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Interview: Früherer Top-Manager: "Ich mache mir Sorgen um Kuka"

Interview

Früherer Top-Manager: "Ich mache mir Sorgen um Kuka"

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    Das Schicksal des Augsburger Roboterbauers Kuka beschäftigt viele Menschen. Auch ehemalige führende Mitarbeiter wie Manfred Gundel hängen nach wie vor an dem Unternehmen.
    Das Schicksal des Augsburger Roboterbauers Kuka beschäftigt viele Menschen. Auch ehemalige führende Mitarbeiter wie Manfred Gundel hängen nach wie vor an dem Unternehmen. Foto: Gundel

    Der Fall „Kuka“ wühlt nicht nur viele Menschen in der Region auf. Der Vorstands-Krimi um den Roboterhersteller macht weiter bundesweit Schlagzeilen. Nach dem Interview unserer Zeitung mit dem künftigen Chef Peter Mohnen meldet sich ein Ex-Spitzenmanager des Unternehmens zu Wort: Manfred Gundel war bis 2015 Roboter-Chef des Augsburger Konzerns. Dass er die Firma damals verlassen hat, sei hart für ihn gewesen. Mit Gundels Äußerungen liegt eine weitere Einzelstimme im

    Herr Gundel, für das Ausscheiden Till Reuters als Kuka-Chef werden als Gründe vor allem zuletzt schlechte Zahlen, das nicht so gut laufende China-Geschäft und Differenzen zwischen dem Konzern-Boss und seinem chinesischen Aufsichtsratschef Andy Gu genannt. Sie haben nach wie vor gute Drähte in die Firma. Sind das die wahren Gründe für Reuters Abgang?

    Manfred Gundel: Das sind alles sicher wichtige Gründe. Der Hauptgrund ist für mich aber, dass in dem Unternehmen 2015 die Struktur geändert wurde. Früher wurden die Robotersparte, der Anlagenbau und der Industriebereich mit starken und technisch versierten Managern mit einem hohen Maß an Eigenständigkeit geführt. Mit der Zusammenlegung wurden die Entscheidungswege wesentlich verlängert und nur noch vom Vorstand getroffen. Das war für mich nicht akzeptabel und ich bin 2015 als Roboter-Chef gegangen.

    Hat Till Reuter Sie rausgedrängt?

    Gundel: Ich würde sagen: Das war konsequent von mir. Doch nach rund 30 Jahren für die Kuka war die Entscheidung für mich natürlich hart.

    Und welche Konsequenzen hatte die Zusammenlegung der einst selbstbewusst geführten Sparten?

    Gundel: Das war vor allem für die Kunden schwer zu verstehen, so hat sich das erfolgreiche Geschäftsmodell verändert. Wurden die Roboter über Systempartner verkauft, so sollten Roboter mit Anlagen verkauft werden. Die bekannten Ansprechpartner gingen verloren und Kuka trat als Konkurrent gegenüber dem Systempartner auf. Kuka wurde viel komplexer, was der Einsicht widerspricht, dass vor allem dezentral geführte Unternehmen am besten gemanagt werden und daher auch am erfolgreichsten sind. Durch die neue Struktur sind auch die Kosten explodiert. Der Aufbau nicht produktiver Mitarbeiter kostet viel Geld, das Unternehmen ist nicht mehr wettbewerbsfähig. Das wird sich 2019 erst so richtig finanziell auswirken.

    Gibt es weitere Gründe, weshalb die Chinesen die Reißleine gezogen und sich von Reuter getrennt haben?

    Gundel: Viele. In den letzten Jahren brachte Kuka bis auf Facelifts keine wirklich neuen Produkte mehr auf den Markt. Der 2015 präsentierte kleine Roboter Agilus war die letzte wirklich in den Markt eingeführte Innovation. Wettbewerber haben seitdem reihenweise Innovationen auf den Markt gebracht und gewaltig an Marktanteilen gewonnen.

    Warum sind die Chinesen aber so unzufrieden?

    Gundel: Kuka in Augsburg hat sich technologisch gegenüber den Chinesen abgeschottet. Der Technologietransfer fand nicht – wie von Midea gedacht – statt. Dabei ist die Kooperation mit den Chinesen sinnvoll. Das Land ist der weltweit größte Markt für Robotik. Leider wurde die Strategie, dass Kuka die Industrierobotik vorantreibt und Midea mit der ganzen finanziellen Power das Comsumer-Geschäft für Roboter erschließt, also neue Anwendungen entwickelt, so nicht durchgezogen. Hinzu kamen Qualitätsprobleme bei Kuka. Wettbewerber konnten hier Boden gutmachen.

    Haben Sie Verständnis für das harte Durchgreifen der Chinesen bei Kuka in Augsburg?

    Gundel: Die Ankeraktionäre haben einst entschieden, die Anteile an Midea zu verkaufen und die Chinesen haben gut 4,5 Milliarden investiert. Ich finde es nicht gut, dass Kuka verkauft wurde, aber das ist jetzt eben Fakt. Nun gilt es eben, das auch zu nutzen und nicht dagegen zu arbeiten, wie es aktuell der Fall ist. Ich kann also Aufsichtsratschef Andy Gu verstehen, dass er reagiert hat. Es ist wie in einem Familienunternehmen: Wenn der Eigentümer nach rechts will, darf ein angestellter Manager nicht nach links zerren. Der Eigentümer hat immer das letzte Wort.

    Warum haben die Chinesen so lange auf die von Ihnen beschriebenen Missstände nicht reagiert?

    Gundel: Sie haben lange Geduld gehabt und waren sehr loyal gegenüber Reuter. Schließlich schätzt das Midea-Management Reuter. Er hat ja auch eine unglaubliche Leistung für Kuka vollbracht und den Konzern 2009 in schweren Zeiten wieder nach oben geführt. Die zuletzt schlechten Zahlen waren nicht entscheidend für die Trennung von Reuter. Es war die Summe aus den vielen von mir angeführten Faktoren.

    Wie ernst ist die Lage für Kuka heute?

    Gundel: Die Lage ist meines Erachtens ernst. In der Zukunftssparte Robotik muss technologisch schnell etwas passieren. Man müsste jetzt zwei technologische Schwergewichte von außen holen, um in der Robotik wieder Impulse zu setzen.

    Sehen Sie sich selbst als eines der beiden technologischen Schwergewichte, die Kuka einstellen sollte?

    Gundel: Nein. Es geht mir nicht um meine Person, sondern um die Zukunft von Kuka. Ich mache mir eben Sorgen um Kuka. An Kuka hängt nach wie vor mein Herzblut. Wir müssen mit aller Macht verhindern, dass Kuka wie 2009 wieder in eine existenzielle Krise schlittert. Dazu ist es erforderlich, wieder mehr Entscheidungskompetenz bei den verantwortlichen Sparten-Managern zu belassen. In der Vergangenheit mussten zu viele gute Kuka-Manager gehen. Es wurden dann einige Leute vom Konkurrenten ABB geholt. Die sind nicht an Kuka, sondern nur am Geld interessiert.

    Tragen die chinesischen Investoren von Midea überhaupt keine Verantwortung für diese aus Ihrer Sicht dramatische Situation?

    Gundel: Midea hat sich aus meiner Sicht an das gehalten, was vereinbart wurde. Man darf jetzt nicht auf die Chinesen einprügeln. Jetzt muss man ohne Emotionen ganz professionell vorgehen und das Ruder rumreißen. Wir dürfen das Vertrauen der Chinesen in Kuka nicht beschädigen. Die Maßnahmen, welche zwingend sind, werden unabhängig von Midea eingeleitet und umgesetzt.

    Zur Person: Manfred Gundel, 53, war von 2009 bis 2015 Vorsitzender der Geschäftsführung der Kuka Roboter GmbH. Er arbeitet heute als selbstständiger Berater.

    Auch in der aktuellen Folge unseres Podcasts "Bayernversteher" geht es um Kuka. Chefkorrespondent Stefan Stahl, der das Unternehmen bereits seit vielen Jahren intensiv beobachtet, analysiert gemeinsam mit Michael Stifter, Leiter des Ressorts Politik und Wirtschaft, die Lage beim Augsburger Roboterbauers. Hier können Sie reinhören:

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