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Forschung: Batteriefabrik: Wurden Ulm und Augsburg übergangen?

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Batteriefabrik: Wurden Ulm und Augsburg übergangen?

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    Ulm galt als aussichtsreichster Kandidat für eine neue Forschungsfabrik für Batteriezellen. Den Zuschlag erhielt nun aber Münster. 
    Ulm galt als aussichtsreichster Kandidat für eine neue Forschungsfabrik für Batteriezellen. Den Zuschlag erhielt nun aber Münster.  Foto: Stefan Puchner, dpa

    Normalerweise bittet Ulms Oberbürgermeister Gunter Czisch die Presse nur in sein Vorzimmer, wenn er gute Nachrichten zu verkünden hat. Nicht so an diesem Freitagmittag: „Wir sind irritiert“, sagt der CDU-Mann. Denn die geplante Forschungsfabrik für Batteriezellen kommt überraschend nach Münster. Und nicht nach Ulm. Am Donnerstag noch hatte eine Expertenkommission Ulm als geeignetste Stadt für die 500-Millionen-Euro-Spritze bewertet, mit der die Bundesregierung in der Batterietechnologie im internationalen Wettbewerb aufholen will.

    Das Geld kommt aus dem Haus von Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU). Die Fabrik soll im Jahr 2022 in Betrieb gehen. In den vergangenen Monaten hatten sich mehrere Städte um den Forschungsstandort beworben, unter anderem auch Augsburg. Fachleute empfahlen Ulm.

    Karliczek: Habe mich aus der Entscheidung herausgehalten

    „Münster war nur Zweiter“, sagt Czisch, der die Rangliste kenne. Er habe erwartet, dass fachliche Argumente am stärksten zählen. Deswegen, betonte er, würden ja Expertengremien überhaupt ins Leben gerufen. Dass Münster nun den Zuschlag bekommen habe, könne nur aus „strukturpolitischen Erwägungen“ erfolgt sein. Anja Karliczek kommt aus Ibbenbüren in der Nähe von Münster. „Die Ministerin hätte sich sicherlich in ihrer Heimat schwergetan, wenn Münster leer ausgegangen wäre“, sagte Czisch. Karliczek selbst hatte zuvor in Berlin eingeräumt, dass die Wahl des Hauptstandortes für sie eine sensible Entscheidung gewesen sei, aus der sie sich herausgehalten habe.

    OB Czisch sorgt sich nun, dass Deutschland den Anschluss bei einer Zukunftstechnologie verliert. „Man sollte die Starken stärken, wenn man an die Weltspitze will.“ Strukturpolitik helfe da nicht weiter. „Entschieden“ widersprach Czisch dem Argument von Ministerin Karliczek, dass bei fast gleichwertigen Bewerbungen ausgerechnet das Recyclingkonzept für Münster gesprochen habe. Gerade darauf habe Ulm besonders Wert gelegt.

    Die Ulmer SPD-Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis geht mit ihrer Kritik an der Entscheidung noch weiter und spricht von einer „absoluten Frechheit“. Karliczek sollte aus Sicht von Mattheis schnellstens gute Gründe und belastbare Fakten öffentlich machen, was zu der Entscheidung für Münster geführt habe. Nur so könne sie sich von möglichen Vorwürfen reinwaschen, dass sie eine so zukunftsweisende Entscheidung als billiges Konjunkturpaket für ihren Wahlkreis und ihre eigene Heimatregion missbrauche. Mattheis: „Sollte das nicht möglich sein, würde sie gut daran tun, diese Entscheidung nochmals zu überdenken.“

    Batteriefabrik: In Augsburg hatte man sich zuletzt große Hoffnungen gemacht

    Karliczek kündigte an, dass Ulm ein Nebenstandort werden soll, genau wie Augsburg, Karlsruhe und Salzgitter. Was das genau heißt, blieb am Freitag zunächst unklar. Auch im Freistaat ärgert man sich über diese Entscheidung. Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) erklärte, er wolle die (Teil-)Absage nicht akzeptieren. „Der Vorschlag Augsburg ist fachlich erstklassig, bei rein innovationspolitischen Erwägungen hätten wir allerbeste Chancen gehabt“, sagte Aiwanger unserer Redaktion. „Es ist nicht korrekt, dass plötzlich weitere Kriterien ins Spiel kamen, die im Ausschreibungsverfahren nicht genannt wurden“, fügte er hinzu und kündigte an: „So lassen wir uns nicht abfertigen. Ich will einen Plan B für Bayern und Süddeutschland.“

    In Augsburg hatte man sich in den vergangenen Wochen große Hoffnungen gemacht, den Zuschlag für die Forschungsfabrik zu erhalten. Auch einen möglichen Standort gab es bereits: Der Freistaat hatte in Aussicht gestellt, im Erfolgsfall Teile des Fujitsu-Geländes zu kaufen und bereitzustellen. Die Fabrik des japanischen Computerherstellers in Augsburg soll ab September 2019 schrittweise geschlossen und ein Jahr später stillgelegt werden.

    Entsprechend enttäuscht zeigte man sich bei der Industrie- und Handelskammer Schwaben aber auch. „Wir bedauern die Entscheidung“, sagte Markus Anselment, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK. Man sei nach wie vor davon überzeugt, dass sich der Wirtschaftsraum Augsburg „als Forschungsstätte rund um die Batteriezellenfertigung“ eignet. Augsburgs Wirtschaftsreferentin Eva Weber hielt sich mit einer inhaltlichen Bewertung noch zurück: „Mir liegen zum jetzigen Zeitpunkt noch keine näheren Informationen vor, die den Standort Augsburg betreffen.“

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