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Geldanlage: Börsen-Oma: "Keineswegs in Panik alle Aktien verkaufen"

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Börsen-Oma: "Keineswegs in Panik alle Aktien verkaufen"

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    Beate Sander, 82, hat mit Aktien zwei Millionen Euro verdient.
    Beate Sander, 82, hat mit Aktien zwei Millionen Euro verdient. Foto: Alexander Kaya

    Frau Sander, am Montag ist der Dax um acht Prozent eingebrochen. Überall war die Rede vom Crash. Ihre Philosophie ist es ja, in Börsen-Krisenzeiten die Ruhe zu bewahren. Gilt das auch diesmal?

    Beate Sander: Natürlich. Das schlimmste, was man tun kann, ist, im Crash alle Aktien zu verkaufen. Das sage ich den Menschen immer wieder.

    Und wie kommen Sie darauf?

    Sander: Werfen wir doch mal einen Blick in die Geschichte. Wir hatten in der jüngsten Zeit drei große Crashs. Das war einmal der Einbruch in der Dotcom-Blase 2000 bis 2003. Davor hatte der Dax den Höchstwert bei 8000 Punkten. Und er brach auf 2200 Punkte ein. In der Finanzkrise 2008/09 fiel der Dax auf den Tiefststand von 3600 Punkten. Zuvor war er auf ein Allzeithoch von 10.000 Zählern geklettert. Nun hatten wir wieder einen Rekord im Februar. Damals lag der Dax bei fast 13.800 Punkten. Und am Montag ist er auf unter 11.000 Punkte gefallen. Die Lehre daraus ist: Nach Krisen geht es immer wieder nach oben, und zwar meist höher als davor.

    Kann man denn bei einem Einbruch auf 11.000 Punkte überhaupt von einem Crash sprechen? Sie sagen es ja selbst: Vor ein paar Jahren wäre das ein absoluter Rekordwert gewesen.

    Sander: Ich spreche vom Corona-Crash. Die Anzeichen sind schon die eines Crashs: Der Dax ist gefallen, der Euro Stoxx ist gefallen, der Nasdaq ist gefallen, der Dow Jones ist gefallen. Alle in etwa um acht Prozent. Es waren die größten Tagesverluste seit 2001. In Amerika war kurzzeitig sogar der Handel ausgesetzt. Diese Maßnahme wird nur bei einem Crash ergriffen. Ob das historisch gesehen auch als Schwarzer Tag in die Börsengeschichte eingehen wird, muss sich erst noch erweisen. Es hängt davon ab, wie es jetzt weitergeht. Am Dienstagmorgen sah es ja schon wieder nach einer Erholung aus. Dennoch rechne ich damit, dass die Krise länger andauert. Deshalb gilt ja umso mehr, nicht den Fehler machen, den die meisten Anleger machen. Keineswegs in Panik alle seine Aktien verkaufen. Dadurch entsteht ja erst ein Crash.

    Was raten Sie den Anlegern denn stattdessen?

    Sander: Es gibt zwei große Fehler, die niemand jetzt machen darf. Erstens - wie schon gesagt - in panischer Angst alle Aktien verkaufen. Das ist gleich doppelt schlecht. Denn für jeden Verkauf muss man eine Transaktionsgebühr bezahlen. Der Verkauf kostet also. Dazu kommt: Im März beginnt die Dividendensaison. Und wenn die Kurse sinken, steigt im Verhältnis zu den Kursen die Dividendenrendite. Die Dividende wird oft übersehen, wenn man darüber spricht, ob Aktien veräußert werden sollen oder nicht. Und ein weiterer Punkt: Wenn man alle Aktien verkauft und plötzlich ein Vermögen von mehr als 100.000 Euro auf dem Konto hat, muss man plötzlich Strafzinsen bezahlen, die fast jede Banken von ihren Kunden verlangt.

    Und der zweite Fehler?

    Sander: Der wäre, jetzt zu lange abzuwarten und nichts zu tun, weil man nicht weiß, wie sich die Kurse entwickeln. Auch ich kann das nicht vorhersagen. Aber ich rate allen: Macht an jedem Tag mit starken Kursschwankungen etwas. Verschießt nicht alles Pulver auf einmal, sondern streut euer Risiko. Das funktioniert nicht nur, indem man in Wachstumsbranchen investiert, sondern auch, indem man an mehreren Tagen investiert, also vom Zeitpunkt her streut.

    Können Sie denn verstehen, dass Menschen jetzt in Panik geraten und denken, wenn die Börse so instabil ist, dann parke ich mein Geld doch lieber auf dem Tagesgeldkonto?

    Sander: Nein. Selbst wenn sich jemand wenig auskennt, rate ich ihm zu investieren. Nicht in Einzelaktien, aber in ETFs. Entweder eine fixe Summe oder durch einen Sparplan. Das heißt, es werden monatlich für einen festen Betrag Anteile an einem ETF gekauft. Diese ETFs bilden Indizes oder Börsenbarometer nach. Auch hier ist wieder wichtig, zu streuen. Das gute an ETFs ist, sie rutschen nicht ins Niemandsland ab. Das Risiko hält sich in Grenzen. Ich rate immer zu ETFs, die den MDax, oder SDax abbilden. Denn in beiden sind Werte aus dem TecDax enthalten. Außerdem zum MSCIWorld, S&P 500 und bei Risikofreude zum Nasdaq 100. Es gibt auch ETFs, die sich auf Nachhaltigkeit spezialisiert haben, etwa ein Wasser-ETF. Es ist also für jeden etwas dabei.

    Und wenn man doch in Einzelaktien investieren möchte?

    Sander: Auch dann rate ich, investiert nicht zu viel auf einmal. Selbst wenn jemand über 100.000 Euro einsetzt, empfehle ich: Investiere nie mehr als 1000 bis 5000 Euro in einen Titel. Zudem bietet sich jetzt auch ein Nachkauf von erstklassigen Aktien an, die abstürzen, sich aber erholen dürften. Zwei Beispiele: Nur weil es der Reisebranche und der Luxusgüterindustrie wegen des Coronavirus momentan schlecht geht, heißt das doch nicht, dass die Menschen dauerhaft nicht mehr verreisen werden oder sich keine teuren Handtaschen und Uhren mehr kaufen werden. Meine Hoch-/Tief-Mut-Strategie ist auf langfristige Investments in Aktien ausgerichtet. Das heißt: Gute Titel kaufen, wenn sie preiswert sind und einen Teil verkaufen, wenn sie ein Jahreshoch erreichen. Dafür muss man sich aber mit der Börse und der Wirtschaft gründlich auseinandersetzen.

    In der jüngsten Vergangenheit haben Sparer ja immer den Tipp bekommen: Investiert in Fonds und Aktien. Das Sparbuch bringt keine Rendite mehr. Gilt das noch?

    Sander: Das gilt nach wie vor. Wer weniger Geld, Börsenwissen, Lust und Zeit hat, dem empfehle ich in ETFs zu investieren. Denn die Börse ist kein Kindergeburtstag und zeitaufwändig. Es ist wie bei einem Kind, das bei "Jugend musiziert" gewinnen will, oder Profitänzerin oder Profifußballer werden möchte. Da reicht es eben nicht, einmal täglich ein paar Minuten zu trainieren. Man muss sehr viel Zeit investieren. Ich kann, weil ich allein lebe, diese Zeit investieren; denn ich mache ja fast nichts anderes als Börse.

    Wie haben Sie die Kursabstürze am Montag denn erlebt?

    Sander: An meinem 82. Geburtstag, 16. Dezember 2019, erreichte mein Depot einen Wert von zwei Millionen Euro. Ich begann vor 23 Jahren mit einem Betrag von 30.000 Euro, in Aktien zu investieren. Am gestrigen Montag war extrem viel zu tun. Ich habe zwei Kurse zur Geldanlage an der VHS gehalten, Interviews durchgeführt, mehr als 50 E-Mails mit Fragen bekommen, die ich alle kurz beantworten wollte. Da kam ich vor 21 Uhr nicht dazu, in mein Depot zu schauen. Ich dachte: Das ist jetzt bestimmt keine zwei Millionen mehr wert. Schließlich waren die Kursgewinne seit November 2019 laut Statistik aufgebraucht.

    Und hatten sie recht?

    Sander: Nein. Das Depot war immer noch zwei Millionen Euro wert. Das freut mich. Es geht mir weniger um das Geld als um das Erfolgserlebnis. Ich möchte beweisen, dass meine Hoch-/Tief-Mut-Strategie funktioniert. Und dass sie richtig gut ist, hat sich am Montag gezeigt. Dennoch war ich nicht untätig. Ich hatte noch 3000 Euro im Depot, aus Dividendenzahlungen. Mit diesem Geld habe ich Aktien von zwei Firmen gekauft. Ich habe überlegt, ob ich Titel aus dem Bereich Medizintechnik mit Robotik nehme oder in einen dividendenstarken Versicherungstitel investiere. Die Aktienkurse der Allianz, der Münchner Rück und der Hannover Rück waren ebenfalls gefallen. Es handelt sich um niedrig bewertete, substanzstarke Titel, die wieder anziehen werden. Ich entschied mich für Medtronic, weil hier die Zukunftsmusik spielt, und Allianz wegen der hohen Dividendenrendite.

    Sie lassen sich von der Corona-Panik also nicht infizieren?

    Sander: Nein. Ich werde auch immer wieder gefragt: Wollen Sie Ihre Vorträge denn wirklich halten? Ich bin 82 Jahre alt und habe drei Krebsoperationen überstanden. Ich gehöre also genau zur Risikogruppe. Aber ich will als Mutmacher mein Wissen an die Menschen weitergeben, die mir vertrauen. Meine VHS-Kurse und Vorträge sind immer ausgebucht. Auch im Crash geht es mir um: Weg vom schleichenden Kapitalvernichter Sparbuch, hin zu guten Aktien, ETFs und erstklassigen Akienfonds.

    Zur Person: Beate Sander, 82, ist bekannt als "Börsen-Oma." Die pensionierte Lehrerin hat bis zu ihrem 65. Geburtstag Vollzeit an der Realschule im Neu-Ulmer Stadtteil Pfuhl gearbeitet. Um die Jahrtausendwende stieg sie in den Aktienhandel ein - mit der Telekomaktie. Inzwischen ist sie Millionärin. Über ihre Anlagestrategien hat sie mehrere Bücher geschrieben. Das bekannteste ist "Der Aktien- und Börsenführerschein".

    Lesen Sie dazu auch: Wie aus Beate Sander eine millionenschwere Aktien-Oma wurde

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