Wie lange reicht die Miete noch? Diese Frage stellen sich immer mehr Menschen angesichts der Verwerfungen und erheblichen wirtschaftlichen Schäden, die die Corona-Krise verursacht. Die Bundesregierung hat auf diese Sorgen reagiert und ein Schutzpaket geschnürt, das am Mittwoch vom Bundestag verabschiedet wurde. Mietern soll vorerst nicht mehr gekündigt werden dürfen, wenn sie – betroffen von den finanziellen Folgen der Pandemie – ihre Wohnung nicht mehr bezahlen können. Was ist genau geplant? Was müssen Mieter jetzt wissen? Und reichen die Maßnahmen? Kritiker sagen schon jetzt, es muss nachgerüstet werden. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:
Wie viele Mieter könnte es treffen?
Der Deutsche Mieterbund kennt noch keine genauen Zahlen. Eine Sprecherin teilte auf Anfrage aber mit, dass der Mieterbund „deutlich“ merke, dass sich immer mehr Mieter Sorgen machen. „Die Nachfragen bei unseren Vereinen rund um das Thema Corona und Miete steigen spürbar.“ Und die Sprecherin fügt an: „Bedenkt man, dass die durchschnittliche Mietbelastungsquote (Anteil der Bruttowarmmiete am Haushaltsnettoeinkommen) im Jahr 2017 bei 29 Prozent lag und sie in nachgefragten Städten sogar darüberliegt, ist davon auszugehen, dass eine große Anzahl von Mietern in Zahlungsschwierigkeiten geraten wird, sollte sie für einen längeren Zeitraum Einkommensbußen aufgrund der Coronakrise erleiden.“ Monika Schmid-Balzert, Geschäftsführerin des Mieterbundes Bayern, rechnet mit dem Ansturm Hilfsbedürftiger Mitte April, Anfang Mai.
Wie genau will die Bundesregierung Mieter besser schützen?
Wenn ein Mieter zwei Monatsmieten schuldig bleibt, dann darf sein Vermieter ihm kündigen. Dieses Recht soll nun – allerdings für einen begrenzten Zeitraum – eingeschränkt werden. Zahlungsrückstände aus der Zeit von 1. April bis 30. Juni dieses Jahres sollen künftig – für die Dauer von 24 Monaten – nicht zur Kündigung berechtigen. Mieter sollen die Möglichkeit bekommen, die ausgefallene Miete bis Ende Juni 2022 nachzuzahlen. Die geplante Einschränkung des Kündigungsrechts gilt allerdings nur für die Fälle, in denen die Mietrückstände nachweislich mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie begründet werden können, wie das Bundesministerium für Verbraucherschutz betont. Wenn jemand schon vor April nicht zahlen konnte oder wenn es sonstige Kündigungsgründe gibt, greift die Neuregelung nicht.
Was ist, wenn die Pandemie länger dauert?
Sollte das Virus die Wirtschaft länger als Ende Juni stilllegen, dann kann die bisherige Dreimonatsfrist – via Rechtsverordnung – um weitere drei Monate verlängert werden. Sollte die Pandemie Ende September immer noch nicht ausgestanden sein, dann könnte der Zeitraum erneut ausgeweitet werden. Allerdings müsste in diesem Fall wieder der Bundestag zustimmen.
Was tun Mieter, wenn sie absehen, dass das Geld für die Wohnung nicht mehr reicht?
Monika Schmid-Balzert vom Mieterbund Bayern rät dazu, dem Vermieter schnell zu sagen, was Sache ist. So könnten sich alle schnell auf die schwierige Situation einstellen. Mieter sollten nicht vergessen, dass nicht wenige Vermieter ihre vielleicht erst kurz zuvor erstandene Eigentumswohnung selbst noch abbezahlen müssen. Mietern, die knapp im Portemonnaie werden, empfiehlt sie zudem, zumindest einen Teil der Miete zu zahlen, solange das noch geht. Als Zeichen des guten Willens und – für den überaus unwahrscheinlichen Fall, dass die nun getroffenen Schutzmaßnahmen der Regierung nicht schon Anfang April greifen sollten – man könne sich auf diese Weise „Zeit erkaufen“. Denn kündigen dürfe der Vermieter eben erst, wenn zwei volle Mieten ausgeblieben sind. Sollten die Schutzmaßnahmen der Regierung aber wie geplant auch am Freitag durch den Bundesrat gehen, dann seien betroffene Mieter zunächst ohnehin auf der sicheren Seite.
Wie weisen Mieter nach, dass sie nicht mehr zahlen können?
Es reicht nicht, dem Mieter zu sagen: Wird knapp, bitte stunden. Im Streitfall muss der Mieter glaubhaft machen können, dass er wegen der Pandemiefolgen nicht zahlen kann. Sprich: Er kann zum Beispiel vom Arbeitgeber den Bescheid über Verdienstausfall, Kurzarbeit oder Kündigung vorlegen. Selbstständige können zum Beispiel auch Auftragsstornierungen vorlegen. Eine Versicherung an Eides statt ist laut Ministerium ebenfalls statthaft.
Was ist, wenn die Krise rum ist und ein Berg Mietschulden bleibt?
Wissen muss man: Auch wenn betroffene Mieter künftig möglicherweise über Monate kein Geld mehr überweisen müssen, wenn sie nicht können, so bleiben sie laut Ministerium dennoch weiterhin zur Zahlung verpflichtet. Hier setzt die Kritik an den Maßnahmen der Regierung an. Andreas Peichl, Leiter des ifo Zentrums für Makroökonomik und Befragungen in München, geht davon aus, dass die Regierung wird nachbessern müssen. Was auf den Weg gebracht sei, halte er für gut. Aber, so warnte der Ökonom im Gespräch mit unserer Redaktion, dennoch entstünden bei den Vermietern Schulden, denn die Mieten seien ja nicht erlassen. Nehme man ein auch diskutiertes Horrorszenario an, in dem die Krise noch 18 Monate dauere, was mache jemand ohne Einkommen dann, fragt der Wissenschaftler.
Der Präsident des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten, tritt für Nachbesserungen ein: „Mieter dürfen keinesfalls mit Verzugszinsen belastet werden, wenn sie ihre Mietschulden in der Zeit nach der Corona-Krise begleichen.“ Der Mieterbund fordert gemeinsam mit dem Gesamtverband der deutschen Wohnungswirtschaft (GdW) die Einrichtung eines „Sicher-Wohnen-Fonds“. Der soll die Miete als Zuschuss oder zinsloses Darlehen übernehmen, damit das Mietverhältnis nicht belastet wird. Der Mieter soll dann, so die Idee, wegen der Abwicklung nur mit dem Fonds, nicht aber mit dem Vermieter zu tun haben. Und, so die weitere Forderung: „Für Mieter, die die Miete bis zum 30. Juni 2022 nicht nachzahlen können, müssen die Mietschulden endgültig vom Fonds oder anderen Sicherungssystemen übernommen werden.“
Was ist mit Wohnungskäufern oder Vermietern?
Laut Ministerium sollen Verbraucher, die unter den Auswirkungen der Corona-Krise leiden, einen mindestens dreimonatigen Zahlungsaufschub bei Darlehensverträgen erhalten. Das gilt auch für Vermieter, sofern sie nicht gewerblich vermieten, sondern dies im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung tun.
Was ist mit Gewerbemieten?
Auch hier gibt es große Probleme, weil viele kleine und mittlere Unternehmen bald pleite sein könnten. Die Stadtentwicklungsexpertin des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Tine Fuchs, sagt: „Die Gewerbemieten sind in der jetzigen Krise nicht nur für Händler, Gastgewerbe und Dienstleister ein großes Thema, sondern auch für die Immobilieneigentümer. Die Mieten sind in aller Regel an den Umsatz gekoppelt. Aber den gibt es in vielen Fällen nicht mehr. Daher gilt es jetzt, im Dialog von Mietern und Vermietern pragmatische Lösungen zu finden, die beiden Seiten helfen. Wir sind daher froh, dass die Bundesregierung dabei ist, gesetzliche Türen dafür zu öffnen.“ Laut Verbraucherschutzministerium gilt – parallel zur Regelung für private Mieter – auch hier das dreimonatige Moratorium. Beim DIHK sieht man aber noch Konkretisierungsbedarf.
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