Hörgeräte haben sich in den letzten Jahren immer weiter entwickelt. Doch woher weiß man, dass der Griff zum Hörgerät die richtige Entscheidung ist? Viele kennen die Situation. Vor allem, wenn viele Kollegen am Mittagstisch in der Kantine sitzen oder die Familie zum Kaffee versammelt ist, fällt es oft schwer, alles zu verstehen. Ist ein Hörgerät die Lösung? Zusammen mit Experten beantworten wir wichtige Fragen zu dem Thema.
Woran merke ich, dass ich schlecht höre?
Ein Hörverlust kommt meist schleichend, sagt Fulin Hartmann, Meisterin für Hörgeräteakustik beim Hörgerätespezialisten Audibene in Berlin. Kann man einem Gespräch schwerer folgen, ist dies oft ein erster Hinweis, dass das Hörvermögen nachlässt. Ein Beispiel: Eine Geburtstagsfeier, auf der sich drei oder vier Leute unterhalten. Muss man mehrmals nachfragen, was der Gesprächspartner gesagt hat, deutet das auf eine Hörschwäche hin. Auch wenn die Gedanken abschweifen oder sich Kopfschmerzen oder Ermüdungserscheinungen einstellen, kann ein Hörverlust vorliegen.
Der Hörverlust kommt meist schleichend
Wie viele Leute sind betroffen?
Nach Angaben des Deutschen Schwerhörigenbundes haben rund 19 Prozent der deutschen Bevölkerung über 14 Jahre eine Hörbeeinträchtigung. Konkret wären das rund 15 Millionen Menschen.
Warum lässt das Hörvermögen eigentlich nach?
„Der Hauptgrund ist Lärm“, erklärt Hals-, Nasen- und Ohrenarzt Dr. Ludwig Rüdig aus Aichach. Bohrmaschinen, Kreissägen oder die Musik auf Volksfesten seien oft „unerträglich laut“. Ab 85 Dezibel Lautstärke gehen die Hörzellen kaputt, berichtet der Arzt. Für das Gehör sind feine Härchen im Ohr zuständig. „Die verlorenen Haarzellen lassen sich nie mehr ersetzen.“ Die einzige Möglichkeit sei es, den Hörverlust über eine Verstärkung der Töne auszugleichen. Hörgeräteakustikerin Hartmann nennt weitere Gründe: Medikamente, die auf die Ohren schlagen, Verschleiß oder Ohrenentzündungen.
Rund 19 Prozent der über 14-Jährigen ist hörbeeinträchtigt
Wie groß sind moderne Hörgeräte?
Die Zeit der großen, fleischfarbenen Hörgeräte ist vorbei. Moderne Geräte haben teils nur noch die Größe einer Kaffeebohne oder Kirsche, erklärt Akustikerin Hartmann. Dabei gibt es Hörgeräte in verschiedenen Bauformen – zum Beispiel Hinter-dem-Ohr-Geräte oder Im-Ohr-Geräte – und verschiedenen Farben, auch passend zur Haarfarbe.
Wie unterstützt die Krankenkasse den Kauf eines Hörgerätes?
Seit November 2013 gilt ein Festbetrag von 784,94 inklusive Mehrwertsteuer für die Versorgung von Versicherten mit Hörhilfen, berichtet der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV). Für Erwachsene mit an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit habe sich bereits 2012 der Festbetrag auf 786,86 Euro (ohne Mehrwertsteuer) erhöht. Bei der Versorgung mit zwei Hörgeräten – eines pro Ohr – wird der Festbetrag zwei Mal angesetzt, dann aber mit einem Abschlag verrechnet. Grund ist, dass bestimmte Dienstleistungen nur einmal entstehen, zum Beispiel die Beratung.
Versicherter zahlt zehn Euro pro Hörgerät
Wie teuer kommt mich ein Hörgerät?
Es gibt heute digitale Hörgeräte zum Festbetragssatz. Dies bedeutet: Nach Abzug des Krankenkassenzuschusses muss der Versicherte lediglich zehn Euro Rezeptgebühr pro Hörgerät zahlen, berichtet der Hörgerätespezialist Audibene. Wer gerne Hörgeräte will, die sich mit Smartphones, TV, PC und Stereoanlage verbinden können und sich über eine App auf dem Handy steuern lassen, kann sich für Geräte der Mittelklasse entscheiden. Diese kosten nach Abzug der Zuschüsse rund 500 bis 900 Euro. Berufstätige oder sehr aktive Menschen können Hörgeräte der Spitzenklasse wählen. Diese erkennen zum Beispiel, wo sich der Hörgeräte-Träger befindet – und können sich automatisch auf alle mit dem Ort verbundenen akustischen Gegebenheiten einstellen. Geräte der Spitzenklasse können nach Abzug des Zuschusses der Krankenkasse für rund 1200 bis 1800 Euro erworben werden.
Muss ich wirklich ein so teures Gerät kaufen?
Nach Ansicht des Hals-, Nasen- und Ohrenarztes Dr. Rüdig ist das nicht immer nötig. Bereits für die Zuzahlung der gesetzlichen Krankenkassen bekomme man zwei Geräte von bester Qualität zu einem vernünftigen Preis. „Mit diesen kommt man gut aus.“ Der Arzt rät dazu, Preise zu vergleichen und die Konkurrenz am Markt zu nutzen. Er hat beobachtet, dass Patienten teilweise zu teuren Geräten geraten werde. „Das muss nicht sein“, sagt er.
Wie laut sollte man mit Menschen sprechen, die ein Hörgerät tragen?
„Man sollte prinzipiell mit Schwerhörigen nicht viel lauter sprechen, sondern eher deutlich und direkt von Angesicht zu Angesicht“, sagt Hörexpertin Hartmann. Dies gilt auch für Hörgeräte-Träger. Zwar haben moderne Hörgeräte „Sicherheitsregler“, die das Ohr vor zu lauten Signalen schützen, dennoch kann es bei allzu großen Lautstärken für sie unangenehm werden.