzusprechen. Das ist so kompliziert, wie es klingt. Schon die alleinige Verwendung des Worts "Mitarbeiter" wäre da ein Regelverstoß. Doch zu den sprachlichen Fallstricken gleich.

    Zunächst zum juristischen Teil. Am Montag haben die beiden Anwälte Burkhard Benecken (Marl) und Dirk Giesen (Düsseldorf) im Auftrag eines Mitarbeiters des Volkswagenkonzerns eine Klage gegen Audi beim Landgericht Ingolstadt eingereicht. Ihr Mandant will entscheidende Teile des Leitfadens zu Fall bringen, da er sich durch sie in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt sieht.

    Audi und der Gender Gap

    Obwohl er nicht direkt für Audi arbeitet, sei er im Bereich der markenübergreifenden Koordination ständig im engen Austausch mit Audi und dabei auch auf die Einhaltung der neuen Regeln hingewiesen worden. So steht es in der Klageschrift, die unserer Redaktion exklusiv vorliegt. Demnach werde ihm gegenüber "die in dem Leitfaden vorgegebene gendergerechte Sprache angewendet, ohne dass er eine Wahl hat, wie er angesprochen werden möchte". Zudem existiere im VW-Gesamtkonzern keine eigene Richtlinie zur gendergerechten Sprache, "sodass die Vorgaben der Beklagten einen Konzernstandard darstellen, der auch für den Kläger als VW-Mitarbeiter gilt und zu beachten ist, wenn er mit Mitarbeitern der Beklagten zusammenarbeitet".

    Die Klage richte sich nicht gegen das Ziel von Audi, Inklusion, Chancengleichheit und Geschlechtergerechtigkeit zu befördern. Aber die von Audi dafür gewählte Form der verpflichtenden Verwendung des sogenannten Gender Gaps habe für den Volkswagen-Mitarbeiter in vielen Fällen "maximal-diskriminierende Wirkungen", schreiben die Anwälte.

    Der Gender Gap verbindet als Unterstrich sehr oft etwa den Wortstamm mit der weiblichen Endung wie etwa in "Mitarbeiter_in". Audi erklärt die Entscheidung für diese Lösung in dem 13-seitigen Leitfaden so: "Die Verwendung von Binnen-I, (-in), /in und Doppelnennungen sind binäre Schreibweisen. Nicht-binäre Geschlechter werden dabei jedoch ausgeschlossen, weshalb wir das Binnen-I nicht verwenden." Doch der Gender Gap schafft auch noch neue Probleme.

    Die Klage betritt juristisches Neuland

    Denn wenn die männliche Form auf -e oder -en endet, fällt die Endung weg. "Kollegen" wird so zu "Kolleg_innen". Bei Substantiven mit Umlauten wird nach Audi-Regel die weibliche Form als Wortstamm verwendet, etwa in "Anwält_in". Dies schaffe – "unter umgekehrten Vorzeichen – neue Ungerechtigkeiten", heißt es in der Klageschrift. Und weiter: "Das Weglassen spezifischer männlicher Endungen und Wortstämme kann nicht als Vorteil gewertet werden, sondern gestaltet sich als fortgesetzte Diskriminierung. Es erschließt sich nicht, weshalb das Weglassen männlicher Flexionsformen geschlechtergerechter sein soll als der Gebrauch des generischen Maskulinums." Klägeranwalt Benecken betont im Gespräch mit unserer Redaktion, dass er ein Grundsatzurteil in der Sache erhoffe: "Mit der Klage betreten wir absolutes Neuland. So konkret hat es dazu noch keine Entscheidung der Justiz gegeben."

    Audi hat nun noch mehr juristischen Ärger.
    Audi hat nun noch mehr juristischen Ärger. Foto: dpa

    Tatsächlich hat das Thema erst in den letzten Jahren eine so große Bedeutung in den gesellschaftlichen Debatten bekommen. Das sieht auch Sabine Krome so, die als Geschäftsführerin des Rats für deutsche Rechtschreibung feststellt, dass die Debatte teilweise "ziemlich verbissen geführt wird und die Fronten sich zusehends verhärten".

    Sprache und Gesellschaft ändern sich

    Der Rat ist ein zwischenstaatliches Gremium, das die Aufgabe hat, über die Einheitlichkeit der Rechtschreibung im ganzen deutschen Sprachraum zu wachen und die Rechtschreibung dem allgemeinen Sprachgebrauch entsprechend weiterzuentwickeln. Erst vor kurzem hat er sich zum wiederholten Male zur gendersensiblen Sprache geäußert. Ende März bekräftigte der Rat seine positive Haltung zur geschlechtergerechten Sprache – lehnte es aber weiter ab, den Gender Gap, den noch weiter verbreiteten Gender-Stern, einen Doppelpunkt oder andere verkürzte Formen zur Kennzeichnung mehrgeschlechtlicher Bezeichnungen im Wortinneren in das amtliche Regelwerk aufzunehmen. Doch die Lage ist komplex. "Sprache beeinflusst das Denken und das Denken die gesellschaftlichen Interaktionsformen. Da gibt es viele Wechselwirkungen und manche Positionen veralten vielleicht auch", sagt Krome und schließt nicht aus, dass der Rat irgendwann seine Entscheidung revidieren könnte.

    "Im 19. Jahrhundert hatten wir auch keine einheitliche Schriftsprache und Rechtschreibung. Ein wenig hat es den Anschein, als bewegten wir uns wieder in diese Richtung", so Krome weiter. Typografische Zeichen in Wörtern machten diese aber oft nicht nur unlesbar, sie schlössen auch manche Gruppen aus. Das Erlernen der deutschen Rechtschreibung würde etwa für Menschen, die nicht damit aufwachsen, weiter verkompliziert. Das beschreibt auch gut die Lage für das Landgericht Ingolstadt. Eben alles nicht mehr so einfach.

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